Franz Fischler
ORF
ÖVP-Affäre

„System Kurz“ für Fischler „inakzeptabel“

Die ÖVP steht – mit dem Aufbrechen der Inseratenaffäre und dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler – in der „schwersten Krise ihrer Parteigeschichte“: Das konstatierte der Politikwissenschaftler und ÖVP-Kenner Fritz Plasser in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ am Sonntag. Der frühere ÖVP-Minister und EU-Kommissar Franz Fischler sieht keinen Weg zurück für Kurz. Das „System Kurz“ sei „so inakzeptabel“.

Für Fischler – der schon in der Vergangenheit einer der ganz wenigen innerhalb der ÖVP war, die manchmal Kritik an Kurz und Co. äußerten – ist nach allem, was über die Chats und Ermittlungsunterlagen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ans Licht kam, klar, dass das „System Kurz“ „so inakzeptabel ist“.

Die ÖVP könne „nicht so bleiben, wie sie jetzt unter Kurz ist“, sie müsse einsehen, „dass dieses Modell nicht funktioniert“ – und sie werde es auch „nicht aushalten“, mit Kurz als Spitzenkandidat in die nächste Wahl zu gehen, wenn parallel etwa ein Strafverfahren läuft. Aber auch zur „alten ÖVP“ zurückzukehren wäre für Fischler keine Lösung, sondern „das Ende der ÖVP“. Es gelte, Vertrauen zurückzugewinnen, Strukturen zu ändern und „wieder mehr in Richtung Gemeinschaft zu denken“, damit sich „nicht die gesamte ÖVP in einer schmalen Gruppe junger Leute erschöpft“.

Fischler sieht kaum Chance für Kurz als künftigen ÖVP-Spitzenkandidaten

Strolz: Lüge bei Kurz „Standardinstrument“

Drastisch fiel der Befund von Ex-NEOS-Chef Matthias Strolz aus – der 2016 mit Kurz und Irmgard Griss über eine gemeinsame Wahlplattform verhandelt hatte. Ihn habe damals die kaltschnäuzige Ansage des 30-jährigen Kurz entsetzt, dass er „lügen kann“ (konkret: Medien anlügen über diese Verhandlungen). Bis heute sei er, Strolz, überzeugt, dass „Lüge bei ihm ein Standardinstrument ist“, Kurz „nicht integer handelt“, eine „Kunstfigur“ aufgebaut habe und dass hinter dem „hochpolierten Lack wilde Abgründe lauern“.

So ist Strolz’ Rat an die ÖVP denn auch: Sie müsse erkennen, dass „eine kaltschnäuzige Karrieristenclique die Kontrolle übernommen hat“ und Kurz auch als Partei- und Klubobmann nicht haltbar sei. Die ÖVP müsse sich „an Haut und Haaren erneuern“. Es müsse sich jemand finden, der „entschlossen in die Führung geht“.

Strolz: „Die Lüge ist bei Kurz ein Standardinstrument“

„Elli, es ist vorbei“

An Köstinger und die anderen Mitglieder des Kurz-Teams appellierte er, „den Weg frei zu machen“ – und er sagte der Kurz-Vertrauten ganz unumwunden seine Meinung: „Elli, es ist vorbei, es ist vorbei.“

Köstinger: „Wollen weiter Land gestalten“

Das sah Köstinger, die zu den engsten Vertrauen von Kurz gehört, nicht so. Kurz und sein Team hätten „schon die klare Vision, den klaren Anspruch, dieses Land zu gestalten, genau das wollen wir weiter tun“. Sie sieht die Partei weiter „geschlossen“, wenngleich es „viel Verunsicherung gibt“. Das Allerwichtigste sei jetzt, „Vertrauen wieder aufzubauen, für Stabilität zu sorgen und alles zu tun, dass es in der Partei Geschlossenheit, Richtung, inhaltliche Diskussion und auch ein Aufarbeiten gibt“.

Köstinger verteidigt Kurz’ Chat-Sprache

Auf Verteidigungslinie mit Kurz

Was die Ermittlungen gegen Kurz und andere betrifft, brachte Köstinger – neben dem Einmahnen der Unschuldsvermutung – die bekannten Verteidigungsargumente vor, indem sie lediglich die strafrechtliche Dimension betonte, nicht aber die politische Moral und Verantwortung. Da gehe es doch um Menschen, manchmal würden einem Dinge herausrutschen, die man bereue, argumentierte Köstinger ähnlich wie Kurz selbst.

Dann entschuldige man sich und rede die Sache aus. Wenn das nicht möglich sei, könne doch „niemand, der einmal einen Kraftausdruck verwendet hat, jemals wieder eine Führungsfunktion im Staat oder einer Partei haben“.

„Im Zentrum“: Wohin steuert die ÖVP?

Die Regierungsarbeit wird nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz fortgesetzt. Nach der Kanzlerrochade befindet sich die ÖVP aber immer noch unter Druck. Was bedeuten die Korruptionsermittlungen für das Ansehen der Partei und die Zukunft von Kurz als Parteichef und Klubobmann? Welcher Wertekatalog wird als Maßstab für die neue Volkspartei herangezogen? Wie wird sich Alexander Schallenberg als Bundeskanzler profilieren? War der Rücktritt von Kurz alternativlos? Wie viel Macht hat der Parteiobmann und nunmehrige Klubobmann Kurz, und wie viel Gewicht haben die Meinungen der Landeshauptleute? Wird Türkis wieder Schwarz und aus der neuen Volkspartei wieder die alte?

Plasser: Traditionellen Markenkern stärken

Plassers Empfehlung an die Volkspartei ist, sich „in großer Sorgfalt“ Fachkompetenz, konkret Wirtschaftskompetenz, zu erarbeiten und zu demonstrieren – also sich des „traditionellen Markenkerns, der in den letzten Jahren sehr schwach wurde“, wieder zu besinnen, aber auch manche Bereiche, „die Kurz berührt hat“, weiterzuführen, etwa die liberal-konservativen Positionen in der Migrationsfrage. Den Übergang bis zur nächsten Wahl sieht er mit Schallenberg gesichert.