Rakete Long March-2F Y13 bei Jiuquan, China
Reuters/Carlos Garcia Rawlins
Umorientierung

China als neues Ziel für NATO

Die transatlantische Militärallianz NATO soll sich künftig auch Sicherheitsbedrohungen durch China zentral widmen. Das kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg einen Tag nach Bekanntwerden eines chinesischen Tests einer Hyperschallrakete an. Peking bestätigte einen Test, allerdings mit einem „Raumschiff“.

Den Sicherheitsbedrohungen, die Chinas Aufstieg für die westliche Allianz mit sich bringt, Paroli zu bieten werde künftig ein wichtiger Bestandteil der NATO sein, so Stoltenberg in einem Interview mit der „Financial Times“. Diese hatte am Wochenende unter Berufung auf namentlich nicht genannte US-Behördenvertreter davon berichtet, dass die US-Geheimdienste von dem Hyperschallraketentest Chinas völlig überrascht worden seien.

Sich gegen Cyberangriffe und andere Gefahren zu rüsten werde in der neuen NATO-Doktrin einen wichtigen Platz einnehmen. Laut Stoltenberg sind Auswirkungen der stark gestiegenen militärischen Fähigkeiten Chinas bereits jetzt in Europa spürbar. Damit würde die NATO auf den von US-Präsident Joe Biden ganz dezidiert ausgerufenen Kurs einschwenken. Biden sieht China als Hauptkonkurrenten für die USA und die westlichen Demokratien.

Er hat daher angekündigt, zwar grundsätzlich weiter zur Kooperation mit China bereit zu sein. Gleichzeitig machte er aber keinen Hehl daraus, dass die USA der kommunistischen Führung wirtschaftlich wie militärisch offener Paroli bieten werden und Pekings geostrategische Bemühungen, insbesondere in Asien, unterlaufen wollen.

Getrübtes transatlantisches Verhältnis

Zuletzt hatten die USA gemeinsam mit Großbritannien und Australien daher das AUKUS genannte Bündnis um einen großen U-Boot-Ankauf Australiens geschmiedet – und dabei auch in Kauf genommen, den NATO-Partner Frankreich vor den Kopf zu stoßen. Paris stand seit Jahren in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Canberra über den milliardenschweren U-Boot-Deal.

Abzuwarten bleibt, ob es innerhalb der NATO-Mitglieder hier eine Zustimmung zu diesem Kurswechsel gibt: Frankreich ist trotz Versuchen, den jüngsten schweren Rückschlag in den bilateralen Beziehungen mit Washington wieder wettzumachen, wohl weiter schlecht auf die USA und Großbritannien zu sprechen. Dazu kommt, dass ein Gros der europäischen NATO-Staaten und auch die EU bisher eine deutlich zurückhaltendere Position gegenüber China einnehmen. Ziel war es bisher eher, sich nicht in den Großmächtewettkampf hineinziehen zu lassen.

Sich mit Aufstieg Chinas auseinandersetzen

Die NATO sei zwar eine Allianz aus Nordamerika und Europa, aber man stehe vor gemeinsamen „globalen Herausforderungen: Terror, Cyberangriffe und der Aufstieg Chinas“. Wenn die NATO ihre kollektive Verteidigung stärken wolle, „geht es auch darum, sich mit dem Aufstieg Chinas auseinanderzusetzen“, sagte Stoltenberg gegenüber der „Financial Times“ und plädierte damit für eine Ausweitung der bisherigen Doktrin.

Nach dem Abzug aus Afghanistan und dem 20-jährigen Einsatz dort, dessen Sinn mit der neuerlichen Machtübernahme der Taliban unmittelbar nach dem Abzug infrage steht, ist die NATO verstärkt in einem Prozess der Neuorientierung. Der Norweger Stoltenberg, der nächstes Jahr als NATO-Chef abtreten wird, erwartet, dass die NATO ihre Einsätze außerhalb der Allianz „zurückfahren“ werde. Im Gegensatz soll die Widerstandsfähigkeit gegenüber Angriffen – gerade auch Cyberattacken – verstärkt werden.

„China kommt uns immer näher … Wir sehen das in der Arktis. Wir sehen es im Cyberspace. Wir sehen, wie sie stark in kritische Infrastruktur in unseren Ländern investieren. Und natürlich haben sie Waffen mit immer größerer Reichweite, die alle NATO-Mitglieder erreichen können. Sie bauen viele, viele Lager für Interkontinentalraketen mit großer Reichweite“, so Stoltenberg.

Die NATO will auf dem nächsten Gipfel im Sommer 2022 ein neues strategisches Konzept verabschieden, das die Ziele der Allianz für die nächsten zehn Jahr festlegt. In der derzeitig gültigen Version aus dem Jahr 2010 wird China nicht erwähnt.

China weist Vorwürfe zurück

China seinerseits betont stets, keine aggressiven Absichten zu haben und nur die eigene Verteidigungsfähigkeit auszubauen. Den USA warf Peking immer wieder vor, mit Warnungen vor Chinas Militärmacht selbst ein Wettrüsten losgetreten zu haben.

„Es war ein Raumschiff, keine Rakete“

Konkret zum Raketentest sagte Peking am Montag, man habe ein neues Raumschiff mit wiederverwendbarer Technologie getestet. Auf Journalistenfragen nach einem Bericht der „Financial Times“ über einen angeblichen Versuch mit einer atomwaffenfähigen Hyperschallrakete im August sagte der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian, am Montag in Peking: „Es war ein Raumschiff, keine Rakete.“

Er sprach von einem „Routinetest“. Es sei darum gegangen, Technologie erneut zu benutzen. Das sei in der Raumfahrt wichtig, um Kosten zu reduzieren. „Viele andere Länder und Unternehmen nehmen ähnliche Tests vor.“ Überreste des Raumschiffes seien ins Ostchinesische Meer gefallen. Weitere Details nannte der Sprecher nicht.