Romy Schneider mit ihrer kleinen Tochter Sarah Biasini
privat
Sarah Biasini

Emotionales Buch über Mutter Romy Schneider

Das erste Buch der Schauspielerin Sarah Biasini hat Anfang des Jahres in Frankreich für Aufsehen gesorgt – am Montag erscheint nun die deutsche Übersetzung. In „Die Schönheit des Himmels“ gibt Romy Schneiders Tochter, die sich bisher kaum zu ihrer berühmten Mutter äußerte, sehr persönliche Einblicke in ihre Familiengeschichte – und geht der Frage nach, wie sich der frühe Tod ihrer Mutter auf die Beziehung zu ihrer eigenen Tochter auswirkt.

Romy Schneider hält ein kleines Mädchen hoch und drückt ihr ein Bussi auf den Mund, rundherum hellblaues, im Sonnenschein glitzerndes Wasser: Das Foto im Swimmingpool, das auf dem Buchcover von „Die Schönheit des Himmels“ zu sehen ist, sei 1980 im kleinen südfranzösischen Ort Ramatuelle aufgenommen worden, erzählt Sarah Biasini im Gespräch mit ORF.at. Drei Jahre alt sei sie da gewesen – so alt wie ihre eigene Tochter heute.

Ein Jahr nachdem die Szene im Pool fotografiert wurde, starb Schneiders Sohn David, Biasinis Halbbruder, mit 14 Jahren bei einem Unfall. Zehn Monate danach, am 29. Mai 1982, wurde die Schauspielerin mit 43 Jahren tot in ihrer Wohnung in Paris aufgefunden – Todesursache Herzversagen.

Erinnerungen wie „Blitzlichter“

Wie sehr Abwesenheit und Berühmtheit ihrer Mutter das bisherige Leben der heute 44-jährigen Biasini geprägt haben, wird auf den knapp 200 Seiten von „Die Schönheit des Himmels“ immer wieder deutlich: „Ich werde dich hören, wie du mich Mama nennst, ohne mich daran zu erinnern, es selbst gesagt zu haben“, schreibt sie an ihre Tochter Anna, an die das Buch gerichtet ist. Sie werde nicht so früh sterben, wie ihre eigene Mutter, versichert sie Anna. Falls doch, wolle sie ihr aber etwas hinterlassen: „Von meiner eigenen Mutter habe ich so wenig, ich hätte mir auch gewünscht, dass sie mir schreibt, aber wie hätte sie sich ausmalen sollen, was folgen würde?“

Porträt von Sarah Biasini
Patrice Normand
Sarah Biasini ist Schauspielerin und Schriftstellerin und lebt in Paris

Die Erinnerungen, die Biasini an Schneider hat, beschränken sich „auf Blitzlichter, auf unzusammenhängende Bilder“, wie gemeinsame Frühstücke im Bett. Auf Fragen nach ihren Erinnerungen an ihre Mutter, habe sie lange geantwortet, sie wolle diese lieber für sich behalten. Heute entgegnet sie ehrlich, wie sie sich denn an einen Menschen erinnern solle, der gestorben ist, als sie erst vier Jahre alt war.

Projektionsfläche für die Presse

Das Bild von Schneider als tragischer Figur, wie es seit Jahrzehnten in vielen Biografien und Dokumentationen weitergetragen wird, will die Tochter des französisch-italienischen Journalisten Daniel Biasini, mit dem Schneider von 1975 bis 1981 verheiratet war, jedenfalls nicht so stehen lassen. „Zwischen ihrem öffentlichen Image und der Frau, wie meine Familie sie kannte, liegen Welten“, sagt sie im Interview mit ORF.at. Ein fröhlicher Mensch, der viel lachte, sei Schneider gewesen.

Romy Schneider und Alain Delon in „Der Swimmingpool“ 1968
picturedesk.com/CONTRAST/Stills/Doc Pele
Romy Schneider und Alain Delon in „Der Swimmingpool“ (1968), mit dem Schneider in Frankreich endgültig zur Ikone wurde

Doch wie entstand dann dieses andere Bild von ihr? Wegen ihrer Schönheit, ihres Talents und ihrer Liebesgeschichten sei sie die ideale Projektionsfläche für die Presse gewesen, sagt Biasini: „Die Menschen brauchen Geschichten. Sie brauchen etwas, wovon sie träumen, worüber sie fantasieren können. Letztlich wurde meine Mutter zu einer Art Mythos. Und was passiert mit jemandem, der in den Himmel gehoben wird? Sobald er unerreichbar scheint, wird er von denselben Menschen, die ihn angebetet haben, fallen gelassen. Es ist sehr widersprüchlich.“

Wie weit darf künstlerische Freiheit gehen?

Dieser Widerspruch zieht sich bis in die Gegenwart. „Es ist unerträglich zu sehen, wie sie dargestellt wird. Sie hätte diesen Film auch gehasst, er wäre nie herausgekommen, wenn sie noch am Leben wäre“, schreibt Biasini etwa über das 2018 erschienene deutsche Biopic „3 Tage in Quiberon“. Der Film behandelt die titelgebende Zeitspanne, in der sich Schneider zur Kur im französischen Badeort Quiberon aufhielt und von einem Reporter des „Stern“ reißerisch zu ihrem Privatleben befragt wurde.

Romy Schneider und Claude Sautet in „Cesar et Rosalie“, 1972
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„Cesar und Rosalie“ (1972) von Regisseur Claude Sautet bezeichnet Biasini als ihren Lieblingsfilm mit Schneider

„Ich habe nicht zu anderen gesagt: ,Sieh dir den Film nicht an.‘ Aber ich habe gesagt: ,Glaube nicht alles, was du darin siehst‘“, sagt Biasini gegenüber ORF.at, und vergleicht das Biopic mit der Netflix-Serie „The Crown“ über das britische Königshaus. „Jeder kann natürlich jeden Film machen. Wenn es eine eigene Interpretation über das Leben anderer ist, muss man das aber dazusagen, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht annehmen, dass alles der Realität entspricht.“ Wäre das im Vorspann erwähnt worden, hätte es für sie sehr viel geändert. „Aber das Interview hat meine Mutter natürlich gegeben. Ich verstehe immer noch nicht, warum sie diese Leute ins Hotel gelassen hat, aber okay.“

Cover des Buchs „Die Schönheit des Himmels“ von Sarah Biasini
Zsolnay Verlag

Buchhinweis

Sarah Biasini: Die Schönheit des Himmels. Paul Zsolnay Verlag, 192 Seiten, 22,70 Euro. Erscheint am 25. Oktober 2021.

„Weil es traurig ist“

„Ich tue das, was ich hasse, öffentlich über meine Mutter zu sprechen“, schreibt Biasini im Buch, als sie sich entschließt, sich im französischen Fernsehen über das Biopic zu äußern und Schneider zu verteidigen. Dass sie nun dennoch so ein persönliches Buch veröffentlichte, führt Biasini auf einen Sonntag im Mai 2017 zurück: Eine Polizeikommissarin rief sie in der Früh an, um ihr mitzuteilen, dass Unbekannte mit einem Brecheisen auf den Grabstein ihrer Mutter auf dem Friedhof von Boissy-sans-Avoir, rund 40 Kilometer südwestlich von Paris, eingeschlagen hatten, um ihn vom Sockel zu lösen.

„Ich sehe den aufgebrochenen Stein vor mir, den geöffneten Spalt, das Loch mit dem schwindelerregenden Schwarz.“ Nur wenige Wochen später erfuhr sie, dass sie nach jahrelangen vergeblichen Versuchen und künstlichen Befruchtungen endlich – auf natürlichem Weg – schwanger geworden war. Zwischen beiden Ereignissen sieht Biasini eine Verbindung. Die Beschädigung des Grabes habe etwas in ihr befreit und sie mit der Vergangenheit ausgesöhnt. „Ich begrabe meine Mutter erneut, ich bezahle für ihr Begräbnis, und all das spielt sich diesmal im engsten Kreis ab.“

Drei Wochen vor Annas Geburt beginnt Biasini schließlich zu schreiben. Auch heute sei es noch schwierig für sie, über ihre Mutter, „über Romy Schneider“ zu sprechen, sagt sie und spricht Schneiders Namen das einzige Mal während des Interviews aus. Im Grunde sei aber das einzig wirklich Schwierige, dass sie tot ist: „Es ist schwierig über tote Menschen zu sprechen. Weil es traurig ist. Das ist alles.“

Treffen mit Delon, Piccoli und Sautet

Abgeklärt und aufgewühlt zugleich und mit einer auf manchen Seiten fast schon brutalen Direktheit erzählt Biasini in „Die Schönheit des Himmels“ aus ihrem Leben, in dem ihre Mutter trotz deren Abwesenheit immer präsent ist – nicht zuletzt weil sie von der Öffentlichkeit ständig an sie erinnert wird: „Niemand will meine Mutter vergessen, nur ich.“ Sie thematisiert die Angst vor dem Verlust geliebter Menschen, die sie besonders quält, seit ihre eigene Tochter auf der Welt ist. Und sie beschreibt anhand von vier Generationen von Frauen ihrer Familie den ewigen Kampf um Selbstbestimmung und darum, seine Rolle im Leben zu finden. Verletzlich und beeindruckend stark zugleich – dieser Eindruck bleibt von Schneider nach der Lektüre, und auch von Biasini.

Porträt von Sarah Biasini
Patrice Normand

Am 25. November kommt Sarah Biasini zur Präsentation von „Die Schönheit des Himmels“ im Metro Kino nach Wien.

Begegnungen mit Schneiders Weggefährten, den Großen des französischen Kinos und Theaters des vergangenen Jahrhunderts, werden im Buch beschrieben: Michel Piccoli, Alain Delon, Claude Sautet – sie alle traf Biasini in den vergangenen Jahren. „Bewegend“ seien diese Treffen gewesen, „sehr bewegend“. Sie habe nicht alle Filme ihrer Mutter gesehen, aber die meisten, am öftesten „Cesar und Rosalie“. Unzählige Male habe sie den Film als Teenager gesehen, erzählt sie im Interview, „ein sehr französischer Film. Und voller Freude.“

„Dumme Teenagerentscheidungen“

Die „Sissi“-Trilogie, für die Schneider in Österreich und Deutschland – trotz all der Film- und Theaterrollen, die sie danach spielte – noch immer am meisten bekannt ist, sah Biasini schon als Kind. Die Filme hätten sie damals „zum Lachen gebracht“. Deutsch spricht die 44-Jährige nicht. Schneider sprach französisch mit ihr, denn sie hatte sich längst für Frankreich entschieden, was ihr die Presse in Deutschland zeitlebens vorwarf. Nach dem Tod ihrer Mutter habe sie sich geweigert, die Sprache zu lernen, erzählt Biasini im Interview.

Heute bereue sie diese Entscheidung ein wenig: „Ich erinnere mich genau, warum ich mich weigerte, Deutsch zu lernen: weil der einzige Mensch, mit dem ich es sprechen wollte, nicht mehr da war. Die dummen Entscheidungen, die du als Teenager triffst…“ Sie sei aber nicht stolz darauf, Deutsch nicht zu verstehen. Ob sie es heute gerne sprechen würde? „Oui, yes!“ Es sei aber zu spät, sie sei zu alt, sagt Biasini und schmunzelt. „Aber wenn meine Tochter einmal die Sprache ihrer Großmutter lernen möchte, dann probiere ich es vielleicht mit ihr gemeinsam.“