Silhouetten von Personen vor Facebook-Logo.
Reuters/Dado Ruvic
Internet-„Nachfolger“?

Wie Facebook nach dem „Metaverse“ greift

Die Frage, was nach dem Internet kommt, beschäftigt nach und nach IT-Riesen – vor allem in den letzten Monaten ließ Facebook mit dem Begriff „Metaverse“ aufhorchen: Mit Virtual-Reality-Brillen wird eine vernetzte Zukunft wie im Science-Fiction-Film angepriesen. Erst am Montag kündigte Facebook an, Tausende Arbeitsplätze für das „Metaverse“ schaffen zu wollen. Inmitten scharfer Kritik an Facebook plant der Konzern nun offenbar, die Weichen für das Netz der Zukunft zu stellen – nach eigenen Vorstellungen.

Es ist fast so, als hätte die Realität in großen Schritten zu Science-Fiction-Fantasien aufgeschlossen: Das soziale Netzwerk Facebook soll nach den Plänen von Konzernchef Mark Zuckerberg zum „Metaverse“ werden. Das bedeutet, angelehnt an den Begriff aus dem Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson, eine Verschmelzung von physikalischer, virtueller und erweiterter Realität. Kurz gesagt: Die Zukunft des Internets wird in den Augen von Facebook wohl auf Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) aufbauen, zumindest zu Beginn.

Konkrete Details gibt es bisher kaum. Momentan werden VR-Brillen in erster Linie zum Spielen verwendet, in der Vorstellung von Facebook soll dadurch aber das gesamte vernetzte Leben per Headset zu erledigen sein – egal ob Arbeit, virtuelle Treffen oder Unterhaltung. In einem Interview mit dem Portal The Verge beschrieb Zuckerberg selbst seine Vision so: „Man kann sich das ‚Metaverse‘ als ein verkörpertes Internet vorstellen, in dem man sich die Inhalte nicht nur ansieht, sondern in ihnen steckt.“

Enormer Druck auf Facebook

Die Ankündigungen kommen für Facebook in einer besonders heiklen Zeit: Vor allem in den vergangenen Wochen stand das soziale Netzwerk unter Druck, Enthüllungen einer ehemaligen Mitarbeiterin im „Wall Street Journal“ schlugen hohe Wellen. Seit geraumer Zeit wird Facebook von den USA und der EU genau beobachtet – dass der Konzern, dem auch WhatsApp und Instagram gehört, zerschlagen werden könnte, ist ein Gespenst, das seit Jahren herumgeistert.

Facebook CEO Mark Zuckerberg
APA/AFP/Amy Osborne
Facebook-Chef Mark Zuckerberg sieht die Zukunft des Netzes im „Metaverse“

Nicht nur die Politik, auch andere Tech-Giganten haben ein gespaltenes Verhältnis zu dem kalifornischen Unternehmen: Mit Apple steht man auf Kriegsfuß, weil der iPhone-Hersteller die Möglichkeiten zum Tracking der Anwender, also dem genauen Nachverfolgen ihres Nutzungsverhalten, stark eingeschränkt hat. Im Gegenzug ist Facebook mit WhatsApp und Instagram dermaßen populär, dass praktisch kein Smartphone ohne Facebook-Produkt auskommt.

Das „Metaverse“ könnte womöglich gleichermaßen Antwort auf Konkurrenz und Regulierungsversuche sein. Bisher ist Facebook mit seinen diversen Plattformen auf Smartphones angewiesen – und damit auf Apple und Google. Jetzt in den Markt dafür einzusteigen wäre wohl ein riskantes oder gar sinnloses Unterfangen: So scheiterte schon vor Jahren der Versuch von Microsoft, auf dem Smartphone-Markt Fuß zu fassen – heutzutage wird das Geschäft praktisch nur noch zwischen dem iOS-Betriebssystem von Apple und Googles Android ausgemacht.

Neuer Name?

Ähnlich wie Google könnte auch Facebook dem Konzern einen neuen Namen geben. Laut unbestätigten Medienberichten sollen Facebook, WhatsApp, Instagram & Co. künftig unter einer Konzernmutter mit neuem Namen agieren. Noch gibt es keine Gerüchte über einen möglichen Namen.

Frühes Investment in Virtual Reality

Stattdessen setzt Facebook auf VR und die damit verbundene erweiterte Realität, Augmented Reality (AR), die Computergrafik und Realität miteinander verschmelzen lässt. Der große Vorteil für Zuckerberg: Die Weichen für diesen Weg hat er schon Jahre zuvor gestellt. 2014 hat Facebook den VR-Marktführer Oculus für zwei Milliarden Dollar gekauft und mit dem Deal durchaus für Stirnrunzeln gesorgt.

Über Jahre waren die Oculus-Headsets ein teures, unhandliches Spielzeug für Technologieliebhaber. Erst durch die Pandemie rückten die Virtual-Reality-Ambitionen von Facebook in den Fokus – die Zeit der Isolation sorgte für einen großen Zuwachs beim Absatz für Oculus-Geräte. Mittlerweile sind die Headsets immer noch klobig, aber kabellos – und sind dabei günstiger als viele Handys und Spielekonsolen. Es ist zu erwarten, dass die Technik weiter schrumpft, um Headsets weniger sperrig zu gestalten.

Es wird vermutet, dass Facebook mit den Verkäufen größere Verluste macht – Konkurrenzprodukte, die allesamt nicht kabellos sind, kosten deutlich mehr. Doch das dürfte das soziale Netzwerk nicht stören, denn das Ziel dürfte in erster Linie die Etablierung von Marktmacht sein: In den USA wird der Name Oculus mittlerweile mit Virtual Reality praktisch gleichgesetzt und langsam auch außerhalb von Spielerkreisen wahrgenommen.

Neue Spielregeln im „Metaverse“

Im „Metaverse“ mischt Facebook nun die Karten neu und kann die Spielregeln großteils selbst wählen. Auf Bestimmungen von Apple und Google ist man nicht mehr angewiesen – stattdessen gilt nunmehr das Facebook-Konto als Eintrittskarte. Und auch, ob es in der virtuellen Realität neue oder zumindest zusätzliche gesetzliche Rahmenbedingungen braucht, wird wohl erst die Zukunft zeigen. Zumindest dem Tracking der Userinnen und User dürfte momentan nichts im Weg stehen, womit das Kerngeschäft von Facebook, nämlich Werbung, gestärkt würde.

Wettbewerbshüter werden diese Entwicklung zweifellos genau beobachten – darauf ist auch Facebook ganz offensichtlich vorbereitet. In Presseaussendungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das „Metaverse“ nicht einer Firma gehört, sondern von vielen verschiedenen Playern aufgebaut wird.

Auch Konkurrenz setzt auf „Metaverse“

Und tatsächlich ist Facebook nicht der einzige Konzern, der kräftig in die Zukunftsvision investiert. Auch Tim Sweeney, Chef von Epic Games, jene Firma, die hinter „Fortnite“ steht und damit große Gewinne einfährt, ist vom „Metaverse“ als Zukunft überzeugt und steckt auch Geld in die Entwicklung eigener Lösungen. Dass virtuelle Orte mehr als nur Computerspiele sein können, zeigte „Fortnite“ in der Vergangenheit etwa mit Livekonzerten von Künstlern wie Ariana Grande. In Interviews erhofft sich Sweeney für seine Vision des „Metaverse“ ein offenes System, das nicht einer einzelnen Firma gehören dürfe.

Tausende Arbeitsplätze in EU als doppelte Ansage

Dazu kam am Montag die Ankündigung von Facebook, dass man 10.000 Arbeitsplätze in der EU schaffen wolle, um das Projekt „Metaverse“ weiterzubringen. Facebook-Manager Nick Clegg, früher Vizepremier Großbritanniens, bezeichnete das als „Vertrauensbeweis“ für die Stärke der europäischen Tech-Industrie.

Auf der einen Seite wird damit wohl versucht, die EU zu besänftigen, die nicht nur mit dem Digital Services Act die Macht von Internetriesen beschneiden will. Auf der anderen Seite wird damit aber auch verdeutlicht, dass es Facebook mit der neuen Ausrichtung ernst sein dürfte.

Der Poker von Facebook mit der Zukunft des Internets

Damit pokert der Konzern von Zuckerberg hoch: Versuche in Richtung Virtual Reality gab es in der IT-Geschichte bereits mehrfach – geblieben ist davon letztendlich nichts. Diesmal ist die Technologie allerdings um einige Schritte weiter – und Facebook mischt ganz vorne mit. Auch weil das Unternehmen eben offenbar mehr als ein Spielzeug darin sieht und mit kräftigen Subventionen preislich die Konkurrenz aussticht. Auch wenn vonseiten des Unternehmens betont wird, dass das „Metaverse“ allen offen steht: Letztendlich könnte es Facebook sein, das den entscheidenden Ton im möglichen „Nachfolger“ des Internets angibt.