Bundesvorsitzender der FDP Christian Lindner.
Reuters/Annegret Hilse
Einstimmig

FDP ebnet Weg für „Ampel“-Gespräche

Als letzte der drei „Ampel“-Parteien hat die FDP der Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Bundesvorstand und Bundestagsfraktion votierten am Montag einstimmig für die Aufnahme der Gespräche zur Bildung einer Regierung mit SPD und Grünen. Die SPD hatte bereits am Freitag grünes Licht für die Verhandlungen gegeben, die Grünen am Sonntag.

Parteichef Christian Lindner machte deutlich, dass das angestrebte „Ampel“-Bündnis keine Wunschkonstellation gewesen sei. Die Gesprächspartner hätten sich vor der Wahl „nicht gesucht, um es diplomatisch auszudrücken“. Es gebe nach wie vor große inhaltliche Unterschiede, bei denen es auch in Zukunft bleiben werde. Diese erfordere von allen viel Toleranz und Bereitschaft zu „neuem Denken“.

Eine „Ampelkoalition“ sei zu ihrem Beginn ein „Zweckbündnis“, so Lindner, dem zufolge es nun an allen Beteiligten liege, „ob daraus mehr werden kann“. Die FDP begebe sich Lindner zufolge auf den Weg, Verantwortung für Deutschland mit zu übernehmen. In jedem Fall müsse Deutschland freier, nachhaltiger, digitaler, moderner und wettbewerbsfähiger werden. Wenn das geschehe, könne die Koalition zum Gewinn für das Land werden. Die Entscheidung bei der FDP sei – nach einer rund zweistündigen Debatte – einstimmig gefallen. „Wir sehen Chancen, wir sehen aber auch Herausforderungen“, sagte Lindner nach Ende der Beratungen.

Auch FDP für „Ampel“-Koalitionsverhandlungen

Die formalen Verhandlungen zur Bildung eines „Ampel“-Bündnisses können starten: Als letzter der drei potenziellen Partner stimmte die FDP am Montag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen.

„Spannende Tage und Wochen“

Lindner hatte am Wochenende nachdrücklich für das „Ampel“-Bündnis geworben und rechnete bereits im Vorfeld fix mit der Zustimmung der zuständigen Parteigremien und in Folge mit einer schnellen Regierungsbildung. „Scheitern ist hier keine Option“, sagte Lindner dazu am Sonntagabend im ZDF. Dennoch stünden nun „spannende Tage und Wochen“ bevor, sagte der FDP-Chef am Montag. Die Koalitionsverhandlungen sollten Lindner zufolge noch in dieser Woche starten – die Details würden die Generalsekretäre von SPD und FDP, Lars Klingbeil und Volker Wissing, und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner absprechen.

Die Sondierungsteams der drei Parteien hatten sich am Freitag auf ein gemeinsames Papier verständigt, das Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein soll. Ziel ist, dass die neue deutsche Regierung vor Weihnachten vereidigt wird. Dabei wird es in den kommenden Wochen nun auch um den Zuschnitt und die Besetzung der einzelnen Ministerien gehen.

Debatte über Quotenregelung

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte im Wahlkampf stets betont, sein Kabinett solle paritätisch, also mit gleich vielen Frauen wie Männern besetzt sein. Davon zeigten sich führende FDP-Politiker wenig begeistert. „Bei der Besetzung von Kabinettsposten sollte immer die Qualifikation und die Fähigkeit, ein Ministerium zu führen, eine Hauptrolle spielen“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Starre Quotenregelungen seien „in der Regel kontraproduktiv“.

FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte: „Wenn man die gesellschaftliche Realität im Kabinett abbilden möchte, macht es natürlich Sinn, Minister und Ministerinnen gleichermaßen im Kabinett zu haben.“ Aber zuallererst müsse die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen.

„Wenig hilfreich“

Vor allem um die Besetzung des Finanzressorts bahnt sich eine Auseinandersetzung zwischen Grünen und FDP an. Lindner wollte sich am Montag nicht zur Frage äußern, wer das Finanzministerium besetzen soll. FDP-Politiker hatten das zuletzt für ihre Partei reklamiert. Bereits vor der Bundestagswahl hatte Lindner selbst Interesse am Amt des Finanzministers geäußert.

Als „Versehen“ bezeichnete Lindner am Montag seine Äußerungen über ein mutmaßlich geplantes Klimaministerium in der neuen Regierung. In der ARD hatte Lindner am Sonntagabend zur künftigen Ressortverteilung gesagt, jeder der drei Partner müsse „wirken“ können. „Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium.“

Mehrere Spitzenpolitiker der „Ampel“-Parteien versuchten, die Personaldebatte auszubremsen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans drang darauf, zuerst über Inhalte zu sprechen. „Wir reden jetzt nicht darüber, was an einzelnen Ministerien wie zugeschnitten wird“, sagte er am Montag im „Frühstart“ von RTL und ntv. „Ich erwarte, dass wir das machen, was wir auch verabredet haben: Nämlich, dass wir zuerst über die Inhalte reden.“

Auch FDP-Generalsekretär Wissing bezeichnete Ressortdiskussionen als verfrüht. „Natürlich müssen am Ende, wenn man Koalitionsverhandlungen abgeschlossen hat, auch Ressortfragen geklärt werden“, sagte er. „Aber die jetzt zu thematisieren, halte ich nicht nur für verfrüht, sondern auch für wenig hilfreich, weil es von den Inhaltsfragen ablenkt.“ Personaldebatten überlagerten „ganz schnell auch die politischen Gespräche“. „Das hilft jetzt niemandem.“

„Das macht man am Ende“

„Ich finde, über Personal muss geredet werden, aber ehrlicherweise: Das macht man am Ende von Verhandlungen“, sagte dazu der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, gegenüber RTL und ntv. Grünen-Kochef Robert Habeck sagte in der ARD, es gehöre „zur Fairness, zum guten Ton und auch zur politischen Klugheit“, jetzt keine Personaldebatten aufzumachen.

Am Freitag hatten die Unterhändler der Parteien ihre Sondierungen beendet und ein Ergebnispapier vorgestellt, das nun auch Grundlage der Koalitionsverhandlungen sein soll. Das zwölfseitige Sondierungspapier hat zum Teil auch von politischen Gegnern Anerkennung erhalten. Doch es gibt auch Kritik: Insbesondere bei den Grünen ist nicht jeder zufrieden mit dem Resultat. So könnten die anstehenden Beratungen über einen Koalitionsvertrag durchaus noch turbulent werden.