Nina Tomaselli
APA/Herbert Pfarrhofer
ÖVP-U-Ausschuss

Grüne gegen Einschränkung

Der parlamentarische U-Ausschuss zu möglicher Korruption in der ÖVP dürfte zumindest in einem wesentlichen Punkt von einer Verzögerung verschont bleiben. So kündigten die Grünen am Montag an, keinen Einspruch gegen den Untersuchungsgegenstand zu erheben, wodurch sich die Opposition einen Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) ersparen würde.

„Wir haben uns den Antrag der Opposition und den Untersuchungsgegenstand genau durchgeschaut und sehen keine Veranlassung, dass der Untersuchungsgegenstand eingeschränkt wird“, wurde die designierte Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli in den „Salzburger Nachrichten“ („SN“) zitiert. Bisher hatten sich die Grünen offiziell noch nicht festlegen wollen, wie sie zu dem Antrag der Opposition stehen.

Um den Untersuchungsgegenstand abzulehnen, bräuchte die ÖVP eine Mehrheit im Nationalrat. Für ein Mitstimmen übrig geblieben wäre in diesem Fall nur der Koalitionspartner, die Grünen – schließlich steht die gesamte Opposition klarerweise hinter dem unterbreiteten Vorschlag für den Untersuchungsgegenstand. Ein solches Mitstimmen scheint mit den Aussagen Tomasellis jetzt aber kein Thema mehr zu sein.

Die Festlegung der Grünen war mit Spannung erwartet worden, hatte die ÖVP zuletzt ja bereits Zweifel am Untersuchungsgegenstand geäußert: Dieser sei nicht klar definiert, also nicht ausreichend auf einen zeitlich und inhaltlich abgegrenzten Vorgang in der Vollziehung beschränkt, wie ÖVP-Mandatar Andreas Hanger monierte – er hatte zuletzt im „Ibiza“-U-Ausschuss den ÖVP-Vorsitz inne.

Zusammenstreichen bei „Ibiza“-U-Ausschuss

Beim „Ibiza“-U-Ausschuss hatten die Grünen gemeinsam mit der ÖVP – mit Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss – den Untersuchungsgegenstand zusammengestrichen. SPÖ und NEOS wandten sich damals an den VfGH und bekamen Recht. Die Verfassungsrichter entschieden im März 2020, dass der von der Opposition in ihrem Minderheitsverlangen dargestellte Gegenstand nicht von der Mehrheit verändert werden darf.

Doch Potenzial für Verzögerungen ortete die Opposition zuletzt dennoch: FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker – zuletzt und wohl auch künftig Fraktionsführer – äußerte im Interview mit dem ORF-Parlamentsmagazin „Hohes Haus“ am Sonntag die Befürchtung, dass die ÖVP über von ihr geführte Ministerien, die Akten liefern sollen, versuchen werde, den Gegenstand zu kippen. Damit würde der Start verzögert, so der Tenor.

Opposition definierte Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand soll laut dem Verlangen „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 (…)“ sein. Der U-Ausschuss soll demzufolge klären, „ob es ausgehend vom ‚Projekt Ballhausplatz‘ durch eine Gruppe von in Organen des Bundes tätigen, der ÖVP zuzuordnenden Personen zu Missbrauch von Organbefugnissen zum Zweck der Förderung der parteipolitischen Interessen der ÖVP gekommen und dadurch staatlichen Interessen möglicherweise ein Schaden entstanden ist“.

In vier Bereiche gegliedert

Inhaltlich soll sich der Ausschuss in vier Bereiche gliedern: Der Teil „Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren“ widmet sich etwa dem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) untersuchten Verdacht, öffentliche Gelder könnten für frisierte Umfragen zugunsten der türkisen ÖVP ausgegeben worden sein. Aber auch die „Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes“, etwa bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, will die Opposition weiter unter die Lupe nehmen – war das doch bereits im abgeschlossenen „Ibiza“-U-Ausschuss Thema.

Ebenfalls ein Wiedersehen könnte es mit einem weiteren Aspekt aus dem „Ibiza“-Ausschuss geben, sollte das gemeinsame Verlangen so angenommen werden: der „Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit“, also dem Konflikt etwa zwischen WKStA und der Oberstaatsanwaltschaft Wien, wozu ebenfalls aktuell ermittelt wird.

Ebenfalls wieder aufgegriffen werden Postenbesetzungen in staatsnahen Organisationen und das damit einhergehende „Maßschneidern von Ausschreibungen“ zugunsten türkiser Parteigänger und Spender an die Partei. Der FPÖ sind auch „Verknüpfungen“ von ÖVP und Wirecard wichtig, nicht zuletzt könnten auch Aspekte des Terroranschlags von Wien vor einem Jahr untersucht werden, sollte es Hinweise auf eine Beeinflussung von Ermittlungen geben.

Streitpunkt Sobotka

Ob Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) auch dieses Mal – wie bereits zuletzt im „Ibiza“-U-Ausschuss den Vorsitz führen wird, bleibt unterdessen weiter unklar. Doch legten sich zu dieser Sache wiederum die Grünen fest: Die grüne Fraktionsführerin Tomaselli würde sich „wünschen, dass Sobotka den Vorsitz übergibt“, wie sie gegenüber der ZIB2 am Sonntag sagte. Man habe „gesehen, dass sein Vorsitz zu sehr viel Streit führt“, so Tomaselli – die Menschen würden sich jetzt aber „Ruhe in der Politik und sachliche Aufklärung“ erwarten.

Der Vorsitz Sobotkas war Auslöser etlicher Geschäftsordnungsdebatten im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss. Die anderen Parteien hatten sich auf den Nationalratspräsidenten eingeschossen, war dieser doch zweimal selbst Auskunftsperson. Auch die Grünen übten im „Ibiza“-Ausschuss teils offen Kritik an Sobotka, die Opposition warf dem Nationalratspräsidenten stets einseitige Vorsitzführung zugunsten seiner Partei vor. Auch diesmal lehnen SPÖ, FPÖ und NEOS Sobotka ab.

Entscheidung zu „gegebener Zeit“

Sobotka selbst bezog zur Vorsitzfrage noch nicht klar Stellung. „Sachlich betrachtet gibt es eine geltende Geschäftsordnung und ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses“, sagte sein Sprecher auf Anfrage der APA. Weiter hieß es: „Der Geschäftsordnungsausschuss wird über die Einsetzung beraten, und der Präsident wird weitere Fragen zu gegebener Zeit entscheiden.“

Bekannte Personen nominiert

Wer von den einzelnen Fraktionen in den Ausschuss entsandt wird, muss naturgemäß noch in den Klubs entschieden werden. Dennoch zeichnet sich ab, dass man dort in Sachen Fraktionsführung personell auf bewährte Personen setzen wird, haben Kai Jan Krainer (SPÖ), Hafenecker (FPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) doch schon den neuen Ausschuss durch ihre Unterschrift beantragt.

Die Grünen Tomaselli und David Stögmüller wurden laut einer Aussendung bereits designiert. „Alles offen“ ist hingegen laut offizieller Auskunft noch bei der ÖVP. Dort war zuletzt Hanger Fraktionsführer – er hatte, nachdem er als einer der Vertreter Sobotkas auch „Ibiza“-Ausschusssitzungen leitete, den Fraktionsvorsitz fliegend von ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl übernommen.