Ein CoV-Patient auf einer Intensivstation in Bukarest
Reuters/Inquam Photos
„Apokalyptisch“

Rumänien in CoV-Notlage

In Rumänien ist die nächste Welle der Coronavirus-Pandemie mit voller Wucht angekommen. Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 539,2 gehört das Land derzeit zu den weltweit am schlimmsten betroffenen. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei den Todeszahlen, denn das Gesundheitswesen ist vollkommen überlastet. Hintergrund sind niedrige Impfraten, auch eine Regierungskrise lähmt die Pandemiebekämpfung.

Mehr als 17.150 Neuinfektionen binnen 24 Stunden hatten die rumänischen Gesundheitsbehörden am Mittwoch vermeldet. 1.799 Coronavirus-Patienten werden landesweit intensivmedizinisch behandelt – zum Teil auf Krankenhausfluren, in Containern, Zelten und Krankenwagen. Denn die notorisch unterfinanzierten Spitäler sind mittlerweile heillos überlastet. Es gibt nur 1.668 Plätze in Intensivstationen. 30 schwer kranke Patienten hat Rumänien bereits ins Nachbarland Ungarn geschickt. Es wird erwartet, dass Rumänien bald auch Österreich um die Aufnahme von Patienten bitten könnte.

Mehrere Ärzte und Ärztinnen sprachen zuletzt von „kriegsähnlichen Zuständen“ in den Krankenhäusern. Dramatisch ist auch die Entwicklung bei den Todesfällen. Allein in den vergangenen 24 Stunden sind in Rumänien mehr Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben als in der gesamten EU im selben Zeitraum: 574. Bisher wurden in Rumänien laut ECDC mehr als 42.600 Todesfälle verzeichnet.

CoV-Patienten auf einer Intensivstation in Bukarest
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Die Spitäler in Rumänien sind heillos überfüllt

Im Bukarester Universitätsklinikum gab es zeitweise sogar im Kühlraum der Leichenhalle keinen Platz mehr. Die Bukarester Ärztin Victoria Arama beschrieb die Situation als „apokalyptisch“. Covid-19-Patienten würden sich auf den Korridoren der Spitäler gegenseitig wegstoßen, um an Sauerstoffgeräte zu kommen, sagte sie laut Medienberichten. Ein Ärztekollegium rief zuletzt in einem „Schrei der Verzweiflung“ um Unterstützung.

Nur rund 35 Prozent vollständig geimpft

Hintergrund der kritischen Lage ist die niedrige Impfquote: Lediglich 34,8 Prozent der Menschen in Rumänien haben den vollen Impfschutz. Schlechte Aufklärung und der schwierige Zugang zu Gesundheitsversorgung am Land gelten als Grund. Aber auch Verschwörungstheoretikern in Medien, impfkritischen Influencern und Prominenten sowie der rumänisch-orthodoxen Kirche werden hoher Einfluss auf die Impfskepsis zugeschrieben.

CoV-Krise in Rumänien

In Rumänien wird das Gesundheitswesen wegen der CoV-Pandemie kaum noch mit der Versorgung der steil wachsenden Zahl von Patienten und Patientinnen fertig.

Laut Beobachtern hält aber auch das weitverbreitete Misstrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen viele vom Impfen ab. Mangelnde Transparenz und Skandale in der bisherigen Pandemiepolitik bewirkten ihr Übriges. Dabei hatte Rumänien zu Beginn der Impfkampagne zu jenen Ländern gezählt, die eher rasch Impfstoff organisieren konnten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sicherte Rumänien indes Hilfen für Krankenhausausstattung sowie Beratung der Kommunikatoren zur Förderung der Impfbereitschaft zu. Italien und die Niederlande wollen medizinische Ausrüstung und Medikamente schicken.

Schärfere Regeln seit 1. Oktober

Die Coronavirus-Regeln waren über den Sommer weitgehend gelockert worden, erst mit 1. Oktober traten wieder schärfere Maßnahmen in Kraft. Seither gelten unter anderem wieder Zutrittsbeschränkungen für Freizeiteinrichtungen.

Allerdings werden die Regeln nur lückenhaft überwacht. Jüngst hielt die bürgerliche Regierungspartei PNL in Anwesenheit des Staatschefs Iohannis einen Parteitag mit 5.000 Delegierten ab. Die Polizei verhängte nachher für PNL ein Bußgeld wegen Verletzung der Abstandsregeln und Maskenpflicht.

Streitende Parteien verhindern Pandemiepolitik

Die Bekämpfung der Pandemie wird auch durch eine laufende politische Krise erschwert. Am Mittwoch scheiterte erneut ein Versuch zur Regierungsbildung. Damit hat das Land wegen streitender Parteien eine nur eingeschränkt handlungsfähige Regierung. Der Vorsitzende der kleinen ökoliberalen Partei USR, Dacian Ciolos, hatte bei einer Abstimmung im Parlament am Mittwoch keine Chance auf eine Mehrheit, weil kein Koalitionspartner zur Verfügung stand.

Nun muss Staatspräsident Klaus Iohannis dem Parlament einen neuen Vorschlag für den Posten des Ministerpräsidenten machen. Sollte auch dieser scheitern, könnte es Neuwahlen geben. Derzeit regiert Premier Florin Citu von der bürgerlichen Partei PNL kommissarisch mit eingeschränkten Befugnissen. Iohannis will nun mit der Regierung verschärfte Vorsichtsmaßnahmen beschließen.