Debatte über Meinungsfreiheit bei Frankfurter Buchmesse

Die Frankfurter Buchmesse hat gestern mit einer Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit begonnen. „Wir bedauern, dass einzelne Autor*innen ihre Auftritte auf der Frankfurter Buchmesse 2021 abgesagt haben“, hieß es am ersten Fachbesuchertag in einer gemeinsamen Erklärung der Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Ihre Stimmen gegen Rassismus und ihr Eintreten für Diversität werden auf der Frankfurter Buchmesse fehlen.“

Jasmina Kuhnke („Schwarzes Herz“) hatte ihren Auftritt auf der Messe wegen der Anwesenheit des Jungeuropa-Verlags kurzfristig abgesagt. Die Buchmesse rechtfertigte die Entscheidung, niemanden auszuschließen: „Meinungs- und Publikationsfreiheit stehen für uns an erster Stelle.“ Alle Verlage, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegten, dürften in Frankfurt ausstellen – „auch wenn wir ihre Ansichten nicht teilen“. Verlage oder ihre Produkte zu verbieten sei in einem Rechtsstaat Aufgabe von Gerichten.

Strubl kritisiert Rechtsprechung bei Missbrauch

Buchpreis-Gewinnerin Antje Ravik Strubel („Blaue Frau“) kritisierte unterdessen die deutsche Rechtsprechung im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Es sei „erschreckend“, wie wenige Fälle überhaupt zur Anzeige kämen, sagte sie. Noch viel seltener würden die Täter verurteilt. Ein Grund dafür sei, „dass den Frauen nicht geglaubt wird“. Anders als etwa in skandinavischen Ländern seien die Frauen zudem gezwungen, den Tätern vor Gericht wiederzubegegnen.

Der Historiker Per Leo („Mit Rechten reden“, „Tränen ohne Trauer“) warnte unterdessen davor, über dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus die Täter zu vernachlässigen. „Wir haben es mit permanenten Versuchen der Selbstentlastung zu tun“, sagte Leo. Er beobachte „eine Verschiebung, die sich – und da wird es problematisch – weg von den historischen Opfern der Schoah hin zum Staat Israel verschiebt. Wir haben da eine Art Entlastungszionismus, der hochproblematisch ist.“