Skyline von Riad, Saudi-Arabien
Getty Images/Eyeem/Ziad Alangri
Vor Klimagipfel

Leak zeigt staatliche Lobbyingversuche

Kurz vor dem Start des Klimagipfels im schottischen Glasgow (COP26) hat die britische BBC eine große Menge an Dokumenten einsehen können, die von Staaten, Unternehmen und anderen Interessengruppen an den UNO-Weltklimarat IPCC gerichtet wurden. Diese zeigen, dass einige Staaten gegen ambitionierte Klimaziele mobilmachen und den Ausstieg aus fossilen Energiequellen vertagen wollen – darunter Saudi-Arabien, Australien und Indien.

Die BBC habe rund 32.000 Dokumente einsehen können, in denen sich verschiedene Akteure an den Weltklimarat wenden. Dieser veröffentlicht in regelmäßigen Abständen einen Bericht, in dem der Forschungsstand zur Klimakrise und Empfehlungen für ein Gegensteuern gesammelt werden. Auf dem Klimagipfel im November wird er eine zentrale Rolle spielen. Die Dokumente waren der Greenpeace-Rechercheplattform Unearthed zugespielt worden, diese hatte sie an die BBC weitergegeben.

Den Dokumenten zufolge befinden sich Saudi-Arabien, Australien und Japan unter den Staaten, die sich bei dem Rat für einen langsameren Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einsetzen. Laut BBC sprach sich etwa der weltgrößte Ölexporteur Saudi-Arabien dafür aus, alle Stellen aus dem Bericht zu streichen, die sich für einen „beschleunigten“ und „dringenden“ Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einsetzen.

Kohlelager bei Mudgee, Australien
Reuters/David Gray
Auch für Kohle brechen mehrere Staaten eine Lanze

Australien – ein wichtiger Exporteur von Kohle – habe indes der Tatsache widersprochen, dass die Schließung von Kohlekraftwerken überhaupt notwendig sei. Zitiert wird zudem ein hochrangiger indischer Wissenschaftler, der im Falle einer Dekarbonisierung vor Energieversorgungsproblemen in seinem Land warnt. Indien hat derzeit weltweit den zweitgrößten Kohleverbrauch nach China. Indien kritisierte darüber hinaus, dass der Entwurf „eine Schlagseite gegen Nuklearenergie“ habe. Auch mehrere osteuropäische Staaten wünschen sich laut BBC eine positivere Einstellung gegenüber Atomkraft vom Weltklimarat.

Appell für Speicherungsverfahren

Saudi-Arabien, Australien, China und Japan sowie die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) sprachen sich laut den Dokumenten zudem für die Erforschung und Nutzung von CCS-Verfahren („Carbon dioxide capture and storage“) aus, bei denen CO2 dauerhaft in unterirdischen Lagerstätten gebunden wird. Auch Norwegen und Argentinien signalisierten Sympathie für diese Speicherungsverfahren.

CCS-Verfahren könnten laut dem Entwurf des Klimaberichts in der Zukunft tatsächlich eine Rolle spielen, allerdings gibt es noch erhebliche Zweifel an der Machbarkeit und der Vereinbarkeit mit dem 1,5- bzw. Zweigradziel. Fachleute warnen zudem vor Risiken, etwa Lecks.

Südamerikanische Staaten für Fleisch

Brasilien und Argentinien – sie gehören zu den weltgrößten Produzenten von Rindfleisch bzw. Futter – machten indes gegen Passagen im Entwurf mobil, in denen eine vorrangig pflanzliche Ernährung als wichtiger Weg zur Reduktion von Treibhausgasen genannt wird. Rund 25 Prozent der weltweiten Emissionen entstehen bei der Produktion von Lebensmitteln, die Hälfte hierbei in der Produktion tierischer Lebensmittel.

Harte Verhandlungen zeichnen sich ab

Diese Lobbyingversuche sind angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse in den genannten Ländern nicht allzu überraschend. Dass Staaten versuchen, ihre Positionen in derartige Dokumente einfließen zu lassen, ist ebenfalls Usus. Die Dokumente illustrieren aber, dass es auf dem Klimagipfel noch zu harten Verhandlungen kommen dürfte und die Abkehr von fossilen Energiequellen auf großen Widerstand treffen wird.

Der Weltklimarat ist um Konsens unter den Staaten bemüht. Er betonte, dass Stellungnahmen von Staaten zentral für die Erstellung ihrer Berichte seien. Verfasserinnen und Verfasser seien nicht verpflichtet, diese in den Bericht einfließen zu lassen, wenn sie dem wissenschaftlichen Kenntnisstand widersprechen. „Unsere Prozesse wurden so entworfen, dass sie Lobbyingversuche abwehren – aus allen Ecken“, so der Weltklimarat zur BBC.

Gipfel wohl ohne China und Indien

Auf der Klimakonferenz COP26 in Glasgow wird vom 31. Oktober bis zum 12. November über die Reduzierung der Treibhausgasemissionen verhandelt. Bereits im Vorfeld stand der Gipfel unter schwierigen Vorzeichen. So war zuletzt die Teilnahme mehrerer Regierungschefs zweifelhaft – darunter auch jene von Xi Jinping (China), Narendra Modi (Indien) und Wladimir Putin (Russland). Die Staaten gehören mittlerweile zu den größten Emittenten, gleichzeitig tragen die USA und die EU historisch gesehen eine viel größere Verantwortung für die Erderwärmung.