Dave Chappelle
Reuters/Yuri Gripas
Comedian Chappelle

Eigene Show bringt Netflix in Bedrängnis

Der Streamingdienst Netflix, seit Jahren Pionier und Vorreiter in der Filmbranche, gerät wegen einer Comedy-Show zunehmend in Bedrängnis: In „The Closer“ scherzte der US-Komiker Dave Chappelle zuletzt über die Diskriminierung der LGBTQ-Gemeinschaft und verglich Transfrauen mit der rassistischen Darstellungsmethode des „Blackfacing“. Auch Netflix-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter legten am Mittwoch die Arbeit nieder. Netflix droht ein Imageschaden.

Hunderte Menschen versammelten sich am Mittwoch in der Nähe des Netflix-Hauptsitzes in Los Angeles, um gegen „The Closer“ und Chappelle zu protestieren. Begleitet wurde der Protest von einer virtuellen Arbeitsniederlegung, bei der teilnehmende Mitarbeiter versprachen, nicht für Netflix arbeiten und sich stattdessen mit Inhalten beschäftigen zu wollen, die die Trans-Community unterstützen. Das berichtete der „Hollywood Reporter“.

Die Äußerungen in „The Closer“ über Transgender waren in den vergangenen Tagen immer kontroverser diskutiert worden. Eine der Organisatorinnen der Kundgebung, Ashlee Marie Preston, betonte, dass Chappelles Witze die transsexuelle Minderheit in den USA tatsächlich gefährdeten.

„Witze kosten Leben“

„Wir sind heute nicht hier, weil wir nicht lachen können. Wir sind hier, weil wir besorgt darüber sind, dass diese Witze Leben kosten. Das ist kein Grund zum Lachen“, sagte Preston bei der Demonstration. Preston beschuldigte außerdem Unternehmen wie Netflix, „diese Spannungen auszunutzen“ und „Algorithmen einzusetzen, um unsere Wahrnehmung von uns selbst und anderen zu manipulieren und zu verzerren“.

Proteste gegen Netflix-Show

Netflix-Mitarbeiter haben in Los Angeles gegen eine Sendung des Streamingdienstes protestiert, die sie als transfeindlich bezeichnen. In der Show von US-Komiker Dave Chappelle scherzt dieser über die Diskriminierung der LGBTQ-Gemeinschaft.

„Ich glaube, dass Trans- und nicht binäre Mitarbeiter nicht sicher sind, solange ihr Arbeitgeber Inhalte veröffentlicht, die ihnen schaden könnten“, stimmte der Netflix-Animationsmitarbeiter Devan McGrath ein, der ebenfalls an dem Protest teilnahm. Die Demonstrantinnen und Demonstranten planen, Netflix-Programmchef Ted Sarandos eine Liste mit Forderungen zu überreichen.

Demonstration gegen Netflix in Los Angeles
AP/Damian Dovarganes
Hunderte Demonstrierende versammelten sich am Mittwoch vor dem Netflix-Sitz in Los Angeles

Vergleich mit „Blackfacing“

Die Kontroverse wurde vor zwei Wochen durch die Veröffentlichung von „The Closer“ ausgelöst. In der Sendung äußerte sich Chappelle spöttisch über Transgender-Personen und erklärte sich darin als Verbündeter von „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling und als Teil des "Teams TERF“. Das Akronym steht für „Trans-ausschließender radikaler Feminismus“ und wird für radikale Feministinnen verwendet, die transgeschlechtliche Personen als solche infrage stellen, weil sie das biologische Geschlecht für unabänderlich halten.

In „The Closer“ sagt Chappelle zudem, dass es eine Schieflage zwischen der Behandlung von Schwarzen und der Behandlung der LGBTQ-Gemeinschaft gebe: Während es für sexuelle Minderheiten binnen weniger Jahre Verbesserungen gegeben habe, hätten diese schwarze Menschen in Jahrzehnten nicht erreicht. Für große Aufregung sorgte zudem, dass Chappelle Trans-Frauen mit der rassistischen Darstellungsmethode des „Blackfacings“ verglich.

Chappelle selbst sagt zu Beginn der neuen Show, er hoffe, die „Befreiung der Debatte“ zu erreichen. Gemeint ist damit eine in den USA intensiv geführte Debatte zur Frage der „Opferkonkurrenz“ von Randgruppen und der gleichwertigen Anerkennung verschiedener diskriminierender Hintergründe.

Demonstration gegen Netflix in Los Angeles
Reuters/Mario Anzuoni
Proteste vor dem Hauptquartier: Netflix wird vorgeworfen, Profit aus der Aufregung zu ziehen

Richtungswechsel von Netflix

„The Closer“ habe Netflix „in schwierige kulturelle Debatten gestürzt und die Art von kritischer Berichterstattung hervorgerufen, die normalerweise Facebook und Google begleitet“, schrieb die „New York Times“ vergangene Woche zur Kontroverse. Für Kritik hatte nicht zuletzt ein öffentlich gewordenes internes Memo gesorgt, in dem Netflix-Programmchef Sarandos erklärt hatte, dass ausgestrahlte Inhalte „nicht direkt zu schädlichen Folgen in der realen Welt“ führen würden und der Grundsatz der freien Meinungsäußerung an erster Stelle stehe.

Am Dienstagabend gab Sarandos in Interviews mit mehreren Hollywood-Fachzeitschriften schließlich zu, dass er sich geirrt hatte. Er hätte, so Sarandos gegenüber dem „Hollywood Reporter“, „anerkennen sollen, dass einige unserer Mitarbeiter verletzt waren und sich durch eine Geschäftsentscheidung, die wir getroffen haben, wirklich verletzt fühlten“. Der Manager bekräftigte jedoch seine Ansicht, dass die Show von Chappelle nicht von der Plattform entfernt werden sollte.

In der Debatte wurden zwischenzeitlich drei Mitarbeiter entlassen, weil sie ein virtuelles Treffen des Vorstands gestört hatten. Unter ihnen ist auch Terra Field, eine Transgender-Mitarbeiterin, die Netflix aufforderte, „The Closer“ eine Warnung voranzustellen und sich zu verpflichten, mehr LGBTQ-Talente zu fördern. Alle drei wurden inzwischen wieder eingestellt. Ein weiterer Mitarbeiter wurde entlassen, weil er vertrauliche Informationen über die Kosten von „The Closer“ weitergegeben hatte.

Netflix als „unmoralischer Algorithmus-Kult“

In der Debatte schlugen sich inzwischen mehrere Künstler auf die Seite der Transgender-Aktivisten. So nannte die lesbische Komikerin Hannah Gadsby, die selbst Sendungen für Netflix macht, den Streamingdienst einen „unmoralischen Algorithmus-Kult“. Jaclyn Moore, eine ausführende Produzentin der Netflix-Show „Dear White People“, kündigte an, dass sie nach Chappelles Special nicht mehr mit Netflix zusammenarbeiten werde, da das Unternehmen weiterhin „unverhohlen und gefährlich transphobe Inhalte herausbringt und davon profitiert“.