Mehrere Busse auf einem Parkplatz
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„Wechsel in Scharen“

Engpass bei Busfahrern in Großbritannien

Weil Großbritannien aufgrund des Ausstiegs aus der EU plötzlich Arbeitskräfte aus dem Ausland gefehlt haben, ist an Tankstellen zuletzt gar der Sprit ausgegangen – Auslöser dafür waren Lieferengpässe wegen zu weniger Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer. Weil sich nun offenbar vermehrt Busfahrer für diese Jobs interessieren, tun sich wiederum in der Busbranche Engpässe auf.

So entscheiden sich gerade etliche britische Busfahrerinnen und -fahrer aufgrund besserer Löhne für einen Wechsel in die Logistikbranche, wie der britische Sender „Sky News“ am Sonntag berichtete. Die Abwanderung gehe auf den eklatanten Mangel an Lastwagenfahrern und -fahrerinnen zurück, der die Löhne in der Branche steigen lasse, sagte Bobby Morton von der Einzelgewerkschaft Unite gegenüber dem Sender.

Busfahrerinnen und -fahrer hätten genauso wie Lkw-Fahrer lange Schichten und nicht genügend Toiletten und Sanitäranlagen zur Verfügung. „Daher denken sich die Leute jetzt, wenn wir weiter unter diesen viktorianischen Verhältnissen arbeiten müssen, dann können wir auch für 20 Pfund die Stunde einen Lastwagen fahren, statt für zehn Pfund die Stunde einen Bus“, sagte der Gewerkschafter.

4.000 Fahrer fehlen

Busfahrer würden daher „gerade in Scharen in die andere Branche wechseln“, so Gewerkschafter Morton. „Der Logistiksektor wirft derzeit buchstäblich mit Geld um sich, um die Engpässe auszugleichen“, wurde der Chef des unter anderen betroffenen Busunternehmens Trentbarton, Jeff Counsell, von „Sky News“ zitiert. Die Logistiker könnten die Kosten an die Konsumenten weitergeben, in der Busbranche sei das nicht möglich, so Counsell.

Infolge dieser Entwicklung fehlen in Großbritannien laut der Confederation of Passenger Transport UK derzeit rund 4.000 Busfahrerinnen und Busfahrer. Auf manchen Strecken würden dadurch bereits Verbindungen ausfallen, hieß es. Das Verkehrsministerium erklärte, man habe bereits die Verfahren für Fahrprüfungen und vorläufige Busführerscheine beschleunigt.

Entspannung weiter nicht in Sicht

Der folgenschwere Mangel an Lastwagenfahrern hat in den vergangenen Wochen in Großbritannien für erhebliche Probleme gesorgt. So saßen etliche Tankstellen auf dem Trockenen, weil der Kraftstoff nicht zu ihnen transportiert werden konnte. Auch Supermarktregale blieben teilweise leer.

Viele Fahrerinnen und Fahrer aus der EU sind während der Pandemie in ihre Heimatländer zurückgekehrt und können nach dem Brexit nicht ohne Weiteres wieder in Großbritannien leben und arbeiten. Die Regierung stellte temporäre Visa zur Abmilderung der Lage aus und ließ das Militär aushelfen. Eine echte Entspannung der Situation ist jedoch nicht in Sicht.

Auch Pflegemangel zusehends verschärft

Doch auch in anderen Branchen wird es infolge des Brexits personell knapp, so hat sich laut einem Bericht des „Observer“ (Sonntag-Ausgabe) auch der Pflegemangel in Großbritannien deutlich verschärft. Vor allem Behinderte, die Hilfe bei alltäglichen Aufgaben brauchen, haben Probleme, entsprechende Pflegekräfte zu finden, wie der „Observer“ berichtete.

„Normalerweise rekrutieren wir mehr als 100 (Pflegekräfte) pro Jahr. Jetzt sind es um die 50“, sagte Peter Henry von der Organisation Origin, die Pflegekräfte vermittelt. Seit Juli habe sich die Situation dramatisch verschärft. Henry führt das auf das Ende der Bewerbungsfrist für das „Settlement Scheme“ zurück. Das Programm soll EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern, die bereits vor dem Brexit im Land gelebt haben, weitgehend die gleichen Rechte gewähren wie zuvor.

Kein personeller Ausgleich durch Briten möglich

Nach dem Brexit können Beschäftigte aus der EU ansonsten nicht mehr ohne Visum in Großbritannien arbeiten. Dieses muss von einem Arbeitgeber befürwortet werden. Viele der Pflegekräfte, die bei Behinderten leben und diese pflegen, kommen den Organisationen zufolge aus dem Ausland. Mittlerweile müsse man regelmäßig Anträge zurückweisen, so Peter Henry.

Auch Katy Etherington, die die Datenbank für persönliche Pflegekräfte (PA Pool) betreibt, berichtete der Zeitung, britische Bewerberinnen und Bewerber könnten die fehlenden kontinentaleuropäischen Kräfte nicht ausgleichen. Die Organisation Disabled People Against Cuts hatte bereits vor Monaten von der Regierung gefordert, flexiblere Einwanderungsregeln für die Branche einzuführen. Die Regierung lehnt das bisher ab.