„Nachdem er sich geweigert hatte, den Putsch zu unterstützen, wurde Premierminister Abdalla Hamdok von einer Armee-Einheit festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht“, erklärte das Ministerium. Die Festnahmen hätten in den Häusern der Regierungsvertreter stattgefunden, hieß es aus Regierungskreisen am Montag. Weitere führende Regierungsmitglieder waren bereits zuvor festgenommen worden.
Das Militär im Sudan verhängte den Ausnahmezustand über das nordostafrikanische Land. General Abdel Fattah al-Burhan kündigte am Montag zudem die Auflösung der Regierung und des Souveränen Rates an. Burhan, der selbst Vorsitzender des Rates war, begründete das Vorgehen damit, dass Frieden und Sicherheit im Sudan gefährdet gewesen seien.
Internet abgeschaltet
Das Militär habe handeln müssen, um die Sicherheit des Landes zu schützen. Das Militär werde den demokratischen Übergang fortsetzen, bis die Macht an eine zivile gewählte Regierung übergeben werde. Er kündigte eine Wahl für Juli 2023 an. Bis dahin solle eine unabhängige Regierung den Sudan führen. Das Informationsministerium, das offenbar noch von Regierungsunterstützern kontrolliert wurde, hatte zuvor von einem umfassenden Militärputsch gesprochen und die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen.
Nach Angaben des Informationsministeriums wurden im ganzen Land die Internetdienste unterbrochen und die wichtigsten Straßen und Brücken, die mit der Hauptstadt Khartum verbunden sind, gesperrt. Nach Angaben der britischen Organisation Netblocks, die weltweit Internetsperren dokumentiert, sind seit Montagfrüh auch das Mobilfunknetz und Teile des Festnetzes gestört.
Zehntausende bei Demos in Khartum
Das Staatsfernsehen begann mit der Ausstrahlung patriotischer Lieder. Der Gewerkschaftsdachverband Association of Professionals rief angesichts eines „Staatsstreichs“ auf, „heftigen Widerstand“ zu leisten. In der Hauptstadt Khartum versammelten sich Demonstrierende und blockierten Straßen. Nach Berichten sollen sie Reifen verbrennen. Nach Angaben von Medizinerinnen und Medizinern gab es auch gewaltsame Auseinandersetzungen.
Sudan: Proteste nach Militärputsch
Im ostafrikanischen Sudan hat es einen erneuten Militärputsch gegeben. Der Ministerpräsident Abdalla Hamdok sei von Angehörigen des Militärs an einen unbekannten Ort verschleppt worden, hieß es in einer Mitteilung auf der offiziellen Facebook-Seite des Informationsministeriums. Tausende Menschen demonstrierten in der Hauptstadt Khartum gegen eine Machtübernahme durch das Militär.
Mindestens zwölf Menschen seien verletzt worden, teilte ein Ärztekomitee auf Facebook mit. Details wurden nicht genannt. Nach Angaben des Informationsministeriums zogen Zehntausende Putschgegner und -gegnerinnen auf die Straßen von Khartum. In der Nähe des Militärhauptsitzes seien sie Schüssen ausgesetzt gewesen. Fernsehbilder zeigten Demonstrierende, die sich ihren Weg über Barrikaden hinweg zum Militärhauptquartier bahnten. Das Militär selbst äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten.
EU und USA beunruhigt
Die Europäische Union forderte die „schnelle Freilassung“ der festgenommenen Regierungsmitglieder. Die EU sei „sehr besorgt“ über die Berichte, sagte eine Sprecherin des europäischen Außen- und Sicherheitsbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. „Gewalt und Blutvergießen müssen vermieden werden“, betonte die Sprecherin. Ein demokratischer Sudan mit einer vollständig legitimen zivilen Regierung bleibe „die beste Garantie für die langfristige Stabilität des Landes und der Region“, sagte die Sprecherin weiter.
Zuvor hatte bereits der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) den mutmaßlichen Staatsstreich in dem nordafrikanischen Land verurteilt. Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: „Ich spreche der sudanesischen Übergangsregierung unsere Unterstützung aus.“ Den Versuch eines Militärputsches verurteile man aufs Schärfste.
Washington zeigte sich alarmiert über die Ereignisse. „Die USA sind zutiefst beunruhigt über Berichte über eine militärische Übernahme der Übergangsregierung“, erklärte der US-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman. „Dies würde gegen die Verfassungserklärung und die demokratischen Bestrebungen des sudanesischen Volkes verstoßen“. Die Verfassungserklärung regelt den Übergang des Landes zu einer Zivilregierung.
Die Übergangsregierung befand sich bereits zuvor in einer Situation, die Hamdok als „schwerste und gefährlichste Krise“ seit dem Sturz des autoritären Langzeitmachthabers Omar al-Baschir im April 2019 bezeichnete. Bereits am Samstag hatten Befürworter einer zivilen Regierung vor einem „schleichenden Staatsstreich“ gewarnt. Hamdok bezeichnete zu dem Zeitpunkt jedoch Berichte, wonach er einer Kabinettsumbildung zugestimmt habe, als „nicht zutreffend“. Er betonte außerdem, dass er nicht das Recht habe, über das Schicksal der Übergangsregierung zu entscheiden.
Wochenlange Proteste
Im Osten des Landes gibt es seit Wochen Proteste. Seit September blockieren Demonstrierende den Warenhandel im Seehafen Port Sudan. Unterstützer und Unterstützerinnen der Regierung beschuldigten Sympathisanten des Ex-Machthabers Baschir, die Proteste in Khartum orchestriert zu haben.
In der vergangenen Woche gingen Zehntausende Menschen in mehreren Städten auf die Straße, um die vollständige Machtübergabe an die Zivilbevölkerung im Sudan zu unterstützen. Andere Demonstrierende forderten bei einer mehrtägigen Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Khartum eine Rückkehr zur „Militärherrschaft“.
Ende September hatte die Regierung in Khartum nach eigenen Angaben einen Putsch von Unterstützern Baschirs vereitelt. Seither hat sich die politische Lage im Sudan weiter zugespitzt. Demonstrierende verlangen den Rückzug des Militärs aus der Regierung und demokratische Reformen.
Übergangsregierung bemühte sich um Gunst des IWF
Der Sudan wurde fast 30 Jahre lang von Baschir regiert. Der Langzeitmachthaber wurde im April 2019 durch monatelange Massenproteste und einen Militärputsch aus dem Amt getrieben. Daraufhin einigten sich das Militär und die zivile Opposition auf eine gemeinsame Übergangsregierung, die den Weg zu Wahlen ebnen soll. Eine hohe Inflation, wirtschaftliche Schwierigkeiten und tiefe politische Spaltungen verschärfen die Lage.
In den vergangenen Monaten hatte die amtierende Übergangsregierung eine Reihe von Wirtschaftsreformen auf den Weg gebracht, um sich für einen Schuldenerlass des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu qualifizieren. Im Zuge der Reformen wurden unter anderem die staatlichen Subventionen für Treibstoff gekürzt. Auch andere Maßnahmen führten zu großen Vertrauensverlusten in die Übergangsregierung.