Eine Frauenhand hält ein Smartphone mit unkenntlich gemachten Bildern
ORF
Belästigung

Die Plage der „Dickpics“

Immer mehr Frauen erhalten ungefragt Penisbilder im Internet. Während in Ländern wie Deutschland oder Finnland bereits Haftstrafen für Täter drohen, haben Versender dieser „Dickpics“ in Österreich meist mit keinen rechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Für Betroffene stellen sie trotzdem eine unterschätzte psychische Belastung dar. Auch ORF1-Moderatorin Fanny Stapf zählt zu den Betroffenen.

Sexuelle Belästigung ist im Internet weit verbreitet. Laut einer Umfrage der Kinderrechtsorganisation Plan International wurden fast 58 Prozent der weltweit befragten Mädchen und jungen Frauen online schon einmal sexuell belästigt. In Deutschland sind es sogar 70 Prozent.

Eine besondere Ausprägung des sexuellen Übergriffs im Netz sind „Dickpics“ – also Fotos von männlichen Geschlechtsteilen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben 46 Prozent der britischen Frauen zwischen 18 und 36 Jahren schon einmal ein „Dickpic“ erhalten. 89 Prozent der Befragten geben an, nicht darum gebeten zu haben.

Unerwünschte „Dickpics“

Unerwünschte „Dickpics“ werden zunehmend zur Plage im Internet: Penisfotos oder -videos, die ungefragt an Frauen und Mädchen verschickt werden.

TV-Hinweis

Ein ausführlicher Beitrag über „Dickpics“ ist am Freitag um 15.46 Uhr in ORF1 in „Fannys Friday“ zu sehen

Exhibitionismus „zum Spaß“

Auch ORF1-Moderatorin Fanny Stapf zählt zu den Betroffenen. Sie hat von einem unbekannten Mann auf Social Media ungefragt Masturbationsvideos zugeschickt bekommen. Für die Sendung „Fannys Friday“ (ORF1) hat sie den Versender vor der Kamera kontaktiert und mit ihren Gefühlen konfrontiert: „Es war eine sexuelle Grenzüberschreitung, die mich sehr getroffen hat, und diese Bilder brennen sich ins Gedächtnis ein“, so Stapf.

Gesellschaftlich werden solche gewaltvollen Handlungen oft tabuisiert oder nicht ernst genommen. Das hat Stapf auch an der Reaktion des Unbekannten zu spüren bekommen. Auf die Frage, warum er das mache, antwortete er: „zum Spaß“. Ihm sei die psychische Tragweite seiner Handlungen nicht bewusst, so Stapf. „Ich habe das Gefühl, er hat nicht verstanden, was er mit den Nacktfotos in mir auslöst. Sonst hätte er nicht leichtfertig zugegeben, dass er schon 20 fremden Frauen solche Bilder geschickt hat.“

Das Geschäft mit den Daten

Der Großteil der Bevölkerung verwendet im Jahr 2021 Smartphones, Laptops oder andere technische Geräte. Im Zuge der Nutzung werden AGB-Einstellungen und Cookies im Internet oftmals leichtfertig akzeptiert und somit Daten transferiert. Wo diese Daten landen und wer sie auswertet, ist vielen jedoch unklar. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie Daten ins World Wide Web gelangen und was dort mit ihnen passiert.

Scham und Ohnmacht

Ähnliches hat auch Clara Ostermeyer erlebt. Die 28-Jährige hat vor einem Jahr ebenfalls von einem ihr nicht bekannten Follower auf Instagram ein „Dickpic“ zugeschickt bekommen. Sie habe sich beschämt und verletzt durch die Bilder gefühlt. Es sei eine männliche Machtdemonstration, und dagegen muss vorgegangen werden, so Ostermeyer: „Man wird gezwungen, diese Bilder anzusehen, obwohl man es gar nicht möchte.“

Die Sozialarbeiterin wollte das Foto zur Anzeige bringen und ging damit zur nächsten Polizeistation. Jedoch ohne Erfolg. Bis heute habe sie keine Anzeigebestätigung bekommen. „Das war das Schlimmste für mich: das Gefühl, dass ich nichts dagegen tun kann und dass der Mann das auch genau weiß.“ Der Versender habe ihr nämlich auch geschrieben, dass sie rechtlich nicht dagegen vorgehen könne.

Kavaliersdelikt in Österreich

In Österreich ist das Versenden von „Dickpics“ nicht gesetzlich geregelt und stellt keine gerichtlich strafbare sexuelle Belästigung dar. In anderen europäischen Ländern wie Deutschland oder Finnland wird hingegen längst radikal gegen unerwünschte Genitalfotos vorgegangen. Auf der deutschen Website Dickstinction.com können Betroffene etwa „Dickpics“ hochladen und in wenigen Minuten direkt zur Anzeige bringen.

Das Versenden von Penisbildern gilt in Deutschland als „unerlaubtes Versenden pornografischer Schriften“ und kann eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe zur Folge haben. Auch in Finnland drohen beim Versenden von „Dickpics“ Haftstrafen. In Österreich kann hingegen nur rechtlich vorgegangen werden, wenn regelmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg Genitalfotos verschickt werden. Dann kann das als beharrliche Verfolgung – also als Stalking – eingestuft werden.

Kein Unrechtsbewusstsein

Die fehlende Gesetzeslage für das Versenden von „Dickpics“ in Österreich, habe weitreichende Konsequenzen für Betroffene, so Romeo Bissuti, Psychotherapeut bei der Männerberatung Wien. „Viele Männer haben dahingehend kein Unrechtsbewusstsein für das Thema und denken, es sei in Ordnung, das zu tun.“ Hinzu komme meist ein toxisches Bild von Männlichkeit sowie die Objektivierung und Pornografisierung von Frauen.

Rechtliche Maßnahmen seien dringend notwendig, um eine gesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema zu fördern. Denn angesichts der rechtlichen Lage in Österreich bleibt betroffenen Frauen wie ORF1-Moderatorin Stapf und Ostermeyer nichts anderes übrig, als die Täter online zu blockieren und darauf zu hoffen, dass sie in Zukunft keine weiteren Bilder mehr erhalten.