Blick aus Abwasserrohr auf Fluss
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Ungeklärt ins Meer

Großbritannien streitet über Abwassergesetz

Abwässer unbehandelt in Flüsse und in das Meer zu leiten ist eigentlich eine Umweltsünde der Vergangenheit. Nicht so in Großbritannien. Dort lehnte es das Parlament zuletzt ab, das zu verbieten, und muss sich dafür scharfe Kritik gefallen lassen. Zahlreiche Gewässer gelten bereits jetzt als kritisch belastet. Das Problem ist zumindest zum Teil ein weiteres aus der Reihe: unerwartete Folgen des Brexits.

Das Abwasserthema war bereits in den letzten Wochen hochgekocht und sorgt in Großbritannien nun – wenige Tage vor Start der Weltklimakonferenz (COP26) im schottischen Glasgow – erneut für heftige Debatten. Am Montag berichtete die „Daily Mail“ von „Wut“ über die Entscheidung und einem regelrechten „Hagel“ von Protestschreiben etwa an Abgeordnete des Parlaments in London.

Anlass dafür ist konkret, dass die britische Regierung es erlaubt hat, dass Kläranlagen nicht vollständig behandelte Abwässer entsorgen dürfen. Es fehlten die für die Klärung notwendigen Chemikalien, heißt es – einmal mehr wegen des eklatanten Mangels an Lkw-Fahrern als Folge des Brexits. Dieser hat bereits mehrere Lieferketten reißen lassen, zuletzt vor allem die für Treibstoff an die Tankstellen des Landes. Der „Independent“ hatte bereits vor mehr als einem Monat über die neue Seite der Versorgungskrise die Abwasserwirtschaft betreffend, berichtet.

Überwältigende Mehrheit gegen Verbot

Laut „Daily Mail“ stimmten nur 22 Parlamentarier bzw. Parlamentarierinnen der konservativen Partei von Premierminister Boris Johnson letzte Woche für eine Änderung des entsprechenden Umweltgesetzes hin zu einer Verpflichtung, keine Abwässer unbehandelt in Gewässer zu pumpen. Johnsons Partei verfügt über 365 Mandate im britischen Unterhaus mit seinen insgesamt 650 Sitzen.

Umweltminister George Eustice habe sich zuvor mit einem Appell an die Abgeordneten, der Gesetzesänderung zuzustimmen, gewendet, berichtete die „Mail“, nur wenige „Tage, bevor Boris Johnson die Staats- und Regierungschefs der Welt zum COP26-Klimagipfel in Glasgow empfängt“. Der UNO-Gipfel zum Thema Klimawandel beginnt am Sonntag und dauert bis 12. November. Das Thema ist auch noch nicht vom Tisch: Das Oberhaus des Parlaments in London wolle eine neue Abstimmung im Unterhaus erzwingen, hieß es.

„Ein chemischer Cocktail“

Laut der britischen Tageszeitung wurde im letzten Jahr in 400.000 Fällen Abwasser („ein chemischer Cocktail“) unbehandelt in Flüsse und das Meer gepumpt. Die „Mail“ veröffentlichte am Montag eine Karte der Umweltschutzorganisation The Rivers Trust, die zeigt, wo – quer durch England und Wales – an Dutzenden Orten Abwasser in Flüsse geleitet wird. Baden sollte man dort eher nicht, hieß es dazu.

Strand bei Bognor Regis, Großbritannien
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An zahlreichen Küstenabschnitten gilt das Wasser als bedenklich verschmutzt

Mehr als die Hälfte der Flüsse in kritischem Zustand

Eine andere von der „Mail“ gezeigte Karte, veröffentlicht von Surfers Against Sewage (SAS), einer 1990 gegründeten Gruppe, die sich für den Schutz der Meere einsetzt, zeigt Warnungen für zahlreiche Orte an der britischen Küste, besonders im Süden des Landes. Für andere sind keine Daten verfügbar, an anderen wird wiederum an der Abwasserentsorgung gearbeitet. Die Umweltschutzorganisation beobachtet laut der Zeitung die Messwerte an 400 Orten.

Laut The Rivers Trust sind in England nur 14 Prozent der Flüsse in einem ökologisch gesunden, 53 Prozent in einem kritischen Zustand. Besonders viel ungeklärtes Wasser gelangt laut britischen Medien aus Rückhaltebecken, wo sich Regenwasser mit Abwässern mischt, in die Flüsse bzw. ins Meer.