Ein Strommast vor einem Umspannwerk
ORF.at/Christian Öser
Pandemie, Blackout und Co.

Regierungspläne für künftige Krisenfälle

Die türkis-grüne Regierung will die Zusammenarbeit und Abläufe im Krisenfall verbessern und bringt deshalb ein Krisensicherheitsgesetz auf den Weg. Geplant sind ein Lagezentrum im Innenministerium, ein Berater der Bundesregierung zur Krisenvorsorge und die Erweiterung der Kompetenzen des Bundesheeres. Damit wolle man Schwachstellen ausbessern, so Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstag.

Die Pandemie und der Terroranschlag in Wien 2020 hätten gezeigt, dass „wir keine Insel der Seligen sind“, so Schallenberg. Man brauche eine raschere Abstimmung und klare Zuständigkeiten. Mit dem Gesetz werde man einen gesamtstaatlichen Rahmen zur effektiven Koordinierung schaffen – „ein großer Schritt, ein großer Meilenstein für die Sicherheit“, führte Schallenberg aus. Das Gesetz stelle Zusammenarbeit und Teamwork in den Vordergrund, denn „unsere nationale Sicherheit kennt keine Parteifarben“. In diesem Sinn werde man in den nächsten Wochen auf alle Parteien im Nationalrat zugehen, um am konkreten Gesetz zu arbeiten.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erinnerte beim gemeinsam mit Schallenberg bestrittenen Pressefoyer daran, dass das Land schon viele Krisen gemeistert habe. Auch in der Pandemie, die „beileibe noch nicht vorbei“ sei, brauche man Zusammenhalt. Erschöpfungsmomente, Wut und Resignation seien verständlich, aber „schlechte Ratgeber“.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP)
APA/Florian Wieser
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) präsentierten die Eckpunkte des geplanten Gesetzes

Neue Zentrale für Krisenmanagement

Die Eckpunkte des Krisensicherheitsgesetzes wurden anlässlich des Sonderministerrats am Nationalfeiertag in einem Ministerratsvortrag präsentiert. Wie bereits im Regierungsprogramm vorgesehen, soll eine neue Zentrale für das Krisenmanagement errichtet werden: Im vierten Untergeschoß des Innenministeriums wird ein ressortübergreifendes Bundeslagezentrum gebaut. Die Planungen sind demnächst abgeschlossen, dann startet die Ausschreibung.

Auf mehr als zweitausend Quadratmetern sollen so bis zu drei Krisen gleichzeitig bewältigt werden können. Das Bundeslagezentrum soll ständig im Standby-Betrieb sein, laufend sollen Lagebilder über die aktuelle Situation etwa in den Bereichen Energie, Sicherheit und Gesundheit erstellt werden.

Sonderministerrat am Nationalfeiertag

Am Nationalfeiertag stand eine Sonderministerratssitzung der Regierung auf dem Programm. Die erste gemeinsame Pressekonferenz von Kanzler Alexande Schallenberg (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gab es im Anschluss an den Ministerrat.

Rolle von Bundesheer wird genauer definiert

Eine stärkere gesetzlich definierte Rolle im Krisenfall soll das Bundesheer bekommen: So soll die Möglichkeit zur Sicherung der Versorgung mit systemrelevanten Gütern, insbesondere mit medizinischen und medizintechnischen Gütern, durch das Bundesheer geschaffen werden.

Darüber hinaus sollen dem Bundesheer künftig im Krisenfall Maßnahmen zur Krisenvorsorge und -bewältigung übertragen werden können, also etwa der Schutz kritischer Infrastruktur oder die Unterstützung der Einsatzfähigkeit der Sicherheitsbehörden durch die Bereitstellung autarker und resilienter Kasernen.

„Mit diesem Gesetz werden nun Möglichkeiten geschaffen, durch die unser Heer noch schneller und noch besser helfen kann“, sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach in einer Aussendung von Spielregeln für den Krisenfall – ob Pandemie, Blackout oder hybride Bedrohungsszenarien.

Schallenberg: „Paradigmenwechsel“

„Mit dem Krisensicherheitsgesetz schaffen wir einen Paradigmenwechsel in Richtung einer effektiveren Koordinierung aller Bereiche der nationalen Sicherheit und der Krisenvorsorge“, so Bundeskanzler Schallenberg überdies in einer Aussendung. Kogler erklärte in einer Aussendung, es gehe um einen umfassenden rechtlichen Rahmen, der die Koordination der Regierung, der zuständigen Institutionen, der Einsatzorganisationen und von NGOs verbessere. „In Zukunft wird die Krisenstrategie auf Regierungsebene angesiedelt sein und der Nationalrat wird stärker eingebunden“, versicherte er.

„Krisen können sehr plötzlich auftreten und eines, das uns die letzten Monate der Corona-Krise gezeigt hat, ist, dass wir Verbesserungsbedarf beim Krisenmanagement haben. Der heutige Beschluss des Ministerrates ebnet den Weg für ein neues Bundes-Krisensicherheitsgesetz. Wir Grüne werden in den nächsten Tagen auf alle Parteien der Opposition zugehen, um eine breite Mehrheit dafür im Parlament zu finden“, so David Stögmüller, Sprecher für Katastrophenschutz und Landesverteidigung der Grünen, am Dienstag.

Eine Person in Schutzanzug und Bundesheersoldaten in einer Covid-Teststraße
APA/Georg Hochmuth
Die Pläne sollen die Regierung besser für künftige Krisen wappnen

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßte das geplante Gesetz am Nationalfeiertag. Das Bundesheer sei ein elementarer Faktor, um bei künftigen Krisen wie Blackouts und Naturkatastrophen entschlossen agieren zu können – es müssten daher immer ausreichende Ressourcen gewährleistet sein, mahnte er.

SPÖ: „Sicherheit ist Chefsache“

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer begrüßt die Pläne grundsätzlich. Die Regierung habe sich an eine moderne sozialdemokratische Sicherheitsarchitektur angenähert. Der SPÖ-Wehrsprecher plädiert in einer Aussendung aber weiter dafür, dass das Zentrum im Bundeskanzleramt angesiedelt sein soll und nicht wie von der Regierung vorgesehen im Innenministerium. „Sicherheit ist Chefsache und daher nicht im Bundesministerium für Inneres anzusiedeln“, so Laimer. Er vermisse zudem Konkretes auf Regionalebene: „In den Gemeinden braucht es kommunale Resilienzmanager, die Verantwortungsträger vor Ort unterstützen.“

Vorhaben für FPÖ „überfällig“

Eine „klare gesetzliche Definition“ einer Krise sowie ein gesamtstaatliches Lagezentrum seien „überfällig“, teilten der freiheitliche Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sowie FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch in einer gemeinsamen Aussendung mit. „Wir nehmen die Einladung zur Mitgestaltung gerne an und werden uns mit entsprechenden Vorschlägen einbringen“, kündigten die beiden Abgeordneten an.

Amesbauer betonte, dass vom damaligen Innenminister Herbert Kickl bereits wertvolle Vorarbeit geleistet wurde, indem dieser mit einer ressortübergreifenden Blackout-Übung das Bewusstsein für die drohende Gefahr geschaffen habe. „Nehammer hat seither leider nichts zustande gebracht und sich aus diesem Bereich völlig zurückgezogen. Umso wichtiger ist es, dass ihm der Bundeskanzler das Heft aus der Hand nimmt und nun aktiv wird“, sagte Amesbauer.

NEOS noch zurückhaltend

Noch keine inhaltliche Bewertung vornehmen wollte NEOS-Klubvize Gerald Loacker. Es stehe aber fest, dass es mit neuen Räumlichkeiten alleine nicht getan sei: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Entscheidungen im Krisenfall automatisch besser und transparenter würden, wenn sich die Entscheidungsträger einbunkern.“