Sonne hinter einem Windrad
ORF.at/Christian Öser
Stromerzeugung iN EU

Erneuerbare Energien überholen fossile

In der EU wurde im vergangenen Jahr erstmals mehr Strom mit erneuerbaren Energien erzeugt als mit fossilen Brennstoffen wie Kohle und Gas. Auch die Treibhausgasemissionen konnten gedrückt werden – das ist laut einem Bericht der EU-Kommission vom Dienstag vor allem auf die Pandemie zurückzuführen. Beim Treffen der EU-Energieministerinnen und -minister wurden erneuerbare Energien als Antwort auf den steigenden Gaspreis genannt.

Nach dem von der EU-Kommission veröffentlichten Bericht lag der Anteil von Windkraft und Co. an der Stromerzeugung 2020 bei 38 Prozent. Fossile Energieträger kamen hingegen nur noch auf 37 Prozent, Atomkraftwerke auf 25 Prozent.

Die Treibhausgasemissionen konnten dem Bericht zufolge um rund 31 Prozent unter den Wert von 1990 gedrückt werden. Einen signifikanten Einfluss darauf hatte allerdings auch die Pandemie, die die Wirtschaftsaktivität und damit auch den Stromverbrauch einbrechen ließ.

Hohe Abhängigkeit von Energieexporten

„Obwohl es eine Reihe ermutigender Trends gibt, werden größere Anstrengungen erforderlich sein, um das Ziel zu erreichen, die Nettoemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen“, so die EU-Kommission zu den Zahlen. So haben beispielsweise noch immer fünf EU-Staaten kein konkretes Datum für den Ausstieg aus der besonders klimaschädlichen Kohleverstromung festgelegt.

Das Wasserkraftwerk Traunfall
ORF.at/Roland Winkler
Erneuerbare Energien haben in der EU erstmals fossile Brennstoffe überholt

Hoch blieb auch die Abhängigkeit von Energieexporten aus Drittstaaten. So erreichte der Anteil der Einfuhren 2019 netto 60,6 Prozent. Das sei der höchste Wert in den vergangenen 30 Jahren, heißt es in dem Bericht.

Erneuerbare Energien, um unabhängiger zu werden

Erneuerbare Energien waren auch Thema des Treffens der EU-Energieministerinnen und -minister in Luxemburg – Anlass für das Sondertreffen waren die drastisch gestiegenen Energiepreise. Für EU-Energiekommissarin Kadri Simson sei vor allem die gestiegene Gasnachfrage Ursache für die Preisentwicklung. Eine Schlüsselbotschaft sei, dass ein Ausbau erneuerbarer Energien notwendig sei, um hier unabhängiger zu werden, sagte unterdessen Sloweniens Infrastrukturminister Jernej Vrtovec.

Doch auch Atomenergie sei bei vielen Mitgliedsstaaten ein Weg. Bei dem Treffen in Luxemburg war die Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomieverordnung der EU einmal mehr Thema. Die EU-Energiekommissarin hielt dazu fest, dass „Atomkraft eine CO2-arme Energiequelle ist, obgleich es unterschiedliche Meinungen zu den ökologischen Auswirkungen gibt“.

Die Kommission wurde aufgefordert, bei der Beurteilung die Expertenmeinung einzubeziehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe bereits für einen Energiemix der Zukunft aus sauberer und erneuerbarer Energie plädiert, so Simson. Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte schon in der Vergangenheit angekündigt, die EU-Kommission notfalls klagen zu wollen, wenn sie Atomkraft als grün und nachhaltig einstufen sollte.

Karas: Preise steigen in „wirtschaftlich kritischem Moment“

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), ortete die steigenden Energiepreise in einem „wirtschaftlich kritischen Moment des Aufschwungs“ und appellierte in diesem Kontext zur Nutzung der „Toolbox“. Diese wurde zuletzt von der Kommission vorgestellt und ermögliche kurzfristige Maßnahmen zum Schutz der am stärksten gefährdeten Gruppen.

Solarpark bei Centuripe, Italien
Reuters
Auch im Hinblick auf die steigenden Gaspreise könnten erneuerbare Energien eine gewichtige Rolle spielen

„Langfristig muss mehr Kraft in die Energieunabhängigkeit Europas fließen. Dafür braucht es einen beschleunigten Ausbau europäischer Energiequellen, Energiespeicher und Energie-Infrastruktur – inklusive Wasserstoff“, so Karas. „Die hohen Preise für Gas und in weiterer Folge auch Strom bestätigen den Kurs der Europäischen Union in Richtung Klimaneutralität“, sagte unterdessen NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon. Mit dem raschen Ausbau von erneuerbarer Energie würde man sich von starken Preisschwankungen fossiler Rohstoffe unabhängiger machen und zugleich die geopolitische Position stärken.

Keine Einigung bei Reform von Großhandelsmarkt

Keine Ergebnisse gab es unterdessen zu den Vorschlägen von Staaten wie Frankreich und Spanien etwa für Maßnahmen auf EU-Ebene oder zu einer Reform des Großhandelsmarkts für Strom. Österreich, Deutschland und sieben andere Länder sprachen sich schon am Montag gegen Reformen der Energiemärkte aus. Was Vorwürfe des unlauteren Wettbewerbs auf dem Gasmarkt betreffe, etwa durch Russland, sagte Simson, dass hier noch Daten zu sammeln seien. Und was den Vorschlag freiwilliger, gemeinsamer Einkäufe von Gas auf EU-Ebene betreffe, da gelte es noch einige Fragen zu klären.

UNO: Klimaanstrengungen reichen nicht

Am Sonntag beginnt unterdessen die 26. Weltklimakonferenz (COP26), auch hier werden erneuerbare Energien wohl eine gewichtige Rolle spielen. Im Vorfeld warnte das UNO-Umweltprogramm UNEP, dass die derzeit gesetzten Schritte nicht ausreichen werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Die Weltgemeinschaft muss laut einem UNEP-Bericht ihre Klimaschutzbemühungen sogar versiebenfachen. Mit den derzeitigen nationalen Klimaschutzplänen lasse sich der Treibhausgasausstoß bis 2030 nur um 7,5 Prozent reduzieren, heißt es in dem Bericht. Um die Erderwärmung wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, sei jedoch eine Verringerung um 55 Prozent notwendig.

Selbst für das Zwei-Grad-Ziel wäre eine Reduktion um 30 Prozent erforderlich. „Um eine Chance zu haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, haben wir acht Jahre Zeit, um die Treibhausgasemissionen fast zu halbieren“, sagte UNEP-Exekutivdirektorin Inger Andersen.