US Soldaten bei einer Übung in Ras Al Ghar
Reuters/Hamad i Mohammed
Einsatzbereitschaft

Interner Bericht attestiert US-Armee Probleme

Immer und überall einsatzbereit: Diesen Anspruch erhebt die Führung der US-Armee für ihre Truppe. Etwas weiter unten allerdings, in den kämpfenden Verbänden, teilen nicht alle diese Einschätzung, wie ein interner Bericht nahelegt, über den kürzlich „Foreign Policy“ berichtete. Und auch wenn sie gerne dafür verantwortlich gemacht wird – nicht an allen Problemen ist die Coronavirus-Pandemie schuld.

Das „uralte Sprichwort“, die US-Armee sei „ready to ‚fight tonight‘“, quasi noch am selben Tag bereit für den Kampf, stimme so nicht mehr, hieß es in einer Analyse des US-Außenpolitikmagazins. Grundlage der von „Foreign Policy“ artikulierten Zweifel ist unter anderem ein internes Papier, basierend auf einer Umfrage unter mehreren tausend Soldaten und Soldatinnen der US-Armee unterschiedlicher Ränge, durchgeführt von den Streitkräften selbst im Juli und August 2020.

Laut dieser Umfrage hätten 14 Prozent der Befragten angegeben, jederzeit an einen beliebigen Ort verlegt werden, dort kämpfen – und siegen – zu können. 13 Prozent hätten gesagt, sie brauchten mehr Zeit, drei Prozent hätten gemeint, eine Woche, weitere vier einen ganzen Monat. Ein großer Prozentsatz seien zivile Beschäftigte der Armee gewesen und hätten deshalb keine Einschätzung abgegeben. Soweit so unspektakulär.

Zweifel in der kämpfenden Truppe

Weitaus bemerkenswerter seien die Zahlen, wenn man sie auf die Ränge der Befragten herunterbreche, analysierte das US-Magazin. Unter den – wenigen – Generälen, die eine Einschätzung abgegeben hatten, seien 40 Prozent optimistisch gewesen.

US-Soldaten in Afghanistan
Reuters
Zugs- und Gruppenkommandanten teilen die optimistische Sicht der Armeespitze nur sehr bedingt

Allerdings sei der Prozentsatz unter jenen „hoch spezialisierten“ Kräften im Unteroffiziers- bzw. Offiziersdienstgrad die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan und auf anderen US-Kriegsschauplätzen gedient hätten, unter 20 Prozent gelegen. Das bedeutet: Die hohen Ränge schätzen die Schlagkraft der Truppe weitaus besser ein als die direkten Kommandierenden der kämpfenden Verbände mit Fronterfahrung.

Mängel in der Ausbildung

Wenn die USA aktuell in einen Krieg verwickelt würden, wären sie „in einer schwierigen Lage“, zitierte das US-Magazin den pensionierten Generalleutnant Thomas Spoehr, heute im Vorstand der konservativen Heritage Foundation. Einige der kämpfenden Einheiten seien sehr gut ausgebildet, aber es gebe auch eine „ordentliche Zahl, die es nicht sind“, sagte er.

Die Umfrage war laut „Foreign Policy“ Teil des „Army Covid-19 Campaign Plan“, der sich mit der Situation der Streitkräfte in der Pandemie auseinandersetzte. Darin fand sich übrigens auch Kritik an der Informationspolitik der Armeeführung diese betreffend. Das US-Magazin berichtete auch darüber.

„Kämpfen und gewinnen“ – jederzeit?

Zweifel an der permanenten und sofortigen Einsatzbereitschaft der Streitkräfte weist deren Führung zurück. Die hochrangigen Kommandierenden seien zuversichtlich, dass die Truppe „kämpfen und gewinnen“ könne, und zwar jederzeit, zitierte „Foreign Policy“ Armeesprecher Terence Kelley.

Der Oberstleutnant habe betont, dass die Umfrage Mitte des Vorjahres – also auf einem Höhepunkt der Pandemie – durchgeführt wurde. Inzwischen habe die Armee wieder die gewohnte Ausbildung aufgenommen, Übungseinrichtungen seien in Vollbetrieb, mehr als 90 Prozent der Aktiven im Dienst gegen das Coronavirus geimpft. Das, so der implizite Schluss, sollte die Stimmung wieder heben.

Einsatzbereitschaft unter Soll

Experten wie der pensionierte Kommandierende Spoehr sähen aber auch andere Probleme, etwa in der finanziellen Ausstattung der Armee, die sich auf Ausrüstung, Ausbildung und folglich Moral schlugen. In einem letzte Woche veröffentlichten Bericht seiner Heritage Foundation, einer politisch sehr einflussreichen Denkfabrik mit Sitz in Washington, habe es geheißen, dass aktuell 58 Prozent der Kampfbrigaden (Brigade Combat Teams, BCT), bestehend aus Infanterie, Panzertruppe, Artillerie und anderen Verbänden, mehr oder weniger sofort einsatzbereit wären. Der Wert liege um acht Prozent unter dem Plansoll und um 16 Prozent unter dem des Vorjahres.

Die Pandemie allein als Erklärung für die Probleme ließ „Foreign Policy“ nicht gelten. Verantwortlich sei etwa auch, dass in der Ausbildung gespart werde, Soldatinnen und Soldaten mittlerweile nicht mehr unter ähnlich realistischen Bedingungen üben könnten wie noch vor wenigen Jahren.

Außerdem würden Budgets hin zur Entwicklung futuristischer Waffensysteme für einen möglichen zukünftigen Konflikt mit Russland oder China umgeschichtet. Hier seien Armeeführung und kämpfende Truppe nicht einer Meinung. Strategische Planspiele, etwa für einen militärischen Konflikt der USA mit China um Taiwan, haben derzeit Hochkonjunktur.

Schiffs- und Flugzeugflotte haben Probleme

Marine (Navy) und Luftwaffe (Air Force) hätten Probleme, neue Rekrutinnen und Rekruten entsprechend auszubilden und Schiffe und Flugzeuge technisch in Schuss zu halten. Als Beispiel nannte „Foreign Policy“ die Ergebnisse der Untersuchungen nach dem Brand auf dem Kriegsschiff „USS Bonhomme Richard“ letztes Jahr.

Jet startet von der USS Ronald Reagan
AP/Bullit Marquez
Selbst die US-Flugzeugflotte kämpft mit Problemen in der permanenten Verfügbarkeit und ihren Einsatzzielen

Diese hätten ergeben, dass die Mannschaften an Bord des mittlerweile ausgemusterten Schiffs „keine Ahnung“ gehabt hätten, wie sie das Feuer bekämpfen sollen. Sie hätten nie gemeinsam geübt gehabt, die Verantwortlichkeiten seien unklar gewesen.

Außerdem habe der US-Rechnungshof, das Government Accountability Office (GAO), im November des Vorjahres berichtet, dass nur drei von 46 Typen von Flugzeugen der US-Luftstreitkräfte ihre „mission capable rates“, Einsatzziele, zur Gänze erreichten. Dabei geht es um die Frage, inwieweit die Maschinen in der Lage sind, ihr ganzes Spektrum von Aufgaben auszuführen.

Abgestellt für Kampf gegen „Feind“ CoV

Ohne Folgen war aber auch die Pandemie nicht. Einheiten seien dazu abgestellt worden, medizinische Unterstützungsdienste zu leisten, darunter hätten Ausbildung und Training gelitten, heißt es. Der „Feind“ sei plötzlich das Coronavirus gewesen, Armeeverantwortliche hätten die Einsatzbereitschaft ihrer Einheiten zum Teil dessen Bekämpfung geopfert. Der CoV-Ausbruch auf dem Flugzeugträger „USS Theodore Roosevelt“ habe gezeigt, mit welchen Herausforderungen die US-Streitkräfte während der Pandemie zu kämpfen hatten.