Im Bau befindliche Wohnhäuser in der Wiener Eichenstraße
ORF.at/Michael Baldauf
Wohnen als Luxus

Politik nimmt Leerstand ins Visier

Obwohl das Angebot an neuen Wohnungen die Nachfrage übersteigt, gehen sowohl die Mieten als auch die Preise für Eigentum in Österreich nach oben. Mit Änderungen bei der Maklerprovision will die Regierung Mieterinnen und Mietern unter die Arme greifen. Ins Visier genommen wird auch das Problem des Leerstands – Salzburg will schon bis Jahresende eine umstrittene Abgabe für nicht genutzten Wohnraum auf den Weg bringen.

„In der Stadt Salzburg wissen wir, dass 25 Prozent der Einwohner sich eine Wohnung nur mehr leisten können, wenn’s im geförderten Sektor ist. Und der Großteil davon auch mit Wohnbeihilfe“, sagt Dagmar Steiner, Leiterin des Wohnservice Salzburg, gegenüber dem ORF-Report. Das Wohnservice ist Anlaufstelle für Salzburgerinnen und Salzburger, die eine geförderte Wohnung suchen.

Insgesamt hat die Behörde Zugriff auf einen Pool von 10.000 geförderten Wohnungen, die nach strengen Kriterien vergeben werden. Demgegenüber steht ein Sockel von etwa 2.000 Anträgen Wohnungssuchender, die in Bearbeitung sind, so Steiner. Jeden Monat kämen 200 neue Anträge hinzu.

Salzburg bei Bruttomieten an der Spitze

Besonders gefragt sind größere Objekte mit mehreren Zimmern. Mitunter dauert es Monate, bis eine passende Wohnung frei wird – oder noch länger, wie Gospa Radimirovic aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Seit sechs Jahren sind die Salzburgerin und ihre Familie auf der Suche nach einer erschwinglichen Wohnung. Derzeit leben die Radimirovics zu sechst auf 45 Quadratmetern, pro Monat fallen 800 Euro Miete an. Das Budget der Familie ist begrenzt. Für eine größere Wohnung wären es wohl 1.200 bis 1.300 Euro Miete, schätzt Radimirovic, „das ist viel zu viel“.

Erschwingliches Wohnen

Seit 2005 hat sich der durchschnittliche Quadratmeterpreis österreichweit um 57 Prozent erhöht, unbefristete Verträge sind inzwischen die Ausnahme, und dadurch fallen auch regelmäßig Maklergebühren an. Damit wird erschwingliches Wohnen zunehmend zur Mangelware.

Mit einer durchschnittlichen Miete von 9,90 Euro pro Quadratmeter (inklusive Betriebskosten) ist Salzburg nach wie vor das teuerste Bundesland zum Leben. Die Preise steigen allerdings in ganz Österreich. 2005 kostete eine durchschnittliche Mietwohnung pro Quadratmeter 5,30 Euro, 2020 waren es 8,30 Euro. Das entspricht einer Steigerung von fast 57 Prozent. Geförderte Mietwohnungen sind hier schon einberechnet.

Besonders hoch ist die Bautätigkeit bei den freifinanzierten Projekten. Gänzlich geförderte Wohnprojekte bilden dagegen die Ausnahme. Ein solches entsteht im Moment in Wien-Meidling. Im „Quartier Wolfganggasse“ werden insgesamt 850 geförderte Wohnungen für etwa 2.000 Menschen errichtet, ebenso wie ein Pflegewohnheim, eine Pflegeschule sowie ein Lehrlingswohnhaus. Kostenpunkt: 179 Millionen Euro.

„Betonierte Sparbücher“

Der florierende freie Markt führe in Wien zu einer „eigenartigen Situation“, sagt Thomas Ritt von der Arbeiterkammer (AK) gegenüber dem ORF-Report. „Letztes Jahr wurde dreimal so viel gebaut, als eigentlich gebraucht wird. Und theoretisch: Mehr Angebot würde fallende Preise heißen“, so Ritt.

Das Gegenteil sei der Fall: Die Preise „steigen ins Uferlose“, so Ritt. Das habe „viel damit zu tun, dass wahnsinnig viel Geld unterwegs ist. Wir haben eine Nullzinsphase. Es werden wahnsinnig viele Wohnungen als betonierte Sparbücher gekauft und eigentlich nicht zum Wohnen.“ Eine 32-Quadratmeter-Wohnung um 900 Euro ist auf vielen Immobilienportalen im Internet keine Seltenheit.

„Bestellerprinzip“ soll Mietern helfen

Die türkis-grüne Regierung will Mieterinnen und Mietern unter die Arme greifen. Um Wohnen erschwinglicher zu machen, soll laut Regierungsprogramm das „Bestellerprinzip“ eingeführt werden. Damit würden die Maklerkosten vom „Besteller“ des Maklers oder der Maklerin bezahlt werden – in der Regel sind das die Vermietenden.

Im Bau befindliche Wohnhäuser in der Wiener Eichenstraße
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Geförderter Wohnbau in Wien-Meidling: Projekte wie dieses sind die Ausnahme

Laut Justizministerium laufen die entsprechenden Verhandlungen bereits. Die AK begrüßt das: „Ich glaube, wenn wir das ‚Bestellerprinzip‘ haben, ist das dann Sache des Bestellers und des Maklers. Die können sich das ausmachen“, so AK-Fachmann Ritt. Derzeit werde ein Vertrag zulasten Dritter, meist der Mietenden, geschlossen.

Makler: Höhere Mieten möglich

Der Wohnungsmakler Christian Rinder beurteilt die Regierungspläne dagegen kritisch. Vieles, was Maklerinnen und Makler leisten, werde nicht gesehen, etwa die rechtliche Prüfung, ob jemand, der eine Wohnung vermieten will, auch dazu befugt sei. In Deutschland gibt es das „Bestellerprinzip“ schon seit 2015, dort werden seither mehr Wohnungen ohne Maklerinnen und Makler vermietet.

Um seinen Berufsstand und die Immobranche an sich mache er sich weniger Sorgen, sagte Rinder. „Wir werden natürlich einen Weg finden, das anders zu lösen.“ Wenn er als Dienstleister allerdings kein Geld bekomme von einem Mietinteressenten, „bin ich vielleicht auch nicht geneigt, ihn in irgendeiner Form zu servicieren“, so Rinder. Aus seiner Sicht macht es einen Unterschied, ob er sein Geld vom Mieter oder dem Vermieter erhalte: „Bis jetzt bin ich Doppelmakler und für beide Seiten zu gleichen Anteilen tätig. In Zukunft bin ich nur noch für den Vermieter tätig, weil der bezahlt mich.“

Rinder rechnet auch mit höheren Mieten, da sich die Vermietenden so die Provisionskosten zurückholen könnten. Diese Sorgen teilt AK-Experte Ritt nicht: „Es wird die Miete jetzt schon ausgereizt, nämlich was am Markt möglich ist. Und da kann man nichts mehr drauflegen – weil sonst würde es schon draufgelegt werden.“

Salzburg: Leerstand im Fokus

Auf Länderebene rückt unterdessen das Thema Leerstand in den Fokus der Politik. Leerstehende Wohnungen tragen laut Fachleuten zu den Preissteigerungen bei. Eine bundesweite Erhebung, wie viel Wohnraum ungenutzt ist, fehlt. In der Stadt Salzburg wurde die bisher aktuellste Untersuchung 2015 durchgeführt. Die Wohnbauforscherin Inge Strassl vom Salzburger Institut für Raumordnung (SIR) ermittelte über den Stromverbrauch Leerstandszonen im Stadtgebiet. Daraus ergab sich, dass in der Stadt etwa 5.000 Wohnobjekte nicht genutzt werden, 3.500 davon wären noch als Wohnraum nutzbar.

Das Land Salzburg möchte gegensteuern. Noch heuer soll eine Leerstandsabgabe beschlossen werden. Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung sollen künftig 1.000 Euro pro Jahr anfallen. Eine „eher symbolische Sache“, sagte Strassl. Der Wertgewinn einer Wohnung sei im Moment sicherlich wesentlich höher, so Strassl, eine jährliche Abgabe von 1.000 Euro hätte „keinerlei Lenkungseffekt“.

Kritisch wird die Leerstandsabgabe auch vom Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB) bewertet. Der Verband kritisiert, dass die Leerstandsabgabe keinen Respekt vor Eigentum zeige. Der Rechtsanwalt Josef Wolff, Mitglied des Salzburger ÖHGB-Vorstandes, sieht den „Eigentumsbegriff“ durch die Abgabe „ein bisschen unter Beschuss genommen“. Zudem ortet Wolff rechtliche Probleme, „weil der Eigentümer nicht mehr so frei ist, wie er eigentlich nach dem Gesetz sein dürfte“. Wolff verwies auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), der 1985 eine ähnliche Regelung in Wien aufhob.

Andere Länder wollen nachziehen

Andere Bundesländer blicken gespannt auf Salzburg. Tirol will den Leerstand im Bundesland ebenfalls erheben lassen, zudem plant die Landesregierung die Einführung einer Abgabe. Und auch die Wiener Stadtregierung erklärte, nachziehen zu wollen. Allerdings, so wurde betont, braucht man dafür die Zusammenarbeit mit dem Bund. Man stehe für Gespräche bereit, auch eine Übertragung der Agenden auf Länderebene ist für Wien vorstellbar, so Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) – mehr dazu in wien.ORF.at.