Gasleitungen in einem Verteilerzentrum
Reuters/Heinz-Peter Bader
Energiekrise

Russland stellt mehr Gas in Aussicht

Die Energiepreise befinden sich seit geraumer Zeit auf Rekordniveau, Entspannung ist nicht in Sicht. Verantwortlich gemacht werden dafür vor allem der Wirtschaftsaufschwung nach den langen Pandemiemonaten und die wachsende Nachfrage. Debattiert wurde in der EU zuletzt aber auch die geopolitische Komponente, vor allem die Rolle Russlands als Europas wichtigster Gaslieferant. Nun kündigte das Land am Mittwoch an, seine Gaslieferungen nach Deutschland und Österreich aufzustocken.

Putin forderte den Vorstandsvorsitzenden von Gasprom, Alexej Miller, am Mittwoch auf, die Füllung der russischen Gasspeicher bis zum 8. November abzuschließen. Anschließend solle Gasprom „beginnen, das Gasvolumen in den unterirdischen Speichern in Europa – Österreich und Deutschland – schrittweise zu erhöhen“.

Während eines im Fernsehen übertragenen Treffens mit Vertretern der Energiewirtschaft sagte Putin, dieser Zeitplan werde es Gasprom ermöglichen, „seine vertraglichen Verpflichtungen zur Versorgung der europäischen Partner mit Gas im Herbst und Winter zu erfüllen“. Der russische Staatschef fügte hinzu, dass die geplanten Lieferungen „eine günstigere Situation auf dem Energiemarkt in Europa insgesamt“ schaffen würden.

Preise ziehen an

Europa bezieht rund ein Drittel seines Erdgases aus Russland. Angesichts der steigenden Nachfrage aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Pandemie wurden die Vorräte allerdings knapp, die Preise zogen deutlich an. Gleichzeitig sank mit dem herannahenden Winter die Produktion erneuerbarer Energien. Der Strompreis stieg. Zahlreiche EU-Staaten kündigten deshalb Gegenmaßnahmen wie Entlastungspakete für einkommensschwache Haushalte und Unternehmen an.

Putin sah sich vor diesem Hintergrund mit dem Vorwurf konfrontiert, Gas absichtlich von den europäischen Märkten zurückzuhalten und somit die Preiskrise zu verschärfen. Nach Ansicht seiner Kritiker erhöhte Russland seine Lieferungen nicht, um Europa unter Druck zu setzen, mehr langfristige Verträge abzuschließen. Demzufolge wollte Russland auch eine schnellere Zertifizierung der umstrittenen Pipeline „Nord Stream 2“ erzwingen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging mit ihrer Kritik nicht so weit. Sie sagte aber, dass Gasprom zuletzt nicht auf die verstärkte Nachfrage aus der EU reagiert habe. Die ganze Welt sei vom Anstieg der Preise betroffen, aber es gebe „etwas Spezifisches“ in der europäischen Situation. Zu möglichen Gründen der laut von der Leyen ausgebliebenen Reaktion auf die erhöhte Nachfrage aus der EU äußerte sie sich nicht.

Putin verweist auf EU-Energiepolitik

Moskau wies diese Vorwürfe zurück. Für die Gaskrise und die rekordhohen Preise sei die Energiepolitik der Europäischen Union verantwortlich, sagte Putin am Donnerstag. Er führte etwa die wachsende Bedeutung erneuerbarer Energien an. Gleichzeitig geht es aber auch um die Dauer von Lieferverträgen. Die EU hatte in den letzten Jahren die Abkehr von langfristigen Verträgen vorangetrieben, um günstiger und flexibler auf dafür volatileren Märkten einkaufen zu können.

Noch vergangene Woche hatte Putin gesagt, dass Russland nach der Erlaubnis für „Nord Stream 2“ mehr Erdgas nach Europa liefern könne. Die Gaspipeline durchläuft derzeit noch das Zertifizierungsverfahren bei der deutschen Bundesnetzagentur, erst dann kann sie kommerziell ihren Betrieb aufnehmen. Zuletzt nahm das Verfahren eine wichtige Etappe.

Die rund 1.200 Kilometer lange Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland und in weitere europäische Länder liefern soll, ist seit Wochen fertiggestellt, aber nicht in kommerziellem Betrieb. Gegner der Leitung wie die USA und die Ukraine argumentieren, dass Europa sich damit in eine große Abhängigkeit von Russland begibt – dem ohnehin wichtigsten Gaslieferanten. Die Nord Stream 2 AG gehört zu 100 Prozent dem russischen Gasriesen Gasprom.

Notstand in Moldawien

Die Gaspreise machen derzeit weiten Teilen der Welt zu schaffen. Besonders unter Druck stand zuletzt Moldawien, wo wegen der Gaskrise bereits der Notstand ausgerufen wurde. Der Liefervertrag der ehemaligen Sowjetrepublik mit Gasprom lief bereits Ende September aus, beide Seiten haben sich bisher aber nicht auf neue Preise verständigen können.

Zuletzt hatte Gasprom dem Land mit einem Lieferstopp mitten in der Heizsaison gedroht, wenn nicht für Dezember ein neuer Liefervertrag unterzeichnet werde. Daher musste das Land erstmals seit seiner Unabhängigkeit Gas aus einem anderen Land als Russland beziehen. Die EU stellt dem Land deswegen 60 Mio. Euro zur Verfügung.