Italienische Polizisten schwer bewaffnet vor dem Kongresszentrum in Rom, wo der G20-Gipfel stattfindet
APA/AFP/Polizia di Stato
Sicherheitsmaßnahmen

Rom wird für G-20-Gipfel zur Festung

In Rom findet am Wochenende der erste nicht virtuelle Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie statt. Nicht nur deshalb wird das Thema Sicherheit großgeschrieben. Anti-Terror-Einheiten sind in Alarmbereitschaft, es gibt Grenzkontrollen, auch zu Österreich. Das Stadtviertel, in dem der Gipfel stattfindet, ist eine Hochsicherheitszone.

Das letzte „Treffen“ der 20 Länder im saudi-arabischen Riad im letzten November war ein vorwiegend virtuelles per Videokonferenz. Diesmal findet es unter italienischem Vorsitz in Rom statt und dient vorwiegend der Vorbereitung auf die am Sonntag im schottischen Glasgow beginnende UNO-Klimakonferenz COP26. Dem Vernehmen nach wollen sich die großen Industrienationen dort zu einem aktiven Klimaschutz verpflichten, allerdings vage, wie es im Vorfeld hieß.

Italien als Gastgeber will jedenfalls keine Überraschungen erleben und trifft dafür schärfste Sicherheitsvorkehrungen für den Gipfel. Das Stadtviertel Esposizione Universale di Roma (Weltausstellung Rom), gewöhnlich auch EUR genannt, im Süden der Hauptstadt wurde praktisch zur Festung ausgebaut. Insgesamt seien 7.000 Sicherheitskräfte von Polizei und Armee im Einsatz, hieß es. Es wurde zumindest befürchtet, dass Proteste unterschiedlicher Gruppen geplant sind, um den Gipfel zu stören.

Flugverbotszone und scharfe Kontrollen

Rund um den Tagungsort wurde laut italienischen Medienberichten ein mehr als zehn Quadratkilometer große Hochsicherheitsbereich eingerichtet. Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehört auch eine strikte Luftraumüberwachung. Über dem Kongresszentrum La Nuvola, entworfen vom Stararchitekten Massimiliano Fuksas, wurde im Umkreis von vier Kilometern eine Flugverbotszone eingerichtet.

Italienische Polizisten schwer bewaffnet im Zentrum Roms
AP/Domenico Stinellis
Schwer bewaffnete Carabinieri im Zentrum Roms

Alle Straßen, die zum Kongresszentrum im Herzen des vom faschistischen Diktator Benito Musssolini konzipierten Stadtviertels im Süden Roms führen, werden streng bewacht. Die Schulen in der Stadt sind von Freitag bis Montag geschlossen. In dem ab 1938 errichteten Stadtviertel EUR sollte nach dem Willen Mussolinis die Weltausstellung 1942 stattfinden – daher der Name.

Grenzkontrollen: Schengen wird ausgesetzt

In den letzten Tagen wurden die Anti-Terror-Vorkehrungen in der ganzen Stadt verschärft. Es gibt spezielle Kontrollen auf den Bahnhöfen, die Botschaften und wichtige Monumente werden bewacht.

Ein italienischer Polizist mit Suchhund vor dem Kongresszentrum in Rom, wo der G20-Gipfel stattfindet
Reuters/Yara Nardi
Sprengstoffspürhund im Einsatz vor dem Kongresszentrum La Nuvola

Auch im Vatikan wurden anlässlich des G-20-Gipfels die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Der Grund dort: Am Freitag wurde US-Präsident Joe Biden zu einer Audienz von Papst Franziskus empfangen. Danach führt er bilaterale Gespräche mit der italienischen Regierung und will dann ab Samstag am zweitägigen Gipfel teilnehmen.

Seit Mittwochabend gibt es auch wieder Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums. Diese betreffen auch die Grenzübergänge zu Österreich auf dem Brenner und in Tarvis. Die Polizei in Kärnten rechnet laut Aussendung mit Verkehrsbehinderungen. Die Grenzkontrollen enden am 1. November um 13.00 Uhr. Die Maßnahme kann Auswirkungen auf die Reisezeit von Drittstaatsangehörigen haben, die aus einem anderen Mitgliedsstaat in den Schengen-Raum einreisen und dann nach Italien weiterreisen, teilte das italienische Innenministerium mit.

Warten auf Erklärung zur Klimakrise

Nach vorbereitenden und zum Teil bilateralen Gesprächen am Freitag beginnt der Gipfel offiziell am Samstagvormittag mit der Ankunft der Staats- und Regierungschefs. Für den Abend ist ein Event in den Thermen des Diokletian geplant. Der Sonntag beginnt mit einem Gruppenfoto im historischen Zentrum Roms. Danach folgen auf dem Gipfelgelände weitere Diskussionsrunden. Am Nachmittag soll der Gipfel gegen 16.00 Uhr mit Pressekonferenzen der Teilnehmer enden.

Italienische Polizisten schwer bewaffnet am Petersplatz in Rom
AP/Domenico Stinellis
Carabinieri bei einem Termin für die Medien vor dem Petersdom in Rom

Die Ergebnisse könnten, hatte es zumindest im Vorfeld des Gipfels geheißen, nachdem Teile aus dem Entwurf des Abschlusskommuniques publik geworden waren, vage bleiben. Die G-20, zu denen neben Wirtschaftssupermächten wie den USA, China, Japan, Deutschland, Großbritannien und dem Gastgeber Italien als Nummer acht unter den größten Volkswirtschaften auch Länder wie Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien und die Türkei gehören, wollten ein Versprechen für mehr Klimaschutz ablegen, aber keine konkreten Ziele festlegen. Das Jahr 2050 als Schwelle zur Klimaneutralität etwa sei noch keineswegs ausgemachte Sache.

Offene Fragen zu Maßnahmen

Die G-20 wollen sich Vorabberichten zufolge zu ehrgeizigeren Klimazielen bekennen als bisher. „Wir erkennen an, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei 1,5 Grad viel geringer sind als bei zwei Grad und dass sofortige Maßnahmen ergriffen werden müssen, um 1,5 Grad in Reichweite zu halten“, heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf der Gipfelerklärung. „Wir verpflichten uns, die existenzielle Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen“.

Allerdings gilt weiter als strittig, bis zu welchem Jahr die Länder Klimaneutralität erreicht haben wollen. Dabei gehen die Meinungen bei so unterschiedlichen G-20-Ländern wie Japan, China, Saudi-Arabien und den EU-Staaten weit auseinander. Auch der Hinweis in der Erklärung, dass die G-20-Staaten für mindestens 75 Prozent der Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind, gilt noch als strittig.

CoV-Arbeitsgruppe geplant

Zum besseren Kampf gegen die Pandemie wollen die Finanz- und Gesundheitsminister der G-20 eine gemeinsame Arbeitsgruppe einsetzen. Die Pläne der G-20 stießen auf Kritik von Entwicklungsorganisationen, die von einem „Country-Club der Reichen“ sprachen. Das Vorhaben schwäche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und „stellt den Multilateralismus kalt“, indem ärmere Länder nicht beteiligt würden. „Was wir brauchen, ist eine stärkere WHO, die 2020 in den Spannungen zwischen ihren Mitgliedern ausgeschlossen wurde und jetzt geschwächt ist“, kritisierte Oxfam die Pläne.

Wie aus einem Textentwurf hervorging, sollen in der Arbeitsgruppe der „Austausch von Erfahrungen und vorbildliche Vorgehensweisen gefördert“, die Koordinierung zwischen Finanz- und Gesundheitsministerien entwickelt und Optionen für strukturiertere Vereinbarungen erkundet werden. Den Vorsitz des Gremiums, das Ende November erstmals zusammenkommen soll, werden die jetzige G-20-Präsidentschaft Italien und Indonesien als nächste übernehmen.

Ein ständiges Sekretariat, das in Zusammenarbeit mit der Weltbank bei der WHO ansässig sein soll, soll den Vorsitz unterstützen. Im Konsens mit den Staaten der G-20 soll die Einbeziehung von Nichtmitgliedern sowie regionaler Gremien oder internationaler Organisationen erwogen werden, heißt es weiter. Das Gremium soll die wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen der Covid-19-Pandemie angehen, wie beispielsweise den Zeitplan für die Lieferungen von Impfstoffen nach den WHO-Zielen verfolgen. Die WHO appellierte am Donnerstag an die G-20, für eine weltweit faire Impfstoffverteilung zu sorgen.