Medizinisches Personal in einem Krankenhaus.
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Lage angespannt

Zwangsurlaub und Teil-Lockdown in Moskau

Russland hat erneut einen Rekord an Neuinfektionen mit dem Coronavirus und an Todesopfern gemeldet. Binnen 24 Stunden wurden mehr als 40.000 Neuinfektionen und 1.159 Verstorbene registriert, wie die Behörden am Donnerstag mitteilten. Moskau ging nun wieder in einen Teil-Lockdown, außerdem verordneten die Behörden Zwangsurlaub.

In der Hauptstadt schlossen alle nicht zur Grundversorgung nötigen Geschäfte sowie Schulen, Kindergärten, Restaurants und Kultur- sowie Sporteinrichtungen für elf Tage. Nur der Verkauf von Medikamenten, Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern ist ausgenommen. Es ist der strengste Lockdown seit Juni des vergangenen Jahres.

Landesweit sollen arbeitsfreie Tage von Samstag an gelten. Präsident Wladimir Putin hatte verfügt, dass der Lohn in dieser Zeit weitergezahlt werde. Das gilt hauptsächlich nur für den öffentlichen Dienst. In manchen Regionen gibt es in dieser Zeit auch ein Verkaufsverbot für Alkohol.

ORF-Korrespondent Paul Krisai berichtet aus Moskau

ORF-Korrespondent Paul Krisai berichtet aus Moskau über die Hintergründe des harten CoV-Lockdowns.

Laut offiziellen Statistiken wurden in dem Land mit rund 147 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr als 230.000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Die russische Statistikagentur Rosstat errechnete etwa 400.000 Fälle.

Erst ein Drittel vollständig geimpft

Erst ein Drittel der 147 Millionen Menschen in Russland ist offiziellen Angaben zufolge vollständig geimpft. Die höchsten Impfquoten hat dabei laut dem Portal GoGov das Umland von Moskau mit rund 50 Prozent der impfbaren Bevölkerung, die geringsten die Republik Dagestan im Nordkaukasus. Viele Menschen sind skeptisch gegenüber dem Impfstoff „Sputnik V“, den Russland in Rekordzeit entwickelt und zugelassen hatte.

Mehrere Studien hatten dem Impfstoff eine hohe Wirksamkeit attestiert, allerdings wurden Bedenken aufgrund der Datengrundlagen geäußert. In der EU ist „Sputnik V“ nicht zugelassen, bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) läuft nach wie vor ein Verfahren. In Russland sind neben „Sputnik V“ und der Einzeldosisvariante „Sputnik Light“ zwei weitere Impfstoffe zugelassen: KoviVac und EpiVacCorona. Die im Westen verwendeten Vakzine wie Biontech und Pfizer sind in Russland nicht zugelassen.

Putin gegen Impfpflicht

Es sei noch keine Entscheidung getroffen worden, ob es eine landesweite Impfpflicht geben werde, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Mal sehen, wie sich die Lage entwickelt.“ Bisher gibt es in einigen Regionen für bestimmte Berufe eine Pflicht, sich immunisieren zu lassen. Putin hatte sich erst vorige Woche gegen eine Impfpflicht ausgesprochen.

Wenige Menschen am „Roten Platz“ in Moskau.
APA/AFP/Dimitar Dilkoff
Das öffentliche Leben in Moskau soll wieder reduziert werden

Die Regierung plant nun offenbar eine neue Impfkampagne, berichtete die Zeitung „Kommersant“. Diese soll besser auf die ländlichen Regionen im riesigen Russland ausgerichtet werden. Zudem wolle die Regierung einen „positiveren“ Ton wählen und weniger auf die Risiken einer Covid-19-Erkrankung und mehr auf die Freiheiten eingehen, welche die Impfung mit sich bringt.

Flucht in Urlaubsregionen

Unklar war, ob die arbeitsfreien Tage verlängert werden. Diese Möglichkeit hatte Putin nicht ausgeschlossen. Ob künftig etwa für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs QR-Codes als digitaler Nachweis einer Coronavirus-Impfung oder überstandenen Krankheit notwendig seien, liege in der Entscheidung der Regionen, sagte Peskow.

Medien hatten zuletzt berichtet, dass Russen massenhaft auf Urlaub ins Ausland fliegen wollten, etwa nach Ägypten und in die Türkei. Der Bürgermeister von Sotschi am Schwarzen Meer warnte vor einem regelrechten Touristenansturm. Die Behörden riefen allerdings dazu auf, die arbeitsfreien Tage zu Hause zu verbringen. Vor allem ungeimpfte Personen über 60 wurden dazu aufgefordert, sich im November selbst zu isolieren.