US-Präsident Joe Biden
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Soziales und Klimaschutz

Biden kürzt Investitionspaket drastisch

Seit Monaten kämpft US-Präsident Joe Biden um Kernvorhaben seiner Präsidentschaft – unter anderem um gewaltige Investitionen in Soziales und Klimaschutz. Unmittelbar vor seiner Europareise hat Biden am Donnerstag nun ein dramatisch zusammengestrichenes Paket vorgelegt. Er gab damit dem Druck aus Teilen seiner Partei nach.

Vorgesehen seien seinen Plänen zufolge nun Ausgaben von 1,75 Billionen US-Dollar (1,51 Billionen Euro), wie aus dem Weißen Haus in Washington zu vernehmen war. Ursprünglich hatte Biden ein doppelt so großes Paket im Umfang von 3,5 Billionen Dollar angepeilt. Moderate Demokratinnen und Demokraten hatten sich jedoch gegen derart hohe Ausgaben gesperrt und den Präsidenten in monatelangen Verhandlungen gezwungen, sich von Teilen seiner Pläne zu verabschieden.

Die Mitarbeiter des Weißen Hauses äußerten sich zuversichtlich, dass in beiden Kongresskammern für das abgespeckte Paket nun die nötigen Mehrheiten zustande kämen. Eine offizielle Einigung mit den unterschiedlichen Parteiflügeln der Demokraten gibt es bisher nicht. Biden besuchte am Donnerstag eigens die demokratische Fraktion des Repräsentantenhauses, um dort persönlich für Zustimmung zu dem Kompromisspaket zu werben. Derlei Besuche des Präsidenten im Kongress sind selten.

Biden: „Historisch“, aber mit „Kompromissen“

Nach dem Besuch im Kongress äußerte sich Biden am Donnerstag auch öffentlich zu seinen Plänen – unmittelbar vor seiner Abreise nach Europa, wo er in den kommenden Tagen unter anderem am G-20-Gipfel in Rom und an der Weltklimakonferenz (COP26) in Glasgow teilnehmen wird. In seiner Rede bezeichnete Biden den wirtschaftlichen Rahmen als „historisch“, wenngleich er einräumte, dass „niemand alles bekommen hat, was er wollte“. Und Biden ergänzte: „Auch ich nicht – aber so sind Kompromisse.“

US-Präsident Joe Biden
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Biden bei seiner Rede im Weißen Haus am Donnerstag

Das Paket werde Millionen Jobs schaffen, zu Wirtschaftswachstum führen und die USA für den Wettbewerb mit China und anderen Ländern stärken, sagte der Präsident weiter. Es umfasse zudem die „bedeutendsten Investitionen“ der Geschichte im Kampf gegen den Klimawandel und werde „die Klimakrise in eine Chance verwandeln“. Das Paket sei außerdem vollständig gegenfinanziert und werde nicht zu neuen Schulden führen.

Investitionen können Land „wirklich transformieren“

Zusammen mit dem ebenfalls von ihm angestoßenen Infrastrukturpaket könnte es mittels der Investitionen gelingen, das Land „wirklich zu transformieren“. Wenn nichts geschehe, drohten andere Länder den Vereinigten Staaten den Rang abzulaufen, mahnte der Demokrat. Es gehe nicht um „links gegen rechts“, „moderat gegen progressiv“, sondern darum, ob die USA die Welt anführten oder von der Welt überholt würden.

Biden präsentiert Investitionspaket

Seit Monaten kämpft US-Präsident Joe Biden um Kernvorhaben seiner Präsidentschaft – unter anderem um gewaltige Investitionen in Soziales, Infrastruktur und Klimaschutz. Unmittelbar vor seiner Europareise hat Biden nun ein dramatisch zusammengestrichenes Paket vorgelegt. Statt den ursprünglich geplanten Ausgaben von 3,5 Billionen Dollar, sieht das Paket nun nur noch Ausgaben in der Höhe von 1,75 Billionen Dollar vor.

Auch beim G-20-Treffen dürfte der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Biden und das Weiße Haus hatten daher in den vergangenen Tagen ihre Bemühungen intensiviert, vor der Europareise eine Einigung zu dem Sozial- und Klimapaket zu erzielen, um international etwas vorweisen zu können.

Soziales im Fokus

In dem 1,75-Billionen-Paket sind unter anderem 555 Mrd. Dollar an Investitionen im Kampf gegen die Klimakrise eingeplant, darunter Investitionen in erneuerbare Energien und Steueranreize für den Kauf von E-Autos. Herzstück des Pakets ist allerdings Soziales: Geplant ist unter anderem, die – bisher mitunter horrenden – Kosten für Kinderbetreuung für viele Familien im Land zu reduzieren und teils ganz durch den Staat zu übernehmen, Familien steuerlich zu entlasten und Gesundheitsleistungen auszubauen.

Finanziert werden soll das Paket durch Steuererhöhungen für Konzerne und Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener sowie durch das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben. Das Weiße Haus rechnet mit rund zwei Billionen Dollar an neuen Einnahmen – also etwas mehr als den Kosten des Pakets.

Infrastrukturpaket als Druckmittel

Diverse Pläne, die Biden ursprünglich in dem Paket vorgesehen hatte, fielen heraus, darunter sein bedeutsames Vorhaben, zwölf Wochen bezahlter Elternzeit einzuführen, ebenso weitere Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung. Dabei handelt es sich um Dinge, die progressiven Demokraten besonders am Herzen liegen.

US-Präsident Joe Biden,Nancy Pelosi und Steny Hoyer kommen im Kapitol an
APA/AFP/Mandel Ngan
Biden und Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, am Donnerstag in Washington

Mit diesem Paket soll die Infrastruktur des Landes modernisiert werden. Vorgesehen sind über die nächsten Jahre verteilt rund 550 Mrd. US-Dollar an neuen Investitionen. Insgesamt – inklusive schon vorher veranschlagter Mittel – hat dieses Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar.

Abstimmung über Infrastrukturgesetz verschoben

Das amerikanische Repräsentantenhaus entschloss sich indes dazu, die Abstimmung über ein Infrastrukturgesetz zu verschieben. Laut Pelosi hätten einige Demokraten darauf bestanden, nicht dafür zu stimmen, wenn sie nicht auch über ein separates Sozial- und Klimapaket in Höhe von 1,75 Billionen Dollar abstimmen könnten. „Die gute Nachricht ist, dass die meisten Abgeordneten, die heute nicht bereit waren, mit Ja zu stimmen, sich bereit erklärt haben, das Infrastrukturgesetz zu unterstützen“, sagte Pelosi, in einer Erklärung an ihre demokratischen Kolleginnen und Kollegen.

Dutzende Demokraten im Repräsentantenhaus lehnten eine rasche Abstimmung über das eine Billionen Dollar schwere Infrastrukturgesetz ab, solange keine Einigung über ein größeres Sozialausgabengesetz erzielt worden sei, so ihr Vorsitzender am Donnerstag. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte, die Regierung sei zuversichtlich, dass das Infrastrukturgesetz und das 1,75 Billionen Dollar schwere Paket für Sozialausgaben und zur Bekämpfung des Klimawandels bald vom Kongress verabschiedet würden.

Auf interne Geschlossenheit angewiesen

Die beiden Pakete sind zentrale innenpolitische Projekte für Biden in seiner Amtszeit – und angesichts der innerparteilichen Kämpfe bei den Demokraten politisch miteinander verknüpft. Bidens Demokraten haben in beiden Kongresskammern nur sehr knappe Mehrheiten, daher muss der Präsident die eigenen Reihen schließen.

Angesichts der nahenden Kongresswahl im kommenden Jahr, zur Halbzeit seiner Amtszeit, drängt generell die Zeit für Biden, seine Kernanliegen durchzusetzen, solange die Demokraten noch das Sagen im Kongress haben. Zumindest im Senat droht der Verlust der Mehrheit bei der Wahl 2022.