Menschen vor einem Wahlplakat von Japans Premierminister Fumio Kishida
AP/Koji Sasahara
Japan wählt

Bewährungsprobe für neuen Premier

Am Sonntag hat Japan ein neues Unterhaus gewählt. Für den erst Anfang Oktober neu gewählten Regierungschef Fumio Kishida ist es eine erste Bewährungsprobe. Seine Liberaldemokratische Partei (LDP) ist seit ihrer Gründung 1955 fast durchgehend an der Macht. Doch nun sieht es so aus, als ob Kishida zumindest einige Verluste verkraften wird müssen. Vorgänger Yoshihide Suga war gerade einmal ein Jahr im Amt.

Umfragen zeichnen derzeit ein widersprüchliches Bild von der Wahl am Sonntag: Die einen sehen eine stabile Mehrheit der LPD, bei anderen ist sogar die Regierungsmehrheit mit dem Koalitionspartner Komeito in Gefahr. Erschwert werden die Prognosen durch das Wahlsystem: 289 der 465 Abgeordneten werden nach Mehrheitswahlrecht in entsprechend vielen Wahlkreisen gewählt, 176 Sitze werden nach Verhältniswahlrecht in elf Wahlkreisen an die Parteien vergeben.

Die LPD ist die einzige „Großpartei“ Japans, alle anderen kommen in Umfragen nicht über zehn Prozent, inklusive der Konstitutionell-Demokratischen Partei, die bei der Wahl noch auf fast 16 Prozent gekommen war. Um ihre Chancen zu erhöhen, haben sich fünf Oppositionsparteien, darunter auch die KDP, zusammengeschlossen und in etlichen Wahlkreisen sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Ob die Strategie aufgeht, ist noch unklar. Rund 40 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen, und es wird eine der niedrigsten Wahlbeteiligungen der Nachkriegszeit erwartet.

Japaner wählen neues Parlament

Die Japaner sind dazu aufgerufen, das Unterhaus im Parlament neu zu wählen. Der erst seit Kurzem regierende Ministerpräsident Fumio Kishida hat die Wahl ausgerufen, für ihn ist sie eine erste Bewährungsprobe.

Premierposten als Schleudersitz?

Für den neuen Premier Kishida steht jedenfalls einiges auf dem Spiel: Ein schlechtes Ergebnis könnte seine Gegner in der Partei beflügeln, spätestens im nächsten Jahr vor der Oberhauswahl könnte er dann Geschichte sein. Dass der ehemalige Außenminister Anfang Oktober überhaupt zum Regierungschef gewählt wurde, war als kleine Überraschung gesehen worden. Eigentlich war der für die Coronavirus-Impfungen zuständige Minister Taro Kono vom liberalen Flügel der Partei als aussichtsreicher gehandelt worden.

Wahlplakate in Yonaguni, Japan
Reuters/Issei Kato
Politverdrossenheit schlägt sich auch im Wahlkampf nieder

Für Diskussionen sorgte auch eine Personalentscheidung Kishidas: Er machte das Parteischwergewicht Akira Amari zum mächtigen Generalsekretär der LDP. Amari setzt sich unter anderem für die Wiederinbetriebnahme der japanischen Kernkraftwerke ein – eine Politik, die von einem großen Teil der Bevölkerung abgelehnt wird.

Maskenaffäre kurz vor dem Wahltag

Just einige Tage vor der Wahl holt die Regierung auch noch eine Maskenaffäre ein: Mit Beginn der Pandemie hatte die Regierung 260 Millionen Stoffmasken geordert, die einerseits an Haushalte und andererseits an Pflege- und Kinderbetreuungseinrichtungen verschickt wurden.

An der „Abenomask“, benannt nach dem damaligen Shinzo Abe, gab es schon damals Kritik, weil die Masken für viele Menschen zu klein waren, auch von Verunreinigungen wurde berichtet. Nun deckten Medien auf, dass 80 Millionen Masken gar nicht verteilt wurden. Nicht nur die Anschaffungs-, sondern auch die Lagerungskosten seien verschwendete Steuergelder, heißt es von Kritikern.

Nur Abe hielt sich lange

Beobachter schließen nicht aus, dass Japan nun wieder auf turbulente Zeiten mit häufigen Premierwechseln zusteuert. Knapp acht Jahre, von 2012 bis 2020, war Abe an der Macht, die längste Premierministerschaft in der Geschichte Japans. Er bereitete damit der jahrelangen politischen Lähmung durch wechselnde Premierminister ein Ende: Fast im Jahrestakt hatten sich die Regierungschefs die Klinke in die Hand gegeben.

Japans Ex-Premierminister Shinzo Abe
Reuters/Issei Kato
Abe war der längstdienende Premier Japans

Abe trat im vergangenen Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurück, sein Nachfolger Yoshihide Suga zog mit seiner Coronavirus-Politik und einer schleppenden Wirtschaftsentwicklung Frust und Ärger der Wählerinnen und Wähler auf sich und warf im September das Handtuch.

Wie es nun weitergeht, ist offen: „Da die Koalition bei den Wahlen alle strukturellen Vorteile genießt, hängt letztlich alles von der Wahlbeteiligung ab“, sagte Koichi Nakano, Professor für Politikwissenschaft an der Sophia-Universität der Agentur Reuters. Eine höhere Wahlbeteiligung würde der Opposition helfen: In „vielen, vielen Einzelwahlbezirken“ könnten sie dann vorne liegen.