Der britische Kutter „Cornelis-Gert Jan Dumfries“ in Le Havre, Frankreich.
Reuters/Sarah Meyssonnier
Brexit-Nachspiel

Verhärtete Fronten im Fischereistreit

Im Fischereistreit zwischen London und Paris zeichnet sich vorerst keine Entspannung ab – trotz eines persönlichen Treffens zwischen dem britischen Premier Boris Johnson und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Rande des G-20-Gipfels. Selbst bei der Bewertung des gemeinsamen Gesprächs gehen die Meinungen offenbar auseinander. Jede Seite sieht nun die andere zuerst am Zug.

Ein Sprecher Johnsons wies am Sonntag die französische Darstellung zurück, dass sich die beiden Politiker bei einem mehr als 30-minütigen Gespräch in Rom auf Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts verständigt hätten. Frankreich müsse den ersten Schritt machen, so der Sprecher. „Es liegt an den Franzosen zu entscheiden, ob sie von ihren Drohungen der vergangenen Tage, das Brexit-Abkommen zu brechen, Abstand nehmen wollen.“

Bei der Pressekonferenz zum Abschluss des G-20-Gipfels sagte Johnson, Großbritannien und Frankreich seien „langjährige Verbündete und Freunde“. „Beim Fisch“ habe sich die Position seiner Regierung aber nicht geändert. Die britische Regierung erklärte, sie erfülle die Bedingungen des Handelsabkommens mit der EU nach dem Brexit.

Der britische Premierminister Boris Johnson.
AP/Kirsty Wigglesworth
Der britische Premier Johnson sieht Frankreich als „Verbündete und Freunde“ – aber nicht beim Fisch

Paris sieht Versuch der Deeskalation

Ein französischer Regierungsvertreter sagte davor über das Treffen, Macron und Johnson hätten sich dabei auf das Ziel verständigt, „auf eine Deeskalation hinzuarbeiten“. Macron habe zudem Großbritannien aufgefordert, die Regeln einzuhalten. Der Ball liege nun auf dem Spielfeld der Briten, so Macron. Vor Journalisten sagte der französische Präsident, er hoffe auf eine Antwort der Briten bis Montag. Wenn sich London aber weiter nicht bewege, werde Paris wie geplant am Dienstag handeln.

Die französische Seite betrachte den Streit als Brexit-Angelegenheit zwischen Großbritannien und der EU, „auch wenn Boris Johnson immer noch versucht, dies zu einem französisch-britischen Thema zu machen“, berichteten französische Medien unter Berufung auf den Elysee-Palast. Man wolle so schnell wie möglich praktische und operative Maßnahmen ergreifen, um eine Verschärfung der Spannungen zu vermeiden, zitierten die Medien den Elysee.

London stellt 48-Stunden-Ultimatum

Die britische Regierung gibt Frankreich nun 48 Stunden Zeit zum Einlenken. Anderenfalls werde London auf Basis des Brexit-Abkommens rechtliche Schritte einleiten, sagte Außenministerin Liz Truss am Montag dem TV-Sender Sky: „Die Franzosen haben völlig unvernünftige Drohungen ausgesprochen, auch gegenüber den Kanalinseln und unserer Fischereiindustrie, und sie müssen diese Drohungen zurückziehen.“

Andernfalls werde Großbritannien „die Mechanismen unseres Handelsabkommens mit der EU nutzen, um Maßnahmen zu ergreifen“, so Truss. Frankreich habe sich unfair verhalten. „Und wenn sich jemand bei einem Handelsabkommen unfair verhält, hat man das Recht, gegen ihn vorzugehen und Ausgleichsmaßnahmen zu fordern. Und das werden wir tun, wenn die Franzosen nicht nachgeben.“

Streit um Lizenzen für britische Gewässer

In dem Streit zwischen den beiden Staaten geht es um Fischereirechte nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Frankreich wirft Großbritannien vor, dass französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen zu können.

Am Donnerstag hat Frankreich den britischen Kutter „Cornelis Gert Jan“ festgesetzt und ein zweites Boot verwarnt, weil beide Schiffe ohne Lizenz in französischen Gewässern unterwegs gewesen seien. Bereits davor hatte die Regierung in Paris Konsequenzen angekündigt, da französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern zu fischen.

Frankreich setzt britischen Fischkutter fest

Im Streit über Fischereirechte nach dem Brexit hat Frankreich einem britischen Kutter die Weiterfahrt verwehrt. „Es ist kein Krieg, aber es ist ein Kampf“, sagte die für Fischerei zuständige französische Ministerin Annick Girardin.

Paris droht mit härteren Strafen

Ab 2. November will Frankreich zudem Sonderkontrollen für britische Waren einführen, was die wirtschaftliche Situation im Vereinigten Königreich noch verschärfen würde. Außerdem werde Frankreich künftig systematisch die Sicherheit britischer Boote überprüfen. Lkws, die von Frankreich aus nach Großbritannien oder in die Gegenrichtung fahren, sollen ebenfalls schärfer kontrolliert werden.

Die Regierung von Präsident Macron erwägt zudem weitere Maßnahmen und schließt dabei eine Überprüfung von Stromexporten nach Großbritannien nicht aus. Frankreichs Europaminister Clement Beaune sagte am Mittwoch, anscheinend sei die Sprache der Härte das Einzige, was die Briten verstünden. Großbritannien seinerseits hat mit der Festsetzung französischer Fischerboote gedroht.

Der französische Premierminister Jean Castex wandte sich in dem Streit auch an die EU-Kommission. Britischen Medien zufolge wirbt Castex in dem Schreiben bei Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor allem um Rückhalt für die französische Position. Johnson erklärte, er sei über den Brief „verdutzt“ gewesen, in dem der französische Premier explizit gebeten hat, dass die Briten für das Verlassen der EU bestraft würden. Er glaube nicht, dass das im Einklang mit den Brexit-Verträgen stehe, so Johnson.