Borhstatio in Texas, USA
Reuters/Angus Mordant
Klimagipfel

Methanausstoß im Visier

Die langwierigen und schwierigen Verhandlungen stehen beim Weltklimagipfel (COP26) in Glasgow noch bevor. Umso mehr war die Politik am Dienstag bemüht, den Eindruck von Dynamik zu vermitteln. Gleich mehrere Pakte stellten Politikerinnen und Politiker in die Auslage. Unter anderem soll der Ausstoß des potenten Klimagases Methan in den kommenden Jahren deutlich reduziert werden.

Mit 60 Prozent bezifferte der britische Premier Boris Johnson vor Beginn des Weltklimagipfels die Chance, dass die Staaten weiterhin auf einem Kurs in Richtung 1,5-Grad-Ziel blieben. Am Dienstag klangen die britischen Gastgeber eine Spur optimistischer. „In den letzten anderthalb Tagen ist eine deutliche Dynamik zu erkennen, da einige wirklich greifbare Verpflichtungen angekündigt wurden“, sagte der Sprecher von Johnson, Max Blain.

In der Nacht auf Dienstag stellten sich mehr als 100 Staaten hinter einen Pakt, mit dem die Zerstörung der Wälder bis 2030 beendet werden sollte. Die britischen Gipfelorganisatoren feierte den Deal am Dienstag als „beispiellos“. Umweltaktorganisationen kritisierten, dass nun acht Jahre lang wie bisher weitergemacht werden könne. Abseits der großen Ankündigung blieb auch noch unklar, wie genau die Übereinkunft umgesetzt werden solle – und was ein Ende der Abholzung konkret bedeutet.

Es war aber nicht die einzige vollmundige Ankündigung des dritten Gipfeltages. Am Nachmittag erklärten die EU gemeinsam mit den USA, dass sich rund 90 Staaten einer Initiative angeschlossen hätten, mit der die Methanemissionen deutlich reduziert werden sollen. Die bereits im September ins Leben gerufene Global Methane Pledge hat zum Ziel, den Ausstoß des potenten Treibhausgases im Vergleich zu 2020 um 30 Prozent zu reduzieren.

Maßnahme mit schneller Wirkung

Methan sei für rund 30 Prozent der Erderwärmung seit der industriellen Revolution verantwortlich, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. Die Reduzierung des Ausstoßes um 30 Prozent sei eine der wirksamsten Möglichkeiten, die kurzfristige Erderwärmung zu reduzieren, und werde „den Klimawandel sofort bremsen“. „Es ist die am niedrigsten hängende Frucht“, so die Kommissionschefin in ihrer Rede auf Englisch. Sie stellte den Pakt gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden vor.

Ursula von der Leyen und Joe Biden
APA/AFP/Brendan Smialowski
Die EU und die USA setzen mit ihrer Initiative auf eine schnelle Reduktion von Methan – zumindest in der Öl- und Gasindustrie

Teil der Initiative sind neben der EU und den USA unter anderem auch Kandada, Japan und Israel. Der Schönheitsfehler: Staaten wie Russland, China und Indien wollten sich der Initiative noch nicht anschließen. Und einmal mehr basieren alle Übereinkünfte auf Freiwilligkeit. Eine Nichteinhaltung der Ziele bliebe ohne direkte Konsequenzen.

Methan verbleibt zwar im Vergleich zu CO2 nur relativ kurz in der Atmosphäre. Seine Wirkung auf den Treibhauseffekt ist aber um ein Vielfaches stärker als jene von Kohlendioxid. Werde die Initiative erfolgreich umgesetzt, könnte die Erderwärmung bis 2050 der EU-Kommission zufolge um rund 0,2 Grad reduziert werden. Die Einschätzung wird auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geteilt. Eine Reduzierung des Methanaustoßes um die Hälfte bis 2030 könnte die Erderwärmung um 0,3 Grad reduzieren, heißt es in einem UNO-Report aus dem Frühjahr.

Gas- und Ölindustrie im Fokus

Methan entsteht zum einen in der Landwirtschaft, bei der Verdauung von Rindern. Das Gas, das auch den Hauptbestandteil von Erdgas ausmacht, entweicht oftmals aber auch bei Gas- und Ölbohrungen bzw. an unzureichend gewarteten Gasleitungen und Gasspeichern. Die nun ins Auge gefasste Reduktion des Treibhausgases soll sich denn auch vor allem auf den Energiesektor beziehen. So kündigte etwa Kanadas Premierminister Justin Trudeau in Glasgow an, dass sein Land die Methanemssionen der Öl- und Gasindustrie bis 2030 um 75 Prozent reduzieren werde.

Die Öl- und Gasindustrie steht auch im Zentrum eines nationalen Aktionsplans, den US-Präsident Biden ebenfalls am Dienstag ankündigte. Unternehmen in den USA sollen verpflichtet werden, 300.000 ihrer größten Bohrlochstandorte und andere Infrastruktur alle drei Monate auf Methanlecks zu prüfen und sie gegebenenfalls schnell zu reparieren. Zudem darf Methan, das als Nebenprodukt von Rohöl entsteht, nicht mehr in die Atmosphäre entlassen werden. Bei Mülldeponien solle der Ausstoß des klimaschädlichen Gases stark begrenzt werden.

Die Regeln, die auf Vorschläge der US-Umweltschutzbehörde (EPA) zurückgehen, sollen nach derzeitigem Plan im Jahr 2023 in Kraft treten. Bis 2035 soll damit das Methan aus Öl- und Gasbetrieben um 74 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 reduziert werden.

Initiative für saubere Technologien

Noch eine weitere Initiative wurde am Dienstag – diesmal von den Gastgebern – präsentiert. In einer Erklärung teilte die britische Regierung mit, dass sich mehr als 40 Staats- und Regierungschefs auf einen Plan geeinigt hätten, der bis 2030 weltweit saubere und erschwingliche Technologien bereitstellen solle. Neben Stahl solle sich der Plan auf Energie, Straßenverkehr, Wasserstoff und Landwirtschaft konzentrieren.

„Stahl mit nahezu null Emissionen ist die bevorzugte Wahl auf den globalen Märkten, wobei die effiziente Nutzung und die Produktion von Stahl mit nahezu null Emissionen in jeder Region bis 2030 etabliert sein und wachsen wird“, heißt es in der Erklärung. Ziel sei es, Investoren die Gewissheit zu geben, dass globale Märkte für kohlenstoffarme oder sogar kohlenstofffreie Technologien entstehen werden. Mit an Bord seien auch Indien und China.

Große Brocken auf dem Weg

Chinas Staatschef Xi Jinping nimmt ebenso wie Russlands Präsident Wladimir Putin nicht persönlich am Klimagipfel teil – was bei manchen im Vorfeld die Erwartungen an Glasgow dämpfte. Chinas oberster Klimaverhandlungsführer Xie Zhenhua sah das am Dienstag freilich etwas anders. So sagte er in einem Mediengespräch, dass er es etwa für durchaus wahrscheinlich halte, dass in Glasgow eine Einigung zu einem weltweiten CO2-Emissionshandel erzielt werde.

Die Frage, wie Staaten ihre CO2-Einsparungen verrechnen, gilt als eine der großen Herausforderungen für die Verhandlungen. Sie ist einer der Brocken, die es in Glasgow aus dem Weg zu räumen gilt, wenn der Weg in Richtung eines 1,5-Grad-Ziels weiterhin begehbar bleiben soll. Das gilt auch für die nötigen Nachschärfungen bei den nationalen Klimazielen, die in den kommenden Tagen verhandelt werden müssen. Mit den derzeitigen Plänen der Staaten steuert die Menschheit auf eine globale Temperatur zu, die 2,7 Grad über dem vorindustriellen Zeitalter liegt. Klimaexpertinnen und -experten sind sich einig: Mit dem Pflücken der „niedrig hängenden Früchte“ wird es nicht getan sein.