Ferdinand Laufberger: Das Blinde-Kuh-Spiel, Wien 1865 (Öl auf Leinwand)
Otmar Rychlik
„Klimts Lehrer“

Vorbilder eines Musterschülers

Mit einer kleinen, dichten Ausstellung erinnert das MAK an „Klimts Lehrer“. Die Schau zeigt 18 originale Frühwerke des späteren Jugendstilkünstlers und rund 160 Gemälde, Grafiken und Skizzen seiner Professoren an der Kunstgewerbeschule. Wer prägte den Musterschüler und welche Spuren haben die heute wenig bekannten Ringstraßenkünstler in Wien hinterlassen? In kompakter Weise führt die Schau die Einflussquellen des jungen Gustav vor.

Das Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) feiert dieser Tage ein 150-Jahr-Jubiläum: Am 4. November 1871 öffnete das Gebäude des Architekten Heinrich von Ferstel seine Pforten. Mit dem Backsteinbau wurde das allererste Museum an der Ringstraße fertiggestellt. Stilistisch diente die florentinische Renaissance als Vorbild. Mit der benachbarten Kunstgewerbeschule sollte die angewandte Kunst um Wien 1900 in neuem Glanz wiedererstehen.

Ein Professor Klimts, der heute vergessene Maler Ferdinand Laufberger, entwarf den mythischen Vogel Greif und die allegorischen Frauenfiguren an der Fassade der Institution. Der Greif hat sich bis heute im MAK-Logo erhalten. Unter der Leitung von Kustodin Kathrin Pokorny-Nagel wurde in den letzten vier Jahren Laufbergers Nachlass erforscht. „Wir haben dabei einen großen Formenschatz entdeckt“, sagt die MAK-Kuratorin zu den gesichteten 600 Blättern, von denen nun etliche in der neuen Schau „Klimts Lehrer. Jahre an der Kunstgewerbeschule“ zu sehen sind.

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Friedrich Sturm: Spielende Kinder, Allegorie der Landwirtschaft, undatiert (Öl auf Karton)
Otmar Rychlik
Friedrich Sturm, „Spielende Kinder, Allegorie der Landwirtschaft“, undatiert
Ferdinand Laufberger: Das Blinde-Kuh-Spiel, Wien 1865 (Öl auf Leinwand)
Otmar Rychlik
Ferdinand Laufberger, „Das Blinde-Kuh-Spiel“, 1865
Ferdinand Laufberger: Entwurf für ein Bogenfenster in der Rotunde für die Wiener Weltausstellung 1873, Wien 1872 (Tusche, Gouache)
MAK
Ferdinand Laufberger, Entwurf für ein Bogenfenster in der Rotunde für die Wiener Weltausstellung 1873, Wien 1872
Anselm Feuerbach: Frühlingsbild, 1868 (Öl auf Leinwand)
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Andres Kilger
Anselm Feuerbach, „Frühlingsbild“, 1868
Friedrich Sturm: Entwurf für eine Wanddekoration mit zwei Putti, Wien um 1890 (Bleistift)
MAK
Friedrich Sturm, Entwurf für eine Wanddekoration mit zwei Putti, Wien um 1890
Gustav Klimt: Allegorie der Skulptur, aus: Festschrift des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, Wien 1889 (Bleistift, Buntstift, Aquarell, Goldhöhung)
MAK/Georg Mayer
Gustav Klimt: „Allegorie der Skulptur“, Wien 1889
Ernst und Gustav Klimt: Plakat für die Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen, Wien 1893 (Lithografie)
MAK/Nathan Murrell
Ernst und Gustav Klimt, Plakat für die Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen, Wien 189,

„Vollkommen“ und „vorzüglich“

Im Studium „sehr fleißig“, im Verhalten „vollkommen“: So bewerten die ausgestellten Zeugnisse die Leistungen des jungen Gustav. Ab 1876 studierte Klimt an der Wiener Kunstgewerbeschule, im Jahr darauf gelang auch seinem jüngeren Bruder Ernst die Aufnahme. Ein Gruppenfoto zeigt Laufberger inmitten seiner „vorzüglichen“ Studenten.

In einer Vitrine liegen die Skizzenbücher des Kunstlehrers, der sich länger in Paris aufgehalten und dort etwa das Publikum im Louvre gezeichnet hatte. Im Ölbild „Das Blinde-Kuh-Spiel“ ortet Otmar Rychlik, der Kurator der Schau, gar schon den Einfluss des Impressionismus.

Zeit von Hans Makart geprägt

„Klimt betonte stets, dass er von Laufberger alles gelernt hätte“, erzählt Klimt-Experte Rychlik. Seine 180 Exponate umfassende Schau skizziert zu Beginn das damalige Umfeld, in dem Hans Makart als Star galt. Kaiser Franz Joseph I. hatte den Salonmaler nach Wien geholt, wo er auf Staatskosten ein opulentes Atelier einrichten konnte. Makarts legendär üppiger Geschmack ist an seinem Gemälde des Schlafzimmers von Kaiserin Elisabeth in der Hermesvilla abzulesen.

Gustav Klimt: Fabel, Vorlage für Allegorien und Embleme, Nr. 75a, Verlag: Gerlach & Schenk, Wien 1883 (Öl auf Leinwand)
Wien Museum/Birgit und Peter Kainz
Klimts Ölbild „Fabel“: Das frühe Meisterwerk von 1883 zeigt einen Frauenakt inmitten von Flora und Fauna

Aber Makart stieß nicht nur auf Bewunderer: Der einflussreiche und bestens vernetzte MAK-Gründer Rudolf Eitelberger wollte nicht das solitäre Genie fördern, sondern eine modernere, interdisziplinäre Kunstauffassung. „Die Kunstgewerbeschule wurde eigentlich gegen Makart gegründet“, spitzt Rychlik diese Opposition zu. Als der Kaiserhausliebling 1884 mit nur 44 Jahren starb, schrieb Eitelberger sogar einen mit kritischen Anmerkungen gespickten Nachruf auf ihn.

Spirituelle Kraft

In den sieben Jahren seines Studiums prägten höchst unterschiedliche Lehrer Klimt. Die Schau im Souterrain des MAK stellt die Professorenriege aber nicht nur als Einflussquelle dar, sondern gibt auch Einblick in das Schaffen der jeweiligen Künstler. Zu den wenig bekannten Vorbildern zählt etwa der Tiroler Michael Rieser, von dem der Entwurf für das Mosaik am Hochaltar der Wiener Schottenkirche gezeigt wird.

Bei diesem Künstler, der sich im Stil der Nazarener vor allem religiösen Motiven widmete, wurde der junge Gustav mit der Verwendung von Gold vertraut gemacht. „Auch Klimts Kunst ist immer spirituell, also von einer hohen Vorstellung des Menschen getragen“, betont Kurator Rychlik.

MAK-Ausstellungsansicht, 2021
MAK/Georg Mayer
Ausstellungsansicht im MAK

Gefragte Ausstatter

Die Errichtung der Ringstraßenbauten in wenigen Jahrzehnten stellte einen enormen städtebaulichen Kraftakt dar. Die repräsentativen Neubauten brauchten Künstler, die Fassaden, Wandgemälde, Glasfenster und so weiter gestalteten. So wie Makart starb damals eine ältere Generation von Ausstattungskünstlern weg, daher herrschte eine große Nachfrage nach jungen Talenten.

Ausstellungshinweis

„Klimts Lehrer. Jahre an der Kunstgewerbeschule“, bis 13. März 2022 im MAK, dienstags 10.00 bis 21.00 Uhr, mittwochs bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr.

Klimt, sein Bruder Ernst und ihr Kommilitone Franz Matsch waren solche Newcomer. Die jetzige Schau präsentiert 18 Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe Klimts. Darunter stellt seine Zeichnung des antiken Frauenhaupts „Brunnscher Kopf“ von 1878 die früheste Arbeit dar. Überraschend für Klimt wirkt das exotische Sujet eines Turbanträgers, der eine nackte Frau beschützt. Das orientalistische Sujet entstand als Teil der Serie „Allegorien und Embleme“.

Das Ausstellungskapitel „Kinderspiele“ zeigt heitere Szenen, die von kleinen Engeln oder Amorfiguren bevölkert werden. Von dem Maler Anselm von Feuerbach, der zu einem wichtigen Einfluss für Klimt wurde, wurde das Gemälde „Kinderständchen“ aus dem Leipziger Museum der bildenden Künste ausgeliehen. Klimt selbst integrierte allerlei Kindchen in seine Entwürfe. So etwa in seiner „Allegorie der Oper“, die von musizierenden Putti und kletternden Kindern gerahmt wird. Das Thema „Mutter und Kind“, das Klimt in seinem Gemälde „Idylle“ 1884 aufgriff, beschäftigte auch den späteren Jugendstilkünstler noch oft.

Flora, Fauna, Porträts

Angeleitet von dem Blumen- und Tiermaler Friedrich Sturm widmete sich Klimt dem Naturstudium. Gegenüber von Vitrinen mit Sturms botanischen Zeichnungen hängt Klimts Ölbild „Fabel“ aus dem Wien Museum. Dieses frühe Meisterstück zeigt einen Frauenakt inmitten von Flora und Fauna. Der Bogen der Einflüsse reicht in der Schau weiter bis zur Porträtkunst von Ludwig Minnigerode, der Klimt das Rüstzeug für seine späteren Auftragsarbeiten aus dem Großbürgertum mitgab.

Die Schau klingt mit einer Gemeinschaftsarbeit der „Maler-Compagnie“ aus, die Klimt noch während des Studiums mit seinem Bruder Ernst und Matsch gründete. Zusammen schufen sie Wandgemälde und Ausstattungen für zahlreiche Ringstraßengebäude, etwa für das Kunsthistorische Museum. Das MAK zeigt Studien für ihr Plakat zur „Internationalen Ausstellung für Musik und Theaterwesen“ 1892 in der Rotunde des Praters.

Rychlik erzählt dazu folgende Geschichte: Nach Ernst Klimts frühem Tod wurde der Originalentwurf zerschnitten; die Witwe erbte die attraktivere Hälfte mit den drei Musen, Gustav erhielt den Teil, der nur den Sockel mit dem Götterkopf Apollos darauf zeigt. Die Steinfläche des Podests wirkt wie eine leere Leinwand, die auf eine Inschrift wartet. Inspirierte sie Klimt auch zu seiner Beschäftigung mit der Flächigkeit in der Malerei? Auf alle Fälle füllte er die Leerstelle, die ihm sein toter Bruder hinterließ, auf bahnbrechende Weise mit Ornamentik.