1981 war weltpolitisch alles andere als ein unscheinbares Jahr. Im Mai überlebt Papst Johannes Paul II. ein Attentat. Und Ende des Jahres wird in Polen in der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft Solidarnosc das Kriegsrecht ausgerufen. In Deutschland wie in den benachbarten Niederlanden zieht es die Friedensbewegung auf die Straße. Und auch eine neue Umweltbewegung ist am Entstehen. Deutlich ist eine gewisse Frontstellung im Kalten Krieg, die ja im Fernsehen, wo der Aufstieg des kommerziell verwerteten Sports immer mehr um sich zu greifen beginnt, ausgetragen wird. Die Olympischen Sommerspiele von Moskau 1980 und anschließend in Los Angeles 1984 werden zu Demonstrationen verschiedener Blöcke und ihrer Symbolpolitik.
Die Auswirkungen des NATO-Doppelbeschlusses, also die Aufstellung neuer Atomsprengköpfe und Mittelstreckenwaffen in Europa bei gleichzeitigem Versuch, die Rüstung zu begrenzen, betreffen nicht zuletzt die BRD. Österreich und die Schweiz sind neutral, aber von der Stimmung in der Welt nicht abgekoppelt, wenngleich die Grenzhürden zwischen Österreich und den Nachbarn noch größer sind als später in Schengen-Zeiten.


Die Schaffung eines neuen, nicht zuletzt großen Unterhaltungsformats am Samstagabend war in den 1980er Jahren jedenfalls mehr als die eines heimeligen Lagerfeuers. Die Welt war schlichtweg alles andere als ein Idyll. Und alles, was an großem TV in der BRD entwickelt wurde, strahlte auch in die DDR ein – und wurde damit politisch. Wenn Kinder in der DDR nach der Art der Uhr im Fernsehen gefragt wurden, dann galt es an der Frage, ob Punkte oder Striche, zu ergründen, ob man ungewünschtes West- oder gewolltes Ostfernsehen schaute.
Der Medienumbruch Anfang der 1980er
Die beginnenden 1980er Jahre sind das Zeitalter eines Medienumbruchs, der auf einigen Säulen steht. Dem Fernsehen war es gelungen, wie etwa der Medienwissenschaftler Werner Faulstich in seiner Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts festhält, verschiedene Öffentlichkeiten zu bündeln und so etwas wie eine neue Öffentlichkeit für die unterschiedlichsten Kommunikations- und auch Unterhaltungszwecke zu schaffen.
Wetten aus Österreich
Schon immer waren Wetten auch aus Österreich dabei. Und die waren zum Teil richtig skurril. Hier die Top Fünf.
Von einer „Verhäuslichung“ spricht Faulstich in diesem Zusammenhang und meint schlicht, dass das Öffentliche tief in den privaten Haushalt eindringt. Zum anderen kommt mit der Lösung des „Video-Kriegs“ zwischen unterschiedlichen Systemen (Betamax von Sony, VHS von JVC oder Video 2000 von Philips/Grundig) und der Durchsetzung des VHS-Standards Anfang der 1980er Jahre die private Aufzeichenbarkeit von Fernsehen – aber auch mit einem neuen Speicher- und Abspielmedium eine neue Verteilungskette für Filme mit ins Spiel. Man musste eigentlich schon ab den 1980er Jahren nicht unbedingt mehr linear schauen. In dieser Gemengelage gelingt mit „Wetten, dass..?“ ein Unterhaltungsformat, das tatsächlich treffsicher in die Zeit passte – und eigentlich alle anderen Samstagabendshows im deutschsprachigen Raum in den Schatten stellte.

Als das Fernsehen die Familie ins Visier nahm
Das Fernsehen wurde zunehmend zum „Warenhaus“, das unterschiedliche Publikumsinteressen bedienen wollte – und nicht umsonst begann man in den 1970er Jahren damit, Zuschauerprofile zu erforschen und die unterschiedlichen Programmvorlieben mit Nutzergruppen zu verbinden.
Als „Wetten, dass..?“ 1981 zum ersten Mal als Koproduktion von ZDF, ORF und SRG auf den Markt kam, war die Samstagabendunterhaltung im Fernsehen eigentlich auf einem stagnierenden Niveau, das auch bedingt durch mangelnde Konkurrenz (wir sind immer noch im vor-dualen Zeitalter) in Höhen lag, die man mit der heutigen Zeit gar nicht vergleichen kann. Sendungen im Unterhaltungssegment durften nicht mehr nur Gesangsstars bieten – sondern sie mussten sich an die gesamte Familie richten und entsprechende Identifikationsfiguren für alle bereithalten.
Die treuesten Gäste
Iris Berben war mit elf Besuchen die treueste Wettpatin. Peter Maffay war mit 17 Auftritten als Musiker am häufigsten zu Gast, nach ihm belegen Udo Jürgens und Herbert Grönemeyer die Plätze.
Alle bekamen gleichzeitig an einem Abend nicht nur eine Unterhaltung, bei der Zeit und Überziehungen in der Sendelänge keine Rolle zu spielen schienen. „Wetten, dass..?“ wurde zum kollektiven Gesprächsangebot für die kommenden Tage. Ersehnen, Erleben und Erinnern – diese drei Komponenten machen nicht zuletzt das Lagerfeuer-TV-Erlebnis aus, das von „Wetten, dass..?“ wie keinem anderen bedient wurde. „Straßenfeger wie ‚Wetten, dass..?‘, die eine Woche in der medialen Öffentlichkeit waren, gibt es heute einfach nicht mehr“, bekannte der ehemalige ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm gerade gegenüber der Programmzeitschrift „TV Media“.
„Je eine Woche Aufbau, Proben, Abbau“
Auch wenn am kommenden Samstag Thomas Gottschalk und seine Komoderatorin Michelle Hunziker das seit sieben Jahren eingestellte Format in einer großen Jubiläumssendung wieder aufleben lassen, so wird die Antwort auf die in Medien aufgeworfene Frage, ob man auf eine Fortsetzung hoffen dürfe, wohl mit Nein zu beantworten sein. Eine Woche Aufbau, eine Woche Proben, eine Woche Abbau, so resümiert Böhm, der für die Sendung seitens des ORF ab dem Jahr 1999 zuständig war, die schon wirtschaftliche Unmöglichkeit, ein derartiges Sendeformat wiederzubeleben. Und da spricht man noch gar nicht von den geänderten Sehgewohnheiten in den digitalen 2020er Jahren.

Blickt man auf die Nutzungsszenarien aus den Anfangsjahren der Sendung, dann spricht man bei „Wetten, dass..?“ von einem heute unvorstellbaren Marktanteil zwischen 50 und 60 Prozent. Aus den Befragungsdaten des „kontinuierlichen Infratests“, der – vor dem 1991 eingeführten, sekundengenau messenden elektronischen „TELETEST“ – noch auf der Grundlage von Fernsehtagebüchern erhoben wurde, geht „Wetten, dass…?“ als zweiterfolgreichste Sendung im ORF innerhalb jener Zeit hervor. „Wetten, dass..?“ mit Frank Elstner vom 12. April 1986 kam damals auf 3,9 Millionen Zuseher. Einen besseren Wert erzielte nur „Ich heirate eine Familie“ im Weihnachtsprogramm 1984, als man vier Millionen Seherinnen und Seher erreichte.
Eine eigentlich simple Grundidee
Dass diese Show neben dem Aufwand und dem Staraufgebot ein derartiger Erfolg wurde, lag vielleicht an dem scheinbar simplen Grundeinfall zur Sendung, der Elstner nachts in der Küche gekommen sein will. „Warum wird im Fernsehen eigentlich nicht gewettet“, habe er sich während einer kreativen Pause vom Fernsehgeschäft gefragt. Dass diese Show am Ende ein derartiger Erfolg wurde, vor allem, dass die Wetten eigentlich nie ausgingen, das sei für ihn, Elstner, wie er der Deutschen Presseagentur verriet, doch überraschend gewesen.

Intelligente und gefährliche, kuriose und geschmacklose Wetten habe man an ihn herangetragen, erinnerte sich Elstner anlässlich der 100. Sendung und der Staffelholzübergabe an Thomas Gottschalk. So gab es den Vorschlag, das Alphabet zu rülpsen oder Luftballons mit dem Hintern aufzublasen. Elstner will alle Angebote gelesen haben. Überhaupt soll Elstner anders als sein Nachfolger Gottschalk ein akribischer Tüftler gewesen sein. Gottschalk wiederum, so erinnert sich Böhm, sei ein unglaubliches Improvisationstalent gewesen. Er sei lieber gut essen gegangen und habe den Regisseur dann gebeten, kurz zu sagen, „wie wir das alles machen“, erinnert sich Böhm.

„Are you crazy?“
Für die Fernsehabwicklung wurde gerade der Livecharakter der Sendung die große Herausforderung. Vieles ließ sich nicht planen, zeitlich wurde über alle Maßen überzogen. Das freilich, so Elstner, sei die Faszination der Sendung. „Are you crazy?“, soll Tom Hanks einmal am Ende einer Sendung gesagt haben. Nach dreieinhalb Stunden habe er einfach nicht mehr sitzen können.
Am Samstag will man in dem alten Glanz von „Wetten, dass..?“ noch einmal baden. „Ich habe im Vorfeld gesagt, erspart mir irgendwelche Influencer oder so was, ich komme, Udo Lindenberg kommt, mehr muss eigentlich nicht sein“, legte Gottschalk die Marschroute für seinen Wiederauftritt fest.

Kein Grund für Nostalgie
Irgendwelche „Früher war alles besser“-Nostalgie wollen Gottschalk und Hunziker nicht aufkommen lassen. „Wir werden die Show rocken und keine nostalgische Sendung machen, die nur in alten Erinnerungen schwelgt – wir tun also so, als wären wir nie weg gewesen, und machen da weiter, wo wir aufgehört haben“, so die Schweizer Moderatorin.

Das Showprogramm prägen neben Lindenberg Schlagerstar Helene Fischer und die ABBA-Frontmänner Björn Ulvaeus und Benny Andersson. Einmal mehr wird die Sendung Promo und Promi verbinden. Für die Jüngeren gibt es als Gäste das Moderatorenduo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sowie die aufstrebende Schauspielerin Svenja Jung.

Abschied und Wiederkehr
Gottschalk hatte sich ja seit seinem Abschied mit der Idee getragen, einmal pro Jahr eine Ausgabe der Sendung zu moderieren. Was das ZDF aber abgelehnt habe. Anlass für Gottschalks Ausstieg war ja der Unfall von Wettkandidat Samuel Koch, der seit dem Unfall in der Sendung gelähmt ist.
2011 hatte Gottschalk die Moderation auch in Folge des Unfalls von Koch niedergelegt. Moderator Markus Lanz versuchte zwischen 2012 und 2014 noch ein Revival. Aber „Wetten, dass..?“ hatte den Zenit überschritten. Oft war spekuliert worden, ob ein Stefan Raab oder Hape Kerkeling der Show ein Überleben hätten garantieren können. Vom Aufwand der Sendung her stand „Wetten, dass..?“ schon irgendwie gegen die Zeit.