Von einem „langen Weg“, der vor den Unterhändlern stehe, sprach der britische Premierminister Boris Johnson. Die Verhandlungen wurden zuletzt dadurch belastet, dass die Industriestaaten bisher weniger Hilfsgelder an ärmere Staaten gezahlt haben als versprochen. Bereits 2009 wurde auf der Klimakonferenz in Kopenhagen vereinbart, dass die Industriestaaten ihre Hilfen Jahr für Jahr erhöhen und ab dem Jahr 2020 eine jährliche Gesamtsumme von 100 Mrd. Dollar fließen soll.
Doch das wurde nicht erreicht: Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lag das Volumen der Klimahilfen 2019 unter 80 Mrd. Dollar, auch 2020 und 2021 wird die 100-Mrd.-Dollar-Marke nicht geknackt. Erst 2023 werde man das Ziel „definitiv“ erreichen, so der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Auch 2022 komme man sehr nah heran. Ein Bericht zur Umsetzung wurde von Deutschland und Kanada ausgearbeitet.

Der britische Finanzminister Rishi Sunak, COP26-Präsident Alok Sharma und die US-Finanzministerin Janet Yellen betonten indes, dass auch die Privatwirtschaft bei der Finanzierung der Krisenbewältigung eine wichtige Rolle spiele. Verwiesen wurde auf die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ), ein Klimabündnis aus mehr als 450 Banken und Vermögensverwaltern, nach eigenen Angaben für Investitionen im Gesamtumfang von 130 Billionen Dollar.
„Am wenigsten zu dieser Klimakrise beigetragen“
Doch die ärmeren Länder, die oft besonders schwer von der Klimakrise getroffen werden, zeigten sich in Glasgow enttäuscht über die bisherige finanzielle Unterstützung und den Mangel an Tatendrang der Industriestaaten. „Wir können nicht länger warten“, sagte Sonam Phuntsho Wangdi, ein Regierungsvertreter aus Bhutan und Sprecher einer Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder, am Mittwoch in Glasgow. „Wir haben am wenigsten zu dieser Klimakrise beigetragen.“
Die 46 Länder der von ihm vertretenen Gruppe, in denen insgesamt etwa eine Milliarde Menschen lebt, seien für nur ein Prozent der globalen klimaschädlichen Emissionen verantwortlich, so Wangdi. Gleichzeitig sind sie schon jetzt tagtäglich von der Klimakrise betroffen. „Wir sind abhängig von den Entscheidungen, die hier getroffen werden“, sagte Wangdi. Er rief die Staaten auf, sich auf eine Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 festzulegen – doch ein so ambitioniertes Ziel liegt in weiter Ferne.
„Schlagzeilen werden Planeten nicht retten“
Enttäuscht über die bisherigen Ergebnisse zeigten sich daher auch Klima- und Umweltschutzorganisationen aus aller Welt. „Diese Schlagzeilen werden nicht den Planeten retten“, sagte Harjeet Singh vom Climate Action Network, zu dem mehr als 1.500 Organisationen aus aller Welt gehören, am Mittwoch in Glasgow.
Bisher haben mehr als 100 Staaten in verschiedenen Allianzen etwa erklärt, die Abholzung des Waldes stoppen zu wollen sowie den Ausstoß des Treibhausgases Methan deutlich reduzieren zu wollen. Einige der bisherigen Ankündigungen seien ermutigend gewesen, aber alles in allem reichten sie bei Weitem nicht aus, um die Welt auf den angestrebten 1,5-Grad-Pfad zu bringen. „Es steckt viel Teufel im Detail“, sagte Singh. Klimagerechtigkeit müsse im Mittelpunkt stehen.
Wirbel um Covid-Beschränkungen
Mehrere Umweltschutzorganisationen beklagten zudem erhebliche Zugangsbeschränkungen für Fachleute. Von den Tausenden zivilgesellschaftlichen Vertretern, die nach Glasgow gereist seien, hätten nur vier die Genehmigung bekommen, die internationalen Verhandlungen als offizielle Beobachter zu begleiten, kritisierte Teresa Anderson von Actionaid International. Als „Katastrophe“ bezeichnete der Direktor von Power Shift Africa, Mohamed Adow, den Ausschluss zivilgesellschaftlicher Akteure.
Seitens des Gipfels wurde auf die Pandemie verwiesen. UNO-Klimachefin Patricia Espinosa rief am Mittwoch dazu auf, die Einschränkungen durch die Pandemie zu berücksichtigen. „Die Tatsache, dass wir in einem Covid-Kontext arbeiten, hat die Voraussetzungen komplett verändert, unter denen wir Ihnen die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen können“, sagte sie vor Journalisten.
Bürgermeister von LA positiv getestet
Am Mittwoch hatte zudem die schottische Forscherin Devi Sridhar von der Universität Edinburgh angesichts des großen Andrangs vor den Ansteckungsrisiken gewarnt. Am Abend wurde dann auch ein nachgewiesener CoV-Fall vermeldet: Der Bürgermeister der US-Metropole Los Angeles, Eric Garcetti, wurde während seiner Teilnahme positiv auf das Virus getestet und begab sich daraufhin in Selbstisolation. Es handelt sich um einen Impfdurchbruch. Garcetti hatte noch in der Früh an einem Empfang mit mehr als 40 Menschen teilgenommen. Dabei waren auch der britische Premierminister Boris Johnson und Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon anwesend.
Am Einlass des Zentrums muss täglich ein negativer Schnelltest vorlegt werden. Im Vorfeld hatte der Gastgeber zudem eine vollständige Impfung empfohlen. Es bestehe die Gefahr, dass sich das Virus von den Delegierten aus auf die lokale Bevölkerung ausweite. Es gebe bereits erste Anzeichen, dass die Zahlen wieder steigen könnten.
Welt steuert auf 2,7 Grad zu
Mit ihren aktuellen Plänen steuert die Welt der UNO zufolge auf 2,7 Grad Erderwärmung zu. Auf solch einem Niveau würde die Welt „unbekanntes Terrain betreten. Wir würden auf einem anderen Planeten leben als heute“, sagte der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung der dpa auf der Weltklimakonferenz in Glasgow.
Das würde eine so stark zunehmende Häufigkeit von Extremereignissen wie Dürren, Überschwemmungen, Bränden, Krankheiten oder Hitzewellen bedeuten, dass diese der Menschheit ein angemessenes Leben auf der Erde beinahe unmöglich machen würden, so Rockström. Dabei entwickeln sich die Sektoren sehr unterschiedlich. Relativ gut auf „Paris-Kurs“ liegt der Energiesektor, sehr schlecht hingegen Verkehr und Landwirtschaft – mehr dazu in science.ORF.at.
Überschattet wurde die Klimakonferenz auch von einem Schlagabtausch zwischen Regierungen der USA, Russlands und Chinas. US-Präsident Joe Biden hatte am Dienstag die Abwesenheit des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Konferenz kritisiert. Der Klimawandel sei ein „gigantisches Problem“, „und sie sind weggegangen“, sagte Biden. Peking und Moskau wiesen die Vorwürfe am Mittwoch zurück.
Gewessler sieht großen Handlungsbedarf
Dass bisher zu wenig getan wurde, sagte am Mittwoch auch Umweltschutzministerin Gewessler, die am Sonntag mit dem Zug zum Klimagipfel reisen will. Die Einigung in Paris bei COP21 sei ein unbestritten großer Schritt gewesen, seitdem seien aber viele Staaten zögerlicher geworden oder seien bei der Umsetzung nicht mitgegangen. Das Pariser Klimaabkommen dürfe bei der Weltklimakonferenz COP26 nicht nur am Leben erhalten, sondern müsse mit „Leben erfüllt“ werden.

„Auch in Österreich ist die Klimakrise angekommen“, so Gewessler. Naturereignisse wie die Überschwemmungen im Sommer hätten das deutlich gezeigt. Während die EU bis 2050 klimaneutral werden will, möchte die österreichische Regierung dieses Ziel bis 2040 erreichen.
Weiter Warten auf Klimaschutzgesetz
Ein nationales Klimaschutzgesetz, das die Klimaziele rechtlich verankert, liegt trotzdem weiterhin nicht vor. Die Verhandlungen würden laufen, Gewessler hofft auf ein baldiges Vorliegen eines Begutachtungsentwurfs. Bei der Weltklimakonferenz in Glasgow gebe es nun zwei zentrale Säulen, die besprochen gehörten: die offenen Punkte und die Architektur des Pariser Klimaabkommens abzuschließen und die Staaten dazu zu bringen, entsprechend zu handeln.
Bei der Umsetzung des Pariser Vertrags gelte es etwa, gemeinsame Regeln für den internationalen Emissionshandel zu vereinbaren. Zertifikate aus Kyoto sollten nicht mehr gelten, der Markt sei derzeit überschwemmt, das würde auch die Bilanz verfälschen. Wichtig seien zudem ein Fahrplan zur Klimafinanzierung und auch die Frage, wer genau bei den Folgen des Klimawandels wie dem Anstieg des Meeresspiegels den Betroffenen hilft und wer die Verantwortung trägt. Reichere Staaten sollten ihre Beiträge zur Finanzierung erhöhen.
Greenpeace: Handlungsbedarf auch in Österreich
Gewessler müsse sich für echten Klimaschutz starkmachen, dem globalen Emissionshandel eine Absage erteilen und die Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer deutlich erhöhen, forderte Greenpeace in einem Statement. Aber auch daheim müsse die Ministerin aktiv werden. „Österreich braucht endlich ein längst überfälliges Klimaschutzgesetz und einen Stopp veralteter Mega-Straßenbauprojekte. Der Lobau-Autobahn muss ein für alle Mal eine Absage erteilt werden, wenn Österreich seine Klimaziele erreichen will“, sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.