US-Präsident Joe Biden
AP/Evan Vucci
Biden vor einem Jahr gewählt

Ein Rückschlag jagt den nächsten

Vor genau einem Jahr ist Joe Biden zum Nachfolger Donald Trumps gewählt worden. Seither lief es für Biden im Weißen Haus nicht rosig: Erneut steigen die CoV-Zahlen, und der überhastete Abzug aus Afghanistan hinterließ tiefe Spuren. Nun bangt Biden auch noch um seine dünne Mehrheit im Kongress.

Für die „demoralisierten Demokraten“ sei es eine harte Wahlnacht gewesen, so CNN am Mittwoch. Es gebe „ernsthafte Warnsignale“ an Bidens Partei, sie habe die „Stimmung der Nation falsch eingeschätzt“. In dieser Wahlnacht am Dienstag verloren die Demokraten ihren Gouverneurssitz in Virginia, nun übernimmt der Republikaner Glenn Youngkin den bisher demokratischen Bundesstaat. Youngkin landet nach Hochrechnungen von US-Sendern vom Mittwoch mit zwischen zwei und drei Prozentpunkten vor dem demokratischen Rivalen Terry McAuliffe.

Für die Demokraten war es ein gewonnen geglaubtes Rennen. McAuliffe war bereits zwischen 2014 und 2018 Gouverneur von Virginia, zudem wurde er im Wahlkampf von Biden unterstützt. In den Umfragen lag er lange klar vor Youngkin, der Vorsprung schmolz aber in den vergangenen Wochen immer mehr ein. Schließlich gratulierte McAuliffe Youngkin am Mittwoch zum Sieg.

Der designierte US-Gouverneur Glenn Youngkin
AP/Steve Helber
Youngkin gewann Virginia für die Republikaner

Aufgerieben zwischen Flügeln

Für Biden ist der Verlust von Virginia ein schlechtes Omen. Die Demokraten müssen sich längst für die Kongresswahlen, die nächstes Jahr am 8. November stattfinden, in Stellung bringen. Biden selbst ist genau vor einem Jahr gewählt worden. Bei der Präsidentschaftswahl gewann er in Virginia noch mühelos. Seither hat der Demokrat an mehreren politischen Fronten zu kämpfen.

So versucht er seit Langem vergeblich, zwei Investitionspakete durch den Kongress zu bringen. Biden scheiterte damit aber bisher an Flügelkämpfen zwischen den Progressiven und den Gemäßigten in seiner eigenen Partei.

Republikaner gewinnt Virginia-Wahl

Der Republikaner Glenn Youngkin hat laut Hochrechnungen der US-Fernsehsender die Gouverneurswahl im US-Bundesstaat Virginia gewonnen. Youngkin schlug bei der Wahl am Dienstag mit 2,7 Prozentpunkten Vorsprung knapp seinen Rivalen Terry McAuliffe von der Demokratischen Partei.

Daneben ließ der chaotische Abzug aus Afghanistan den Präsidenten nicht gut dastehen. Mit der nahezu kampflosen Einnahme von Kabul eroberten die radikalislamischen Taliban inmitten des US-Truppenabzugs aus Afghanistan die Macht zurück. Es folgte ein fieberhafter Evakuierungseinsatz für westliche Bürgerinnen und Bürger sowie afghanische Ortskräfte, der von einem Selbstmordanschlag mit Dutzenden Toten überschattet wurde.

Schleppende Erholung

Auch der Elan Bidens in der Pandemiebekämpfung wurde ausgebremst. Zunächst gingen die CoV-Zahlen dank einer rasanten Impfkampagne stark zurück. Der Kongress bewilligte zudem ein riesiges Hilfspaket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar (1.641 Milliarden Euro).

Doch die Delta-Variante machte der guten Entwicklung einen Strich durch die Rechnung, über den Sommer stiegen die Zahlen wieder an, während jene der Impfungen abflaute. Biden setzt auf Impfpflicht in vielen Bereichen – ein Thema, das in den USA auch stark polarisiert. Auch der Wirtschaftsaufschwung läuft nur schleppend – hinzu kommen Lieferengpässe infolge der Pandemie.

Biden konnte auch Erfolge verbuchen, er führte die USA etwa in das Pariser Klimaschutzabkommen zurück und machte sich daran, das Verhältnis zu historischen Verbündeten in Europa wieder zu kitten. Andere Wahlversprechen, etwa eine Verschärfung des Waffenrechts oder Polizeireformen nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz haben so gut wie keine Aussichten auf Umsetzung.

Biden zum Wahlergebnis in Virgina

Die Demokraten haben den Gouverneursposten im US-Bundesstaat Virginia an die Republikaner verloren. US-Präsident Joe Biden wich der Frage nach seiner eigenen Verantwortung für die Wahlrückschläge der Demokraten aus.

Popularität gesunken

Bidens Zustimmungswerte sind nach fast einem Jahr im Weißen Haus schlecht wie nie seit seinem Amtsantritt. Laut der jüngsten Umfrage von Reuters-Ipsos billigen 48 Prozent der Befragten Biden als Präsidenten, gegenüber fast 60 Prozent zu Beginn seiner Präsidentschaft.

US-Militärflugzeug beim Verlassen von Kabul
APA/AFP/Aamir Qureshi
Der Abzug aus Afghanistan geriet für Biden zum Debakel

Die Alarmglocken in der demokratischen Parteizentrale schrillen also, auch wenn die Kongresswahlen erst in zwölf Monaten stattfinden. Sie könnten dann die Mehrheit im Kongress verlieren. Sollte das auch nur in einer der beiden Kammern passieren, hätte Biden faktisch keine Chancen mehr auf gesetzgeberische Initiativen. Das wiederum könnte die Chancen der Demokraten mindern, bei der Präsidentschaftswahl 2024 das Weiße Haus zu verteidigen. Ob Bidens Kontrahent Trump dann tatsächlich wieder antreten wird, ist ungewiss. Er deutete es aber wiederholt an und schmiedete zuletzt Pläne für eine eigene Onlineplattform.

Larry Sabato, Direktor des Zentrums für Politik der University of Virginia, sagte zu Reuters, die Ergebnisse von Virginia seien für die Demokraten ein äußerst schlechtes Zeichen. „Die Leute wollen, dass die Pandemie gemeistert wird, Lieferketten wieder anspringen, die Inflation im Griff ist und andere wirtschaftliche Probleme gelöst werden.“ Die Erwartungen seien bisher nicht erfüllt worden. „Sie hätten sich einen kompetenten Präsidenten erwartet, der jedes Problem nacheinander abhakt. Das wollten die Leute nach Trump.“