Das Logo der Social-Media-Plattform Facebook auf einem Tablet
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
Schadensbegrenzung

Facebook an allen Fronten unter Druck

Der US-Gigant Facebook versucht sich mit unterschiedlichen Taktiken aus dem derzeitigen Imagetief zu befreien. Nach der angekündigten Umbenennung des Unternehmens in Meta kündigte der Konzern nun an, die umstrittene Gesichtserkennungsfunktion aufzugeben. Doch es droht schon neues Ungemach für Facebook.

Vor rund einem Monat versetzte die Whistleblowerin Frances Haugen dem Internetriesen einen schweren Schlag. Die frühere Mitarbeiterin hatte eine enorme Sammlung interner Unterlagen heruntergeladen und dem US-Kongress, Behörden sowie ausgewählten Medien zur Verfügung gestellt.

Die Informationen belegten ihr zufolge, dass der Konzern Profite über das Wohl seiner Nutzer und Nutzerinnen stellt. So seien interne Hinweise auf für Nutzer schädliche Entwicklungen ignoriert worden. „Ich glaube, dass die Produkte von Facebook Kindern schaden, Spaltung anheizen und unsere Demokratie schwächen“, sagte Haugen.

Nicht erst seit dieser Aussage steht Facebook in der Kritik, ein Datenkrake zu sein und Einfluss auf politische Stimmungen zu nehmen. Schon davor wollten Regulierer und Politik rund um den Globus seine Marktmacht eindämmen und Falschinformationen und Hassrede einen Riegel vorschieben. Gerade in Europa kämpft Facebook gegen Widerstand. Zuletzt startete die EU-Kommission eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Wettbewerbsverstöße beim Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace.

Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen
Reuters/Michele Tantussi
Frances Haugen packte nach ihrer Zeit bei Facebook aus

Keine automatische Erkennung mehr

Facebook befindet sich nun in einem Imagetief, und sein Gründer Mark Zuckerberg versucht seither, den Schaden zu begrenzen. Am Dienstag kündigte der Internetgigant an, die Gesichtserkennung auf seiner Plattform abzuschaffen. Die Funktion, die Gesichter von Freundinnen und Freunden auf Fotos erkennen und markieren kann, ist seit Jahren umstritten.

Gespeicherte Daten zur Identifizierung der Gesichter von mehr als einer Milliarde Menschen würden gelöscht, kündigte Facebook an. In der Gesellschaft gebe es Sorgen wegen des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologie – und Regulierer seien immer noch dabei, Regeln dafür zu entwickeln, hieß es zur Begründung. Zuletzt mussten die Nutzerinnen und Nutzer bereits ausdrücklich zustimmen, damit ihre Namen auf Fotos angezeigt wurden.

Festhalten an Technologie

Von der Technologie selbst will Facebook aber nicht lassen. Man sehe weiter Einsatzmöglichkeiten etwa zur Anmeldung auf einem Account und zum Entsperren eines Geräts, hieß es weiter. Daran werde weiterhin gearbeitet – mit gebührender Transparenz. Auch zur Identifizierung bei Finanzdiensten könne die Gesichtserkennung nützlich sein. Facebook arbeitet unter anderem an einer digitalen Geldbörse für die im Konzern entwickelte Digitalwährung Diem, die ursprünglich unter dem Namen Libra bekannt war.

Brodnig über neuen Facebook-Namen

Facebook will sich in Meta umbenennen. Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig erklärt, warum Facebook gerade jetzt seinen Namen ändern will.

Mit der Einstellung der Gesichtserkennung würden auch in bisherigen Fotos keine Namen mehr angezeigt, betonte Facebook. Für Nutzer, die die Funktion nicht aktiviert haben, ändere sich nichts, da auch keine Daten zur Gesichtserkennung gelöscht werden müssten.

Die Funktion hatte Facebook bereits mehrfach Probleme beschert. So zahlte der Konzern im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Milliarde Dollar, um eine Klage im US-Bundesstaat Illinois beizulegen. Der Staat hat seit 2008 ein Gesetz, das das Sammeln biometrischer Daten ohne Einverständnis der Betroffenen verbietet. Die Kläger warfen Facebook vor, es mit der Erstellung von Profilen zur Erkennung der Gesichter in Fotos verletzt zu haben.

Schlupflöcher im System

Die Ausbreitung von Technologie zur Gesichtserkennung wurde in den vergangenen Jahren zunehmend kritisch gesehen. Dazu trug auch die Firma Clearview AI bei, die eine gewaltige Datenbank auf Basis öffentlich verfügbarer Fotos aus Onlinenetzwerken und Diensten wie Instagram zusammenstellte. Clearview AI bietet seine Dienste nach eigenen Angaben ausschließlich der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden an.

Die Methoden der Datensammlung verstärkten jedoch die Sorge vor einer unkontrollierten Ausbreitung der Technologie. Facebook und andere Dienste versuchen, dem Herunterladen von Bildern in großen Mengen einen Riegel vorzuschieben. Firmen wie Clearview gelang es jedoch immer wieder, die Maßnahmen zu umgehen.

Alles neu bei Meta?

Zuvor hatte Zuckerberg eine weitreichende Neuerung eingeführt, um das Image von Facebook zu verbessern: eine Umbenennung des Gesamtkonzerns in Meta. Er wolle damit den Fokus auf die neue virtuelle Umgebung „Metaverse“ lenken, in der er die Zukunft der digitalen Kommunikation und auch seines Unternehmens sehe, so Zuckerberg. Dort sollen physische und digitale Welten mittels virtueller (VR) und erweiterter Realität (AR) zusammenkommen, hieß es. „Wir werden heute als Social-Media-Unternehmen gesehen, aber im Kern sind wir ein Unternehmen, das Menschen verbindet“, sagte Zuckerberg.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg während der Präsentation des Rebrands von Facebook als Meta
Reuters/Facebook
Mit Umbenennung zur Imagekorrektur? Zuckerberg stellte Meta vor.

Die Metaverse-Pläne wurden mitunter stark kritisiert. Einer der frühesten Investoren in Facebook, Roger McNamee, sagte am Donnerstag gegenüber der BBC, Facebook solle nicht erlaubt werden, ein „dystopisches Metaversum“ zu bilden. „Es ist eine schlechte Idee, und die Tatsache, dass wir alle zusammensitzen und das so sehen, als wäre es normal, sollte alle alarmieren“, so McNamee, der heute zu den schärfsten Kritikern des Konzerns zählt.

„Noch mehr Mikrofone und Sensoren“

Auch die Whistleblowerin Haugen kritisierte das Metaverse-Vorhaben. „Mir persönlich macht der Gedanke Angst, noch mehr Mikrofone und Sensoren von Facebook in unsere Häuser und Büros zu bringen und uns davon ausspionieren zu lassen, während wir keine Ahnung haben, wie sie die Daten verwenden“, sagte Haugen. Facebook habe wiederholt gezeigt, dass man dem Unternehmen nicht trauen könne und dass die öffentlichen Aussagen nicht mit den Entwicklungen im Konzern übereinstimmten.

Scharfe Kritik übte sie an der Umbenennung des Konzerns. Sie sehe darin den Versuch, die Aufmerksamkeit von der Debatte über von Facebook ausgelöste ethnische Gewalt auf Videospiele zu lenken. „Die Tatsache, dass Facebook sich 10.000 Entwickler für Videospiele leistet, aber nicht für Sicherheitssysteme, zeugt meiner Meinung nach von einer eklatanten Führungsschwäche.“

Ein Sprecher des Meta-Konzerns wies diese Verknüpfung am Donnerstag als einen „lächerlichen Vergleich“ zurück. „Es ist nicht so, dass ein Unternehmen nur neue Technologien entwickeln oder in die Sicherheit der Menschen investieren kann.“ Meta mache beides. Man gebe allein 2021 fünf Milliarden Dollar für Sicherheit aus.

Haugen vor EU-Parlament

Die aktuelle Entscheidung, die Funktion zur Gesichtserkennung einzustampfen, begrüßte Haugen am Mittwoch gegenüber der dpa. „Ich glaube, das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir eine harte Position gegenüber Facebooks Handeln einnehmen“, sagte sie. „Denn wenn wir uns zusammenschließen und vernünftige Dinge fordern, können wir Fortschritte erreichen.“

Haugen will am Montag im EU-Parlament in Brüssel zu einer Anhörung erscheinen. Die Abgeordneten wollen mit ihr über „die negativen Auswirkungen der Produkte und Geschäftsmodelle großer Technologieunternehmen auf die Nutzer“ diskutieren. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an zwei großen Gesetzesvorhaben für eine Regulierung des digitalen Raums. Das Gesetz für digitale Märkte (DMA) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das Gesetz für digitale Dienste (DSA) geht gesellschaftliche Fragen an. In beiden Punkten könnte es für Facebook neuen Gegenwind geben.

Angst um Sicherheit

Haugen äußerte auch Sorgen um ihre eigene Sicherheit. „Wovor ich am meisten Angst habe, ist vermutlich nicht Facebook, sondern dass es eine Menge Leute gibt, die davon profitieren, wie das System heute funktioniert.“ Sie befürchte, dass diese Leute Gerüchte über sie verbreiten könnten, die irgendjemanden radikalisierten.

„Ich denke, es gibt die Möglichkeit, dass jemand Verschwörungstheorien über mich glauben und mir Schaden zufügen könnte“, sagte die 37-Jährige. So stoße sie auf Twitter auf extreme Ideen über sich. Sie sei auch um ihre Familie besorgt: „Ich lese Bedrohungsanalysen über Leute, die sich im Dark Web über meine Mutter unterhalten.“ Haugen genießt allerdings als Whistleblowerin Schutz nach US-Recht.