Zehn Jahre nach Enttarnung von NSU: Viele Fragen offen

Zehn Jahre nach dem Auffliegen der rechtsextremen deutschen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) sehen Opferanwälte noch viele Fragen offen. „Wir haben heute mehr offene Fragen als vor zehn Jahren“, sagte der aus dem NSU-Prozess als Nebenklagevertreter bekannte Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler heute im ZDF-„Morgenmagazin“.

Die Opferanwältin Seda Basay Yildiz kritisierte einen mangelnden Aufklärungswillen des Staates. „Wir konnten so viele Punkte nicht aufklären, weil wir die Akten nicht bekamen oder weil Zeugen, besonders V-Leute, keine umfassende Aussagegenehmigung hatten“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Aufklärung nicht abgeschlossen“

Auch die Opposition im deutschen Bundestag bemängelte staatliche Versäumnisse. „Die versprochene vollständige Aufklärung und Aufarbeitung des NSU-Komplexes ist bis heute nicht abgeschlossen“, so die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter. Es dürfe kein Schlussstrich gezogen werden. Auch kritisierten sie eine „vorschnelle Konzentration auf vermeintliche Einzeltäter“.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte auf Twitter „eine Sicherheitspolitik, die rechtsextreme Netzwerke sichtbar macht und wirksam bekämpft“. Rechter Gewalt müsse auf allen Ebenen entschlossen entgegengetreten werden.

Geheime Berichte sehen schwere Mängel

Die Tageszeitung „taz“ konnte eigenen Angaben zufolge zwei geheime Berichte des hessischen Verfassungsschutzes zum NSU einsehen. Diese sind für die Öffentlichkeit noch bis 2044 gesperrt. Laut „taz“ räumt das Amt darin schwere Mängel in der eigenen Arbeit vor Auffliegen des NSU ein. Es habe in der Abteilung „Beschaffung“, die unter anderem Observationen leite, Chaos bei der Aktenführung gegeben.

In den Akten hätten sich keine Bezüge zu den Rechtsterroristen des NSU und ihren Straf- und Gewalttaten gefunden. Eine „abschließende Sicherheit“, dass es in Hessen keine weiteren NSU-Bezüge gab, lasse sich aber „nicht ableiten“. Der NSU ermordete in Hessen eines seiner Opfer. Halil Yozgat wurde am 6. April 2006 in seinem Internetcafe in Kassel erschossen.

Zehn Morde

Die rechtsextreme Zelle hatte über Jahre hinweg insgesamt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle verübt. Unter den Ermordeten des NSU waren neun Menschen mit Migrationshintergrund, dazu eine Polizistin. Der Zusammenhang zwischen den Taten wurde erst bekannt, nachdem am 4. November 2011 die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot aufgefunden wurden und Bekennervideos auftauchten.