Das US-amerikanische U-Boot USS Connecticut
AP/U.S. Navy/Thiep Van Nguyen II
Schlamperei

„Rätselhafte“ Kollision in der Tiefe geklärt

Die Kollision eines US-U-Bootes in strategisch heiklen Gewässern des Südchinesischen Meeres mit einem vorerst unbekannten Objekt vor etwa vier Wochen hat zu allen möglichen Spekulationen geführt. Mittlerweile ist klar: Die „USS Connecticut“, ein hochmodernes Atom-U-Boot, hat ganz einfach einen Felsen gerammt. Schuld daran waren offenbar Seekarten und eine nicht ganz aufmerksame Mannschaft.

Ziemlich genau einen Monat nach dem Zwischenfall vom 2. Oktober war der Untersuchungsbericht der US-Marine fertig. Ergebnis: Die „USS Connecticut“ („SSN-22“) war unter Wasser mit einem großen Felsen, der auf keiner Karte zu sehen gewesen war, kollidiert. Mehrere Besatzungsmitglieder wurden verletzt, das U-Boot beschädigt. Es liegt laut Bericht des US-TV-Senders CNN zur Reparatur auf einem Dock auf der Insel Guam im Westpazifik. Der Reaktor des U-Bootes sei nicht beschädigt worden, hieß es.

Aber wie konnte es zu dem Vorfall kommen, fragte CNN nun Wochen später. Das U-Boot der „Seawolf“-Klasse, eines Typs atomgetriebener Jagd-U-Boote der US-Navy, gelte als eine Art „Luxussportwagen“ unter den Unterseebooten. Es sei ein drei Mrd. Dollar (knapp 2,6 Mrd. Euro) teures Stück hochmoderner US-Militärtechnologie, „ausgestattet mit den neuesten elektronischen Spielereien“, die es nur gebe, wenn der Preis egal sei.

Kommandierende abgelöst

Doch trotz seines stolzen Preises und seines technischen Standards sei das U-Boot geradeaus in die felsige Erhebung unter Wasser gekracht, hieß es in dem US-Sender. Immerhin, so habe die US-Marine betont, habe es seinen Weg von fast 3.000 Kilometern in Richtung Dock noch problemlos zurücklegen können.

Ein F18-Jet landet im südchinesischen Meer auf dem US-Flugzeugträger USS Ronald Reagan
AP/U.S. Navy/Mass Communication Specialist 2nd Class Samantha Jetzer
Der Zwischenfall ereignete sich im Südchinesischen Meer, wo einander die USA und China regelmäßig kritisch nahe kommen

Das Pentagon äußerte sich laut CNN nur zurückhaltend zu den Schäden am Boot bzw. dazu, wie lange es nicht einsatzbereit sein wird. Über den Vorfall hatte als erstes das U. S. Naval Institute (USNI) berichtet. Am Donnerstag, hieß es weiter, habe die Marine dann einen Hinweis darauf gegeben, was vor dem Unfall an Bord passiert sein könnte.

Zusammengefasst gesagt dürfte Unaufmerksamkeit – um nicht zu sagen Schlamperei – eine der Ursachen gewesen sein, höhere Gewalt ist eher ausgeschlossen, nachdem die Kommandierenden der „USS Connecticut“ abgelöst wurden: darunter der Kapitän des U-Bootes, Commander Cameron Aljilani, der Erste Offizier Lieutenant Commander Patrick Cashin und Sonar-Unteroffizier Cory Rodgers. ABC News nannte „Vertrauensverlust“ als Ursache.

Blinde Flecken in der Tiefe

CNN wiederum zitierte den Kommandierenden der 7. US-Flotte, Vizeadmiral Karl Thomas, mit den Worten, dass richtige Entscheidungen, gewissenhafte Navigation, Aufmerksamkeit und Risikomanagement das Unglück hätten verhindern können. Die Welt unter Wasser verzeihe nichts, selbst kleine Fehler könnten große Folgen nach sich ziehen.

U-Boot-Fahren sei „hart, sehr hart“, sagte Thomas Shugart, früher selbst Kommandant und elf Jahre auf einem Boot, gegenüber CNN. An der Wasseroberfläche könnten sich „normale“ Schiffe und U-Boote auf Satellitennavigation verlassen und so ihre Position stets genau bestimmen. Tief unter Wasser gehe das nicht. Dort seien U-Boot-Besatzungen auf Kompass und Karte angewiesen.

Strategisch heikle Region

Dafür wird der Meeresboden mit Hilfe von Sonar kartografiert. Doch das sei teuer und zeitaufwendig. 80 Prozent des Meeresbodens weltweit sind deshalb laut CNN nicht kartografiert. Im strategisch heiklen Südchinesischen Meer, in dem unterschiedlichste territoriale Ansprüche erhoben werden und das vor allem gleichermaßen Aufmarschgebiet Chinas und der USA ist, seien es weniger als 50 Prozent, berichtete CNN und zitierte dazu David Sandwell, Professor für Geophysik an der Scripps Institution of Oceanography in Kalifornien, einem renommierten Meeresforschungszentrum. Deshalb sei es „nicht überraschend“, wenn es dort zu derartigen Unfällen komme. Wo genau der Unfall passierte, habe die US-Marine nicht publik gemacht.

„Oberfläche des Mondes besser kartografiert“

Offiziell habe es geheißen, er sei „in indopazifischen Gewässern“ passiert – eine recht ungenaue Ortsangabe. Aus dem US-Verteidigungsministerium sei allerdings zu CNN durchgedrungen, dass der Zwischenfall im Südchinesischen Meer geschehen sei. Mit Hilfe von Satellitenbildern und Profilen des Meeresbodens sei es Sandwell gelungen, 27 mögliche Orte, an denen die „Connecticut“ den Felsen gerammt haben könnte, zu identifizieren.

Sonare, über die die Boote selbst verfügen, würden eher sparsam eingesetzt. Sie verraten zu viel. Ihr „Ping“-Geräusch, ständig zu hören in U-Boot-Filmen, verriete dem potenziellen Gegner die Position der Kriegsschiffe, sagte Ex-U-Boot-Kommandant Shugart.

Die Technologie, bei der die Umgebung mittels Schallwellen „abgetastet“ wird, sei die einzige Möglichkeit, auf den Meeresboden zu sehen, allerdings wolle man sie nicht mehr verwenden als unbedingt notwendig. Also blieben vielleicht 20 Sekunden Zeit. „Es macht viel Lärm.“ Und grundsätzlich sei „die Oberfläche des Mondes besser kartografiert als der Boden der Ozeane“.

Kein Einzelfall

Der Unfall der „USS Connecticut“ war kein Einzelfall in der jüngeren U-Boot-Geschichte. CNN verwies etwa auf die Kollision der „USS San Francisco“, gleichfalls eines Jagd-U-Bootes, im Jänner 2005 mit einem Felsen etwa 560 Kilometer südlich des US-Außenpostens Guam im Pazifik. Damals kam ein Besatzungsmitglied ums Leben, 97 weitere aus der Crew von 137 Personen an Bord wurden verletzt.

Das US-amerikanische U-Boot USS San Francisco
AP/Yonhap
Auch die „USS San Francisco“ kollidierte aus ähnlicher Ursache 2005 im Pazifik mit einem Felsen

Damals habe eine Untersuchung der Marine ergeben, dass die „San Francisco“ mit Höchstgeschwindigkeit in einer Tiefe von etwa 160 Metern unterwegs gewesen sei, als sie – wie die „Connecticut“ im Oktober – einen Felsen rammte. Auch der sei nicht in der Karte, welche die Kommandierenden verwendet hatten, eingezeichnet gewesen. Allerdings sei er auf anderen Karten sehr wohl erfasst gewesen. Folglich wurde auch damals Fahrlässigkeit als einer der Gründe für den Unfall genannt.