Presserat: Artikel auf Oe24.at verstieß gegen Ehrenkodex

Ein Artikel auf Oe24.at hat nach Auffassung des Presserats den Ehrenkodex der österreichischen Presse verletzt. Beim mit „Angebliches ‚MeToo-Opfer‘ schrieb ÖSTERREICH-Chef Liebesbrief“ betitelten Text von 6. Mai 2021 vermisste der Senat 1 Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche sowie eine Unterscheidbarkeit von Bericht und Kommentar, hieß es heute in einer Aussendung.

Im Artikel wird behauptet, dass sich zwei Krone.tv-Moderatorinnen verbündet hätten, um den Ruf von Medienmacher Wolfgang Fellner zu schädigen. Damit wird Bezug genommen auf die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den „Österreich“-Chef, die seine ehemalige Mitarbeiterin Raphaela Scharf und in weiterer Folge auch Katia Wagner erhoben haben.

Letztere habe dem Oe24.at-Bericht zufolge eine freundschaftliche Beziehung zu Fellner gehabt und diesem auch Geschenke überreicht, darunter einen Blumenstrauß mit dem im Titel erwähnten Begleitbrief aus dem Jahr 2017. Weiters wird Fellner damit zitiert, „dass er fassungslos über so ein Höchstmaß an Unwahrheiten und Intrige sei, die in diesem Fall von einigen Konkurrenzmedien aus reinem Hass und Neid manipulativ mit einer Kampagne unterstützt würden“.

Inhalt sei neutral wiederzugeben

Der Senat 1 des Presserats hat nach einer Lesermitteilung ein Verfahren eingeleitet, an dem die Medieninhaberin von Oe24.at teilnahm. Deren Rechtsanwalt argumentierte, dass die Kontaktaufnahme durch Wagner von hohem Nachrichteninteresse sei, da sie den Vorwurf der Belästigung durch Fellner widerlege.

Zudem wurde die Echtheit der zitierten Briefe als „unstrittig“ bezeichnet, weshalb keine Stellungnahme von Wagner eingeholt wurde.

Die Zuverlässigkeit der Quelle bestätigte der Senat zwar, betonte aber gleichzeitig, dass deren Inhalt „neutral“ wiederzugeben und „bei dessen Interpretation die notwendige Objektivität aufzubringen“ sei. Letztlich werde Wagner durch den Artikel in ein negatives Licht gerückt.

„Sichtweise Wagners kommt nicht vor“

„Die Sichtweise Wagners zu den Motiven für ihren Brief kommt im Artikel nicht vor“, so der Senat, weshalb der Text als „unausgewogen und verzerrend“ bezeichnet wird. Da der Artikel zudem formal wie ein neutraler Bericht gehalten ist und nicht als Kommentar ausgewiesen wurde, seien die darin enthaltenen Wertungen problematisch.

Die Medieninhaberin von Oe24.at hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt. Sie wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.