Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der ORF-„Pressestunde“
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Kogler in „Pressestunde“

Lockdowns als „allerletzte Konsequenz“

Im Hinblick auf das rasant steigende Infektionsgeschehen in Österreich hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ keine Maßnahmen ausgeschlossen – regionale Lockdowns wären aber „die allerletzte Konsequenz“. Am Arbeitsplatz sprach er sich für PCR-Tests aus – dazu müsse man aber erst die Voraussetzungen schaffen.

Auch am Wochenende ist die Zahl der Neuinfektionen weiter auf enorm hohem Niveau: Die Ministerien meldeten am Sonntag 8.554 neue Fälle. Im Gespräch mit Simone Stribl (ORF) und Susanne Puller von der APA sagte Kogler, dass es in erster Linie darum gehe, „dass wir das Gesundheitssystem und die Gesundheit der Menschen insgesamt schützen“. Die „Infektionszahlen sind jetzt stark im Steigen“, deswegen habe man die Maßnahmen im Stufenplan der Regierung vorgezogen.

Im Hinblick auf einen Lockdown wolle er „keine Gespenster beschwören“. Doch „regional können natürlich zusätzliche Maßnahmen gesetzt werden“, wenn es notwendig sei, so Kogler. Dennoch: Regionale Lockdowns wären nur die „allerletzte Konsequenz“, doch jeder sei ein „Scharlatan“, der behaupte, die Zukunft „hundertprozentig“ prognostizieren zu können.

Kogler: „2,5-G am Arbeitsplatz ist das Ziel“

In der Pressestunde hat sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gegen Antigen- und für verpflichtende PCR-Tests am Arbeitsplatz ausgesprochen. Zuerst müsse man aber die Voraussetzungen schaffen, die das flächendeckend ermöglichen würden. Außerdem betonte Kogler die erwiesene Wirkung von CoV-Impfstoffen und verteidigte den Stufenplan, aus dem ab Montag eine deutliche Verschärfung für das öffentliche Leben von nicht gegen das Coronavirus geimpften Menschen hervorgeht.

Spitalskapazitäten als Messlatte

Die neuen beschlossenen Maßnahmen halte Kogler für ganz wichtig, dass eben „nicht mehr gewartet wird“, bis 400, 500 oder 600 mit CoV-Patienten belegte Intensivbetten erreicht würden. Angesprochen darauf, was die „Messlatte“ der neuen Maßnahmen sei, sagte er, dass die Spitalskapazitäten so „geschützt werden“, dass es nicht dazu kommen könne, dass „jemand, der ein Intensivbett braucht, keines bekommt“.

Was die Impfung anbelangt, sieht der Vizekanzler den schleppenden Fortschritt über den Sommer durchaus kritisch – sieht dabei aber auch die Länder in der Pflicht. Der Bund habe den Impfstoff beschafft, für die Abwicklung an Ort und Stelle seien die Bundesländer zuständig gewesen. Aber es gehe auch um das „Bewusstsein“ für die Impfung und die nötige „Grundinformation“ – auch hier seien die Regionen bis „in die Gemeinden hinunter“ beteiligt.

Impfkampagne und Situation in den Bundesländern

In der „Pressestunde“ nahm Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zur Situation bei der Impfung in den Bundesländern Stellung.

Im Hinblick auf die Impfrate in Oberösterreich etwa sagte er, dass man dort ein Phänomen vorfinde, wo mit der FPÖ eine politische Kraft die Impfung „mit Falschinformationen“ und „mit Lügen“ diskreditiere. „Mit diesem Unfug muss einmal aufgehört werden“, so der Vizekanzler. Er sprach von „gesundheitspolitischer Geisterfahrerei“ und „politischer Kurpfuscherei“ und kritisierte FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Das ist gemeingefährlich, was da verzapft wird, vom Parteiobmann abwärts.“

Nicht nur Erstimpfung entscheidend

Man müsse weiterhin Anreize schaffen, diese würden jetzt entstehen, so Kogler. Da brauche es die „ganze Kraft von allen“, egal ob Bundesregierung oder Landeshauptleute. Wesentlich sei aber nicht nur die erste Impfung, sondern auch der dritte Stich. Man habe bei der Delta-Variante erkannt, dass der Schutz, vor allem bei Älteren und vulnerablen Menschen, nach sechs Monaten nachlasse.

2,5-G am Arbeitsplatz als erklärtes Ziel

Auch die Situation an den Arbeitsplätzen sprach Kogler an: Hier wolle man daran arbeiten, dass, wenn kein Impfnachweis erbracht werden könne, es dafür verlässlichere Tests geben soll – Stichwort: 2,5-G, also entweder geimpft und genesen oder per PCR-Test. „Das ausgesprochene Ziel“ sei 2,5-G, so Kogler, weil es „um die Sicherheit der Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen geht“.

Nachweise im Sport und am Arbeitsplatz sowie Impfpflicht

Für den Arbeitsplatz gab Vizekanzler Kogler als Ziel 2,5-G vor.

Von der „Zwangskeule des generellen Impfzwangs“ halte er unterdessen nichts – „am Schluss“ sei die Impfung eine „individuelle Entscheidung“. Eine Pflicht schließe er „tatsächlich aus“, er wolle das nicht und er kenne auch „nicht so viele“ Verantwortungsträger, die das vorantreiben wollen würden. Es müsse „gelingen, wesentlich mehr von der Impfung zu überzeugen“ – mit einer Impfpflicht „würden wir in Österreich besonderen Widerstand erzeugen“.

Es sei „ganz offenkundig, dass da mehr gegangen wäre“, so Kogler über die Impfrate hierzulande. „Wir brauchen einen Ruck“, nachdem man eine „Sommerflaute“ gehabt habe. Nicht zuletzt auch mit der neuen Regierungsspitze wolle man „die Ärmeln aufkrempeln, um hier voranzukommen“, so Kogler.

Schallenberg: Maßnahmen wohl über Weihnachten

Kogler gab gemeinsam mit Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) auch der „Kronen Zeitung“ ein Interview, in dem es um die neuen Maßnahmen ging. Hier stellte die Regierungsspitze in Aussicht, dass die Situation nicht so sei, dass die Maßnahmen bald wieder zurückgenommen werden könnten. „Also es wird wohl ein 2-G-Weihnachten werden“, so Schallenberg in der „Krone“. Auch Kogler sagte: „Allerhöchstwahrscheinlich werden wir zu Weihnachten und zu Silvester noch 2-G haben.“

„Hervorragende Zusammenarbeitsbasis“ mit Schallenberg

Zu seinem Verhältnis mit dem neuen Kanzler nahm Kogler auch in der „Pressestunde“ Stellung. Mit Schallenberg verbinde ihn eine „hervorragende Zusammenarbeitsbasis“, und wichtig sei die Handlungsfähigkeit der Regierung. Wer ÖVP-Chef sei, müsse – auch im Falle einer Anklageerhebung gegen Kurz – diese selbst entscheiden. Kogler hielte es jedenfalls für „sinnvoll“, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.

Zusammenarbeit mit der ÖVP

Vizekanzler Kogler sprach auch über die Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), mit dem es eine „hervorragende Zusammenarbeitsbasis“ gebe.

Dass es durchaus gute Kontakte auch zu den anderen Parlamentsfraktionen gegeben hatte, bestritt Kogler nicht, schließlich sei es um Dinge wie den Budgetbeschluss und Eckpunkte der Steuerreform gegangen. Auch an das Ziel der Aufklärung der Vorwürfe erinnerte er, und die wäre bei einer Neuwahl stecken geblieben. „Aber es ging nie um eine Koalition“, so Kogler.

Opposition übt Kritik

Die Opposition reagierte auf die Aussagen Koglers in der ORF-„Pressestunde“ mit Kritik. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried vermisste in einer Aussendung einen Plan zur Bekämpfung der Pandemie. Für den Vizekanzler gelte wohl die „3-V-Regel – vertrösten, verschwurbeln und verschieben“.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz ortete ebenfalls eine „Schwurbelstunde“, und es sei die Regierung, die beim Thema Impfen mit Lügen arbeite, nicht die FPÖ. NEOS attestierte Kogler eine zu späte Einsicht der eigenen Versäumnisse. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hätte schon im Sommer alleine Maßnahmen treffen sollen, so NEOS-Klubvize Gerald Loacker.