Metallarbeiter mit einem Winkelschleifer
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Metaller-KV

Mögliche Folgen des hohen Abschlusses

Mit 3,55 Prozent Ist-Lohnerhöhung in der Metallbranche sind die heurigen Lohnverhandlungen mit einem hohen Abschluss gestartet. Darüber sind sich alle Seiten und Fachleute einig. Mancherorts gibt es bereits Warnungen vor einer möglichen Lohn-Preis-Spirale. Diese hält IHS-Experte Helmut Hofer für verfrüht. Spannend wird, wie sich die Metallereinigung auf andere KV-Verhandlungen, etwa im Handel, auswirkt. Zu erwarten wäre, dass die Differenz heuer größer wird, so Hofer. Aber das hänge auch vom Vorgehen der Gewerkschaft ab.

Grundsätzlich gelte: Verteilt werden könne nur, was zuvor erwirtschaftet worden sei. Und hier gibt es traditionell, besonders aber jetzt während der Pandemie große Unterschiede, wie Hofer am Montag gegenüber ORF.at sagte. Der Handel sei etwa viel stärker von der CoV-Krise betroffen als die Metallbranche. Dazu seien die Unterschiede innerhalb des Handels – etwa Lebensmittel vs. Schuhe und Bekleidung – viel größer als in der Metallbranche.

Als dritten Faktor nennt Hofer, dass die Personalkosten bei den Metallern anteilig an den Gesamtaufwendungen deutlich weniger ins Gewicht fallen als im personalintensiven Handel. Anders als in vergangenen Jahren könnten Metallunternehmen – Stichwort: Bauboom – die Mehrkosten durch höhere Preise weitergeben. Das dürfte im Handel teils schwieriger sein, zudem seien generell weniger Produktivitätsgewinne möglich.

Traditionell hohe Abschlüsse im Branchenvergleich

Aus all diesen genannten Gründen ist laut Hofer eigentlich zu erwarten, dass weitere KV-Abschlüsse – etwa des Handels – heuer noch weiter als sonst üblich hinter jenen der Metaller zurückliegen würden. Die Metaller – mit der wichtigen Autozulieferindustrie – haben meist die höchsten Abschlüsse aller Branchen und, weil sie als Erste verhandeln, eine gewisse Signalwirkung für die anderen Branchen.

Es sei aber die Frage, wie kampfbereit die anderen Gewerkschaften durch den Erfolg der Metaller agieren würden. Als möglichen Kompromissweg nannte Hofer, mehr Lösungen auf Betriebsebene zuzulassen. Anders gesagt könnten damit im Lebensmittelhandel stärkere Verbesserungen ermöglicht werden, ohne damit von vergangenen Lockdowns besonders betroffenen Sparten zu hohe Lohnbelastungen aufzubürden.

Grafik zu den Metaller-Abschlüssen seit 2015
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Gefahr für Inflation „relativ gering“

Die Gefahr für die Inflation, dass also mit dem vergleichsweise hohen Abschluss eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt werden könnte, sieht Hofer „relativ gering“, auch wenn sie nicht „ganz von der Hand zu weisen“ sei. Aber zuerst müsse man dafür die Abschlüsse mehrerer Jahre abwarten. Und wenn die Produktivität entsprechend steige, sei es kein Problem.

Der Experte erwartet nach dem hohen Abschluss jedenfalls, dass es einen gewissen Rationalisierungsdruck geben wird. Aber klar sei: Die Inflation werde in den nächsten zwölf Monaten hoch bleiben, was wiederum zu entsprechend hohen Lohnforderungen der Gewerkschaft im nächsten Herbst führen könnte.

Als für den Wirtschaftsplatz wichtiges Signal bezeichnete Hofer es, dass es eine Einigung ohne größere Kampfmaßnahmen gab. Das zeige, dass die Sozialpartnerschaft weiter funktioniere. Die Gewerkschafter könnten jedenfalls „wirklich sehr zufrieden sein“, so der IHS-Experte, der den Abschluss aber auch als „verständlich“ bezeichnete.

WIFO-Chef Felbermayr kritisch

Der neue Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, sieht den Lohnabschluss der Metaller dagegen kritisch, weil sich die Gewerkschaften an der zu erwartenden Inflationsrate orientiert haben. Temporäre Inflationsspitzen könnten sich so verfestigen und Inflationserwartungen selbsterfüllend werden.

„Das ist der Kern der Lohn-Preis-Spirale, die für dauerhaft höhere Inflationsraten sorgen könnte“, sagte Felbermayr im „Standard“ (Montag-Ausgabe). Wegen der hohen Preise für Energie und Vorprodukte sei der „verhältnismäßig hohe Abschluss“ für die Industrie eine Herausforderung, so Felbermayr.

Auch WIFO-Arbeitsmarktexperte Benjamin Bittschi sprach im Ö1-Morgenjournal am Montag von einer hohen Gehaltserhöhung. „Wenn die Arbeitgeber nun sagen, dass das nahe an der Schmerzgrenze ist, ist das nicht Taktik, sondern trifft durchaus zu“, so Bittschi.

„Wenn man die außer Streit gestellte Inflation von 1,9 Prozent nimmt, dann liegt zumindest der Abschluss für die Ist-Löhne 1,65 Prozent über diesem Abschluss, und das ist doch ein wirklich deutliches Ergebnis. Wenn man sich zum Beispiel die Stundenproduktivität in der Industrie anschaut, nimmt man an, dass die im Jahr 2021 um 2,1 Prozent steigt. Das heißt, nach der Zahl hätten die Arbeitnehmer sich einen großen Teil der Produktivität am Verhandlungstisch geholt“, rechnete Bittschi vor.

Vorgriff auf Zukunft

Spannend könnten auch die Verhandlungen nächstes Jahr werden. Die Strategie der Gewerkschaften, auf die aktuelle und die zu erwartende Inflationsrate zu setzen, könnte dann nach hinten losgehen, sollte die Inflation sinken. „Dieses Argument könnte die Arbeitgeberseite auch nächstes Jahr anwenden mit Nachteilen dann für die Arbeitnehmerseite“, so Bittschi. Sich an der Inflation der vergangenen zwölf Monate zu orientieren habe sich bewährt, weil das helfe, dass eine hohe inflationäre Dynamik durch die Lohnabschlüsse nicht weiter angeheizt wird.