Luftaufnahme zeigt Abholzung des Regenwaldes
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Klimagipfel

Kritik an Aufmarsch der Erdöllobby

Die vielfach als PR-Veranstaltung gescholtene Klimakonferenz im schottischen Glasgow geht in die zweite, die entscheidende Woche. Nach Ansicht von Fachleuten waren die Ankündigungen bisher groß, der tatsächliche Output hingegen nicht. Ein Grund könnte darin liegen, dass die Erdöllobby am Gipfelschauplatz überproportional stark vertreten ist.

Fast 40.000 registrierte Delegierte nehmen an der COP26 in Glasgow teil, sie sollen Mittel und Wege finden, wie das Klimaabkommen von Paris noch eingehalten werden kann. Von den Vertragsstaaten sind in Relation weit weniger Abgesandte anwesend als von der einflussreichen Erdöllobby. Das ergab laut BBC eine Analyse der Teilnehmerlisten durch die NGO Global Witness. Laut Bericht sind 503 Personen mit Verbindungen zur Ölindustrie akkreditiert. Das Gastgeberland Großbritannien habe zum Vergleich nur 230 Gesandte auf dem Klimagipfel, Das Land mit der größten Delegation, Brasilien, komme auf 479.

„Die fossile Brennstoffindustrie hat Jahrzehnte damit verbracht, echte Maßnahmen gegen die Klimakrise zu verwehren und zu verzögern, deshalb ist das ein so großes Problem“, wird ein Sprecher von Global Witness zitiert. „Ihr Einfluss ist einer der Hauptgründe, warum 25 Jahre UNO-Klimagespräche nicht zu einer wirklichen Reduzierung der globalen Emissionen geführt haben.“

COP26: Proteste für konkrete Maßnahmen

Die vielfach als PR-Veranstaltung gescholtene Klimakonferenz im schottischen Glasgow ist in die zweite, entscheidende Woche gegangen. Demonstranten forderten von den Weltmächten konkrete Taten für den Klimaschutz ein. Junge Aktivisten kritisierten nicht eingelangte, aber versprochene finanzielle Hilfsmittel für die Schäden der Klimakrise.

Tatsächlich ist die Weltgemeinschaft vom gemeinsamen Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit einzudämmen, weit entfernt. Dafür müssten laut Weltklimarat schon in diesem Jahrzehnt die Emissionen um 45 Prozent gesunken sein. Das Gegenteil ist aber der Fall, selbst die aktualisierten Klimaschutzpläne der 192 Vertragsparteien lassen die CO2-Emissionen weiter steigen.

Zu spät für 1,5 Grad

Seit Montag verhandeln nun auch die Ministerinnen und Minister der Teilnehmerländer in Glasgow mit. Österreich wird von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) vertreten. Auch Ex-US-Präsident Barack Obama kam am Montag in Glasgow an, um eine Rede zu halten. Die Menschen fühlten sich natürlich entmutigt, da die derzeitigen Vorhaben nicht zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels taugten, so Obama. Doch würden die Zusagen eingehalten, wäre das „ein echter Fortschritt, nicht genug, aber ein Fortschritt“.

Zweite Woche des Klimagipfels

Auch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wird am Klimagipfel teilnehmen. Vorige Woche wurden einige Entwürfe ausgearbeitet, die Experten als zu schwach und zu wenig ambitioniert kritisieren.

Die Vertragsstaaten sollen in Glasgow ihre überarbeiteten nationalen Klimaschutzziele (NDC) vorlegen. Bisher bekannten sich laut UNO über 130 Länder zur Klimaneutralität bis 2050. Der weltgrößte Treibhausgasemittent China bleibt dagegen bei dem Ziel, erst bis 2060 CO2-neutral zu werden, und schärfte sein Ziel für 2030 nur wenig nach. Indien verkündete während der COP26 sein Ziel der Klimaneutralität erst für 2070. Für das 1,5-Grad-Ziel wäre das freilich deutlich zu spät.

Ehemaliger U.S. Präsident Barack Obama winkend
AP/Jane Barlow
Obama auf der COP26 in Glasgow

In Reichweite scheint nun eventuell die Begrenzung der Erderhitzung auf unter zwei Grad – aber auch nur, wenn dafür auch tatsächlich alle Maßnahmen umgesetzt werden. Das bezweifeln jedoch nicht nur Fachleute, sondern vor allem Klimaschutzorganisationen.

Abkommen für Stopp der Entwaldung

In der ersten Woche des Klimagipfels gab es einige Absichtserklärungen. So verpflichteten sich etwa mehr als hundert weltweit führende Politikerinnen und Politiker, die Entwaldung bis Ende des Jahrzehnts zu stoppen und umzukehren, ein Versprechen, das durch öffentliche und private Mittel in Höhe von 19 Milliarden US-Dollar (16,4 Mrd. Euro) untermauert wird, um in den Schutz und die Wiederherstellung der Wälder zu investieren.

Die Erklärung wurde ursprünglich von Staats- und Regierungschefs von Ländern wie Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien unterstützt, die insgesamt 85 Prozent der weltweiten Waldfläche beheimaten. Indonesiens Umweltministerin wies den Plan später jedoch als „unangemessen und unfair“ ab. Es sei auf der COP26 etwas versprochen worden, das nicht einhaltbar sei.

Methanausstoß soll reduziert werden

Auch in puncto Methan gab es Zusagen: Unter Leitung von EU und USA, die unter Präsident Joe Biden wieder mit am Verhandlungstisch sitzen, kam es zu einem – allerdings schon zuvor bekannten – Abkommen zur Reduktion des klimaerwärmenden Gases. Methan hat eine kürzere Lebensdauer in der Atmosphäre als CO2, erwärmt den Planeten aber stärker. Die großen Methanemittenten Russland, China und Indien traten dem Deal aber noch nicht bei, Australien lehnte den Beitritt sogar aktiv ab.

Seit Montag steht mit Klimaanpassung und „Loss and Damage“ das Thema der Klimafinanzierung auf der Agenda. Es geht um einen finanziellen Ausgleich der Industriestaaten als Hauptverursacher der Klimakrise gegenüber den Entwicklungsländern für bereits eingetretene Klimaschäden durch Dürren und Unwetter. COP26-Gastgeber Großbritannien will dabei 290 Millionen Pfund (338 Mio. Euro) an neuen Finanzmitteln ankündigen.

Es geht ums Geld

Seit Jahren ist die Finanzierung ein Knackpunkt bei den internationalen Klimaverhandlungen. Die reichen Nationen hielten die für 2020 gesetzte Frist, jährlich 100 Milliarden Dollar an Mitteln bereitzustellen, nicht ein. Diese Gelder sind für die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gedacht. Auf dem Gipfel von Glasgow wurde das 2009 gegebene Versprechen nun erneuert.

Auch die Privatwirtschaft bekannte sich zur Mitfinanzierung: So steht die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ), ein Klimabündnis aus mehr als 450 Banken und Vermögensverwaltern, nach eigenen Angaben für Investitionen im Gesamtumfang von 130 Billionen Dollar. Aktivistinnen und Aktivisten fürchteten hier allerdings „Greenwashing“-Tendenzen, also den Versuch von Unternehmen und Politik, Maßnahmen als klimafreundlich darzustellen, die es tatsächlich nicht sind.

Kohleausstieg mit Einschränkung

Zusagen gab es noch beim anvisierten Kohleausstieg. Mitte der vergangenen Woche kam eine Allianz zustande, die zwischen 2030 und 2040 aus der Kohle aussteigen will. So verkündete der britische COP26-Präsident Alok Sharma am Mittwoch: „Eine Koalition mit 190 Akteuren hat heute vereinbart, aus der Kohleenergie auszusteigen.“ Auf einer nachgelieferten Liste der Unterzeichner fanden sich jedoch nur 77 neue Unterstützer der Initiative, darunter 46 Staaten.

Demonstranten halten Schilder in die Höhe
AP/Alastair Grant
Von Klimaschutzaktivistinnen und -aktivisten kam scharfe Kritik an den getroffenen Zusagen

Von den Unterstützern, die sich bereits einer früheren Initiative für den Kohleausstieg angeschlossen hatten, machten laut COP-Präsidentschaft 23 Länder in Glasgow zusätzliche Zusagen. Auf der Liste dieser Staaten, die der Nachrichtenagentur AFP vorlag, fanden sich allerdings auch zehn Länder, die keine Kohle in ihrem Energiemix haben. Zusammengezählt stünden die Unterzeichner nur für rund 13 Prozent des globalen Konsums von Kohleenergie. Nicht dabei waren zudem einige der am stärksten von Kohle abhängigen Nationen wie China und Indien. Australien will etwa noch jahrzehntelang Kohle fördern.

Kritik und Proteste

Die Vorwürfe, dass die COP26 mehr PR-Event ist als ernst gemeinte Klimaretterin, scheinen also nicht ganz von der Hand zu weisen. „Fridays for Future“, Greenpeace und zahlreiche andere Organisationen kritisieren den Klimagipfel als „Blabla“. Während Sharma „allumfassende Fortschritte“ sah, sprach die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg von einem „Greenwashing-Festival des globalen Nordens“.

Am Freitag und Samstag hatten schon Zehntausende in vielen Ländern ihrem Unmut über jahrzehntelang verschleppten Klimaschutz Luft gemacht und mehr Klimagerechtigkeit gefordert. Die Organisatoren sprachen von mehr als 100.000 Teilnehmern allein in Glasgow. Durch die Proteste soll der Druck auf die Verhandler erhöht werden.

Umweltschutzorganisationen sind auch mit der österreichischen Regierung unzufrieden. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sei mit leeren Händen zur Konferenz gereist, hieß es von Greenpeace Österreich. Die Organisation appellierte an Gewessler, „klare Klimaschutzansagen“ zu treffen, dazu gehöre, „das nationale Klimaschutzgesetz auf Schiene zu bringen und Mega-Straßenbauprojekte wie die Lobau-Autobahn zu stoppen“.