Die österreichische Autorin Raphaela Edelbauer
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„Dave“

Österreichischer Buchpreis für Edelbauer

Zum insgesamt sechsten Mal ist am Montagabend der Österreichische Buchpreis vergeben worden. Der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an die 31-jährige Raphaela Edelbauer für ihren Roman „Dave“. Anna Albinus erhielt für „Revolver Christi“ den Debütpreis, der mit 10.000 Euro verbunden ist.

Bereits mit ihrem ersten Roman „Das flüssige Land“ schaffte es Edelbauer 2019 auf die Shortlist sowohl des Österreichischen als auch des Deutschen Buchpreises. Für „Dave“ (Klett-Cotta), einen Roman, der nichts weniger versucht, als die Probleme der künstlichen Intelligenzforschung erzählbar zu machen, bekam sie am Montagabend im Wiener Kasino auf dem Schwarzenbergplatz den Hauptpreis zuerkannt.

Die Wienerin reiht sich damit hinter Friederike Mayröcker („fleurs“), Eva Menasse („Tiere für Fortgeschrittene“), Daniel Wisser („Königin der Berge“), Norbert Gstrein („Als ich jung war“) und Xaver Bayer („Geschichten mit Marianne“) in die Liste der Preisträgerinnen und Preisträger der seit 2016 bestehenden Würdigung ein, die vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) zusammen mit dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels vergeben wird.

Raphaela Edelbauer im „kulturMontag“-Interview

Bereits mit ihrem ersten Roman „Das flüssige Land“ schaffte es Edelbauer 2019 auf die Shortlist sowohl des Österreichischen als auch des Deutschen Buchpreises. Für „Dave“ (Klett-Cotta), einen Roman, der nichts weniger versucht, als die Probleme der Künstliche-Intelligenz-Forschung erzählbar zu machen, bekam sie am Montagabend im Wiener Kasino am Schwarzenbergplatz den Hauptpreis zuerkannt. Dazu ist sie in „kulturMontag“ zu sehen.

Forschungslabor als Welt der Zukunft

Die Welt, in der sich Syz, der Ich-Erzähler in „Dave“ bewegt, ist ein gigantisches Forschungslabor. Sichtlich wird dort einem neoliberalen Selbstverständnis gehuldigt, wie es heute von großen Internetfirmen berichtet wird: Es herrscht ein Wettstreit um die längste Nachtschicht, die ewige Suche nach einem genial programmierten Stück Code.

„Dave“
Klett-Cotta
Raphaela Edelbauer: Dave. Klett-Cotta, 432 Seiten, 25,70 Euro.

„Dave“ spielt in einer unbestimmten, aber nahen Zukunft. Die gesamte, höchst hierarchisch strukturierte Laborgemeinschaft arbeitet daran, einer unvorstellbar potenten künstlichen Intelligenz namens Dave Leben einzuhauchen. Syz, der von seinem ambitionierten Arbeiterklassenvater zum mathematisch Begabten hochgeprügelt wurde, ereilt ein unerwarteter Aufstieg im Nerdmikrokosmos.

Er wird beauftragt, im Geheimen seine persönlichen Erinnerungen zur Verfügung zu stellen, um Dave ein Bewusstsein vorzugaukeln, damit dieser seine überragende Problemlösungsfähigkeit auf das Ziel dieser Gemeinschaft richten kann: die „Wiederbewohnbarmachung der Außenwelt“. Welche Katastrophe diese Außenwelt unbewohnbar gemacht hat, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln.

Roman über „Diktatur der Weltverbesserer“

Die Jury, bestehend aus dem Buchhändler Tilman Eder, dem Autor Walter Grond, der Literaturwissenschaftlerin und Kritikerin Daniela Strigl, der Kritikerin und Moderatorin Manuela Reichart sowie dem Ö1-Redakteur und Kritiker Peter Zimmermann bezeichnet „Dave“ in ihrer Begründung als „raffinierten Science-Fiction-Roman mit eingebauter Liebesgeschichte geschaffen, der nach den Gesetzen des Thrillers funktioniert“.

Neben Unterhaltung biete „Dave“ dank Edelbauers „erstaunlicher Belesenheit viel über philosophische Debatten, Bewusstseins- und Gedächtnisforschung, Informatik und lernende Systeme, deren Heilsversprechen die Autorin spürbar misstraut“. Für die Jury handelt der Roman „von der Ohnmacht des einzelnen in einer Diktatur der Weltverbesserer“. Der Preis wurde von Grünen-Kunst- und -Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, vergeben.

Neben den 20.000 Euro Preisgeld für Edelbauer erhalten die vier anderen Nominierten der Shortlist jeweils 2.500 Euro. Für den Hauptpreis befanden sich neben der Gewinnerin Anna Baars „Nil“ (Wallstein), Ferdinand Schmalz’ „Mein Lieblingstier heißt Winter“ (S. Fischer), Daniela Chanas „Neun seltsame Frauen“ (Limbus) und Olga Flors „Morituri“ (Jung und Jung) auf der Shortlist.

Albinus „Revolver Christi“: Eine Waffe als Reliquie

Den mit 10.000 Euro dotierten Debütpreis, der mit Unterstützung der Arbeiterkammer vergeben wurde, konnte die 1986 in Mainz geborene Albinus mit nach Hause nehmen. In ihrer 80-seitigen Novelle „Revolver Christi“ (edition.fotoTAPETA) spinnt die Autorin, die katholische Theologie, Judaistik und Kunstgeschichte studiert hat, eine Geschichte um einen Revolver, der als Reliquie verehrt und als Touristenattraktion vermarktet wird.

Die deutsche Autorin Anna Albinus
ORF
Anna Albinus gewann den Debütpreis für „Revolver Christi“

„Mit der realistischen Beschreibung eines touristischen Groß-Ereignisses beginnt diese Kriminal- und Fantasygeschichte der besonderen Art. Eine Reliquie – jener Revolver, der dem Buch den Titel gibt – zieht die Menschenmassen an. Und dann fällt am dreiundzwanzigsten Ausstellungstag ein Schuss“, heißt es vonseiten der Jury, die den offenen Ausgang der Geschichte ebenso lobt wie „die literarische Fertigkeit, die sprachliche Sicherheit dieses Debüts“.

Neben Albinus standen Anna Felnhofer mit ihrem jüngst erschienenen Episodenroman „Schnittbild“ (Luftschacht Verlag) sowie Clemens Bruno Gatzmaga mit „Jacob träumt nicht mehr“, der im Verlag Karl Rauch erschienen ist, auf der Debütshortlist.

Deutscher Buchpreis an Antje Ravik Strubel

Der Österreichische Buchpreis wurde 2016 analog zu dem Deutschen Buchpreis und dem Schweizer Buchpreis geschaffen und markiert den Auftakt zur Buch Wien, dem wichtigsten Ereignis der österreichischen Buchbranche, die dieses Jahr von Mittwoch bis Sonntag stattfinden wird. Der Preisstiftung vorangegangen waren nachdrückliche Forderungen von Autorenseite, welche die Chancen für österreichische Autoren und Autorinnen, den Deutschen Buchpreis zu gewinnen, für zu gering empfanden.

Zweimal ging bisher der Deutsche Buchpreis nach Österreich: 2005 an Arno Geiger („Es geht uns gut“) und 2017 an Robert Menasse („Die Hauptstadt“). Dieses Jahr standen mit Monika Helfer („Vati“, Hanser) und Norbert Gstrein („Der zweite Jakob“, Hanser) eine heimische Autorin und ein heimischer Autor auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Schließlich erhielt Antje Ravik Strubel den diesjährigen Deutschen Buchpreis. Ihr ausgezeichneter Roman „Blaue Frau“ (S. Fischer) handelt von einer jungen Frau aus Tschechien, die in Deutschland vergewaltigt wird und nach Finnland flieht. Während sie an dem Buch schrieb, habe sie immer häufiger von sexuellen Übergriffen erfahren, auch im persönlichen Umfeld, erzählte die 47-Jährige. Dadurch sei ihr klargeworden, dass das das Thema des Romans sein müsse.

Beim Schreiben habe sie „zwischenzeitlich Zorn empfunden“, gab die Autorin zu. Sie habe dann mit dem Weiterschreiben gewartet, bis der Zorn sich abgekühlt habe – „sonst wird es eine Kampfschrift“. Die Wirkung eines literarischen Textes sei „subtiler“. Ziel sei es gewesen, ihrer Hauptfigur Adina „poetische Gerechtigkeit“ widerfahren lassen, „wenn es schon keine andere Gerechtigkeit gibt“.

Schweizer Buchpreis an Martina Clavadetscher

„Die Erfindung des Ungehorsams“ (Unionsverlag) heißt der Roman, für den Martina Clavadetscher den Schweizer Buchpreis 2021 erhalten hat. Der Preis wurde am Sonntag im Rahmen des Literaturfestivals Buch Basel verliehen, wie die Verantwortlichen mitteilten.

Clavadetscher habe „einen Roman über künstliche Intelligenz geschrieben, wie es ihn noch nicht gab“, lobte die Jury in der Mitteilung. Damit gibt es eine thematische Ähnlichkeit zu Edelbauers heimischen Buchpreis-Erfolg. „Die Erfindung des Ungehorsams“ sei „keine Dystopie“, sondern ein „waghalsiger Text, der den künstlichen Wesen Leben einhaucht“.

Neben der Theater- und Prosaautorin Clavadetscher waren Thomas Duarte für sein Debüt „Was der Fall ist“ (Lenos), Michael Hugentobler für „Feuerland“ (Dtv) und Veronika Sutter für ihren Geschichtenband „Grösser als du“ (edition8), im Übrigen ebenfalls ein Debüt, nominiert. Ursprünglich hatte es auch Christian Kracht mit seinem Roman „Eurotrash"(Kiepenheuer und Witsch) auf die Shortlist geschafft. Er hatte jedoch sein Werk Ende September überraschend zurückgezogen.