Riesiges Bild des chinesischen Präsidenten Xi Jinping während einer Kulturveranstaltung
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KP-Plenum

Xi greift nach Allmacht in China

Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und andere Staatsmedien hatten in den vergangenen Tagen die Propagandamaschinerie angekurbelt: Staats- und Parteichef Xi Jinping wurde als unermüdlicher, selbstloser und weiser Diener des Volkes gepriesen, als „Mann der Entschlossenheit und des Handelns“. Schließlich tagt in Peking seit Montag das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei, um Xis Macht weiter zu zementieren.

Dem Zentralkomitee gehören die knapp 380 mächtigsten Menschen des Landes an – Minister, Militärführer, Gouverneure, Parteichefs der Provinzen –, darunter finden sich nur 30 Frauen. Sie beraten in einem viertägigen Plenum über eine „historische Resolution“ – es ist nach 1945 und 1981 erst das dritte Mal in der 100-jährigen Geschichte der KP, dass eine Resolution in dieser Form angenommen werden soll.

Die erste ließ der Revolutionär und Staatsgründer Mao Tse-tung 1945 verabschieden, er legte darin die Ziele der Partei mit sich selbst als einzigem wahren Führer dar und forderte, „die Vergangenheit in den Dienst der Gegenwart zu stellen“. Unter der Führung des Wirtschaftsreformers Deng Xiaoping wurden 1981 wiederum die Exzesse der Rotgardisten verurteilt. „Die Resolution von 1981 ist geprägt von dem Gedanken, dass sich eine solche Raserei nicht wiederholen dürfe“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Eine Frau schaut auf mehrere Monitore, auf denen der chinesische Präsident Xi Jinping zu sehen ist
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Xi auf allen Kanälen – über mangelnde öffentliche Präsenz kann der Staats- und Parteichef nicht klagen

In dem Papier wurde zwar klare Kritik geübt, es hielt den Staatsgründer aber in Ehren und sicherte Deng Xiaoping die Unterstützung für dessen Kurswechsel zu. Die neue „historische Resolution“ soll jetzt wiederum die „neue Ära“ der „Ideen von Xi über den Sozialismus chinesischer Prägung“ besiegeln. Die „große Erneuerung“ der chinesischen Nation sei eine „historische Unausweichlichkeit“, hieß es in der Parteipresse.

Josef Dollinger über die Sitzung der Kommunisten in China

Vorbereitung auf dritte Amtszeit

Das sechste Plenum ist eines der letzten großen Treffen in Chinas fünfjährigem politischen Zyklus und bereitet die Bühne für den Parteikongress im nächsten Jahr, auf dem Xi voraussichtlich eine außerordentliche dritte Amtszeit anstreben wird – mit einer Verfassungsänderung hatte sich der Staats- und Parteichef 2018 bereits die Möglichkeit eröffnet, länger als zwei Amtszeiten und vielleicht sogar auf Lebenszeit regieren zu können.

Die Tagesordnung der Tagung ist streng geheim, ein Kommunique mit den Diskussionen und Entschließungen wird erst nach Abschluss des Plenums veröffentlicht. In welche Richtung es bei der geplanten Resolution gehen soll, scheint aber klar: Die vorherigen „Historischen Resolutionen“ hätten sich überwiegend mit Kritik und der Aufarbeitung der politischen Vergangenheit verfasst, zitierte die deutsche Tagesschau den Politologen Yang Chaohui von der BeiDa-Universität in Peking.

Es seien zwar auch einige Dinge gelobt worden, aber der Schwerpunkt habe auf der Kritik gelegen. Nun werde es vor allem um Lob gehen. „Die neue Resolution wird sich höchstwahrscheinlich konzentrieren auf die Erfolge der Kommunistischen Partei. Es soll eine Art Bilanz gezogen werden dazu, was die Nation und die Partei unter der Führung von Xi Jinping erreicht haben.“

Hunderte Studenten unter einer riesigen chinesischen Flagge
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Zumindest nach außen hin läuft die Propagandamaschinerie

Hongkong, CoV, Armutsbekämpfung: Offiziell nur Erfolge

Das könnte etwa die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong von 2019 sein, eine, in Pekings Augen, vom Ausland initiierte Rebellion. Oder der vermeintliche Sieg über das Coronavirus, in dem sich aus Sicht der Partei die Überlegenheit des chinesischen Systems gegenüber den westlichen Demokratien manifestiert.

Bereits im Juli, anlässlich des hundertsten Gründungstages der KP, hatte Xi erklärt, seine Partei habe ihr Ziel erreicht, eine Gesellschaft mit gemäßigtem Wohlstand für alle aufzubauen und die extreme Armut zu beseitigen. Außerdem versprach er die „Vereinigung“ mit Taiwan als unvermeidlichen und entscheidenden Teil von Chinas „nationaler Verjüngung“.

Das Narrativ Xis lautet: Unter Mao sei China aufgestanden, unter Deng Xiaoping sei es reich geworden, und unter ihm selbst werde es stark werden. Seine Amtsvorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin spielen dabei aus seiner Sicht keine Rolle. Die „FAZ“ schrieb: „Geschichte hat für ihn die Funktion, die Gedanken zu vereinheitlichen. In der Praxis bedeutet das: in der Schule, im Museum, in Büchern, Reden und im Internet wird die immer gleiche Version präsentiert, bis sie jedem im Land als Wahrheit erscheint.“

Chinesischer Präsident Xi Jinping
AP/Ng Han Guan
Xi wandelt auf Maos Spuren

Xi: Neuer Mao oder überbewertet?

Kolportiert wird nun, dass Xi sich nicht mit einer dritten Amtszeit zufriedengeben könnte. Er könnte, wie einst Mao, den Posten des großen Vorsitzenden anstreben – ein Titel der 1982 eigentlich abgeschafft wurde.

John Delury, Historiker an der Yonsei-Universität in Seoul und Mitautor des Buches „Wohlstand and Macht: Chinas langer Marsch ins 21. Jahrhundert“, sagte hingegen, es wäre falsch, bei der Interpretation der Beschlüsse dieser Woche zu viel Gewicht auf Xi zu legen. „Ich fürchte, wir überinterpretieren Xi Jinping und fallen den chinesischen Propagandaagenturen zum Opfer“, sagte Delury gegenüber dem „Guardian“. Nach Deng und Mao sei „die Geschichte der KP vor allem durch wirtschaftliches Wachstum und die zunehmende Rolle Pekings in internationalen Angelegenheiten geprägt – so lässt sich Geschichtliches leichter lösen“.