Testcenter in Frankfurt
AP/Michael Probst
Neue Höchstwerte

Deutschland diskutiert weitere Maßnahmen

Ein neuer Höchststand in der Coronavirus-Pandemie heizt auch in Deutschland die Debatte über rasche Gegenmaßnahmen an. In Sachsen, dem Land mit der höchsten Inzidenz, traten am Montag 2-G-Konzepte in Kraft. Auch für ganz Deutschland wurden zuletzt solche Forderungen laut. Im Raum steht ebenfalls eine 3-G-Regel am Arbeitsplatz. Zugleich ist auch wieder die deutschlandweite Einführung kostenloser Schnelltests im Gespräch.

Von Infektionszahlen wie in Österreich ist Deutschland zwar noch ein gutes Stück entfernt. Mit 201,1 stieg die 7-Tage-Inzidenz allerdings am Montag auf den höchsten Wert seit Beginn der CoV-Pandemie. Und auch in Deutschland gibt es teils große regionale Unterschiede. Bei den Bundesländern hat Schleswig-Holstein mit 75,5 den niedrigsten Wert. Die höchste Inzidenz wurde in Sachsen mit 491,3 registriert.

Anders als vor einem Jahr sind zwar mittlerweile viele Menschen geimpft – den vollständigen Impfschutz haben nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Montag 55,8 Millionen Menschen, also 67,1 Prozent der Bevölkerung. Aber die Impfquote gilt als nicht hoch genug, um eine Überlastung von Kliniken auszuschließen. Wenngleich die Zahl der Impfungen zuletzt wieder zugenommen hat. In den drei besonders betroffenen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Bayern ist laut dem Echtzeitregister des deutschen Verbands der Intensivmediziner (DIVI-Intensivregister) die Auslastung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten am höchsten.

Der Sprecher der geschäftsführenden Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte am Montag, das rapide Ansteigen der Krankenzahlen und Zahlen von Intensivpatienten zeige, wenn die Welle erstmal da sei, könne es sehr schnell gehen. „Dann ist man rascher als gedacht wieder bei vollbelegten Stationen und bei einer Situation, wo planbare Operationen verlegt oder verschoben werden müssen, und das kann dann jeden treffen, auch denjenigen, der gar nicht Corona-erkrankt ist.“

Verschärfte Regeln in drei Bundesländern

Sachsen, Thüringen und Bayern reagierten bereits mit einer Verschärfung der CoV-Regeln. In Sachsen haben seit Montag nur noch Geimpfte oder Genesene Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, in Bussen, Bahnen und Taxis sind nun FFP2-Masken wieder Pflicht. In Thüringen gilt seit Montag in allen Kreisen und kreisfreien Städten eine Testpflicht an Schulen.

In Bayern haben jetzt nur noch Geimpfte, Genesene und Menschen mit negativem PCR-Test Zutritt zu Gasthäusern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Außerdem muss generell wieder eine FFP2-Maske getragen werden. Mit dem Umspringen der Krankenhausampel wegen der hohen Zahl von mehr als 600 Patienten auf den Intensivstationen gelten ab Dienstag überdies Verschärfungen der Zutritts- und Testregeln.

Beratungen zu kostenlosen Schnelltests

Der deutsche Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich angesichts der steigenden Zahlen am Montag dafür aus, bald wieder kostenlose CoV-Schnelltests anzubieten. Die im Sommer getroffene Entscheidung zu deren Einstellung für die meisten Menschen ab Oktober sei zwar im Hinblick auf einen Anreiz zum Impfen richtig gewesen, so ein Sprecher des Ministers. Spahn halte es aber für richtig, die kostenfreien Tests in dieser vierten Welle vorübergehend wieder einzuführen, dazu sei er „im konstruktiven Austausch mit den Ampelkoalitionären“.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn
Reuters/Ayhan Uyanik
Spahn will die – erst im Oktober eingestellten – kostenlosen Schnelltest wieder einführen

Nach Angaben des Sprechers laufen entsprechende Beratungen darüber mit den Parteien der voraussichtlichen künftigen Ampelkoalition. Deren Vertreterinnen und Vertreter machten ebenfalls bereits deutlich, dass sie eine Wiedereinführung befürworten. SPD-Chefin Saskia Esken sagte, es sei richtig, „dass wir die kostenlosen Bürgertests wieder einführen wollen“. Bestätigt wurden die Pläne auch von FDP-Vertreter Marco Buschmann. Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte, man müsse sich dringend über kostenfreie Tests unterhalten, „die zur Verfügung stehen müssen“.

„Konsens“ zu 3-G am Arbeitsplatz

Im Gespräch ist außerdem die Einführung einer 3-G-Regel am Arbeitsplatz. Wie bereits in Österreich sollten dann Beschäftigte nur noch zu ihrem Arbeitsplatz gelangen, wenn sie nachweisen können, dass sie geimpft, genesen oder frisch getestet sind. „Unter SPD, Grünen und FDP gibt es dazu einen Konsens, dass wir das vorantreiben wollen“, so FDP-Politiker Buschmann. Auf eine bundesweite 2-G-Regel wollen Parteien einer möglichen Ampelkoalition allerdings nach eigenen Angaben verzichten.

Dafür forderte am Montag der Verband der Intensivmediziner Beschränkungen für Ungeimpfte – zumindest in den besonders betroffenen Gebieten. „Wir müssen ganz schnell 2-G da einführen, wo die Inzidenzen wirklich hochgehen“, sagte DIVI-Vertreter Christian Karagiannidis im ZDF. Arbeitgeber seien gefordert zu entscheiden, ob 3-G-Regeln am Arbeitsplatz eingeführt werden müssen.

Unionskritik an geplanter Aufhebung von Sonderstatus

Eine 3-G-Regel für den Arbeitsplatz forderte auch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Darüber hinaus sprach er sich ebenfalls für 2-G-Regeln aus, ähnlich derer, wie sie derzeit in Österreich gelten. Der bayrische Ministerpräsident kritisierte aber zugleich im Interview mit dem Deutschlandfunk die Pläne von SPD, Grünen und FDP, den Sonderstatus der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach dem 25. November nicht mehr zu verlängern. „Das suggeriert ja, dass das Thema gar nicht präsent sei. Das Gegenteil ist der Fall.“

Auch Noch-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die geplante Aufhebung der epidemischen Lage als schweren Fehler. Altmaier schrieb am Montag auf Twitter, die Ampelkoalition habe eine faire Chance verdient, insbesondere für mehr Klimaschutz und Wachstum. „Die Aufhebung der pandemischen Lage wäre derzeit aber ein schwerer Fehler & das völlig falsche Signal. Es wäre ein Zeichen von Größe, das zu ändern.“

SPD, Grüne und FDP verteidigen Gesetzesplan

Auf Grundlage des Sonderstatus konnten bisher besonders harte CoV-Maßnahmen wie Geschäfts-, Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen angeordnet werden. Die möglichen künftigen Koalitionsparteien wiesen die Kritik vonseiten der Union am Montag freilich zurück. „Wir brauchen gute, gemeinsame Lösungen“, sagte Göring-Eckardt. Deshalb solle mit den Ländern der Dialog gesucht werden. „Die Situation eignet sich nicht dazu, parteipolitisch unterwegs zu sein.“

Nach den Worten von FDP-Parlamentsgeschäftsführer Buschmann planen SPD, Grüne und FDP ein Artikelgesetz, das das Infektionsschutzgesetz und andere Regelungen ändere. „Uns ist wichtig, dass die Corona-Politik wieder stärker in die Parlamente zurückkehrt“, sagte Buschmann. Auch SPD-Chefin Esken verteidigte das Vorhaben der Ampelparteien, die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen und die neuen Gesetze zu beschließen. Dadurch werde der Gesundheitsschutz „auf eine neue, starke rechtliche Basis“ gestellt, sagte Esken.

Nach den Plänen der Ampelparteien sollen die Bundesländer aber weiterhin die wesentlichen Coronavirus-Vorgaben, die jetzt schon gelten, anordnen können: Maskenpflicht, 3-G- oder 2-G-Zugangsregeln, Hygienekonzepte in Betrieben oder Kapazitätsbeschränkungen bei Veranstaltungen. Montagabend legten SPD, Grüne und FDP einen gemeinsamen Gesetzesentwurf vor. Die erste Beratung im Plenum ist für Donnerstag geplant, eine Verabschiedung – auch im Bundesrat – in der kommenden Woche.