Der Medienrummel um Pistorius war 2015 schnell wieder abgeebbt, seither wurde es ruhig um den ehemaligen Leichtathletik-Superstar. Pistorius war wegen Mordes an Steenkamp zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, ein Berufungsverfahren wurde in der Folge wegen Mangels guter Aussichten eingestellt. Nun suchte Pistorius um Bewährung an – eine Option, die in seinem Fall eigentlich erst für 2023 geplant war.
Eine Anhörung war bereits für vergangenen Monat geplant, jedoch aus terminlichen Gründen abgesagt worden. Das südafrikanische Recht verfolgt eine Politik des Dialogs zwischen Opfer- und Täterseite. Daher soll Pistorius im Rahmen seiner Bewährungsprüfung auf die Eltern des Mordopfers, Barry und June Steenkamp, treffen. Diese Zusammenkunft sei noch nicht arrangiert worden, hieß es von den Anwälten.
Eltern befürworten Treffen
Die Eltern wollen ein persönliches Treffen mit Pistorius, bevor er für eine vorzeitige Haftentlassung in Betracht gezogen wird, berichtete NPR. Die Steenkamps wollten ihn zu seinen Motiven für die Tat befragen, hieß es. So wolle die Familie endlich abschließen können. Außerdem wolle sie ihrer Tochter eine Stimme geben. „Sie sind Reevas Stimme, und sie schulden das ihrer geliebten Tochter“, so Tania Koen, die Anwältin der Steenkamps.

Die Familie kann dem Bewährungsausschuss auch Empfehlungen aussprechen. Ob sie sich für oder gegen eine Bewährung für den Mörder ihrer Tochter aussprechen würden, wollte die Anwältin nicht sagen. Die Meinung der Opferfamilien wird bei der Entscheidung berücksichtigt, sie ist aber nicht das einzige Kriterium.
Der 34-Jährige sitzt derzeit im für körperlich behinderte Insassen optimierten Atteridgeville Correctional Centre in Pretoria ein. Er müsste für das Treffen in Steenkamps Elternhaus nach Gqerberha gebracht werden, denn Barry Steenkamps Gesundheit erlaube eine Reise nicht, sagte Koen. Für die Eltern des Mordopfers sei es eine „riesige Überraschung“ gewesen, zu erfahren, dass Pistorius bereits für eine Bewährung infrage komme. Sie seien frühestens von einer Möglichkeit 2023 ausgegangen. „Das öffnet viele Wunden oder reißt die Pflaster ab, die sie auf diese Wunden gelegt hatten“, sagte Koen.
Langwieriger Prozess
Pistorius’ Prozess war langwierig und kompliziert, es folgten zudem zwei Berufungsverfahren. Insgesamt dauerte es vier Jahre lang und wurde erst 2018 – fünf Jahre nach dem Mord – abgeschlossen. Pistorius hatte Steenkamp am Valentinstag 2013 durch eine Toilettentür in seinem Haus mit vier Schüssen getötet. Er wurde dafür zunächst des fahrlässigen Tötungsdelikts, vergleichbar etwa mit Totschlag, schuldig gesprochen. Pistorius hatte angegeben, dass es ein Unfall gewesen sei. Er habe seine damalige Lebensgefährtin für einen Einbrecher gehalten.
Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung ein und erwirkte eine Verurteilung wegen Mordes. Später ersuchten die Ankläger noch einmal um eine höhere Haftstrafe für den Ex-Athleten. Da ihm bereits Teile seiner Strafe angerechnet wurden, darf Pistorius bereits jetzt um Bewährung ansuchen.

„Vorbildlicher Insasse“
Geht es nach Pistorius’ Anwälten, soll das Treffen mit den Eltern nun so bald wie möglich stattfinden, denn erst dann komme es zu einer Anhörung. „Nach allem, was ich beobachtet habe, war er ein vorbildlicher Insasse“, so Pistorius’ Anwalt Julian Knight. „Meiner Ansicht nach erfüllt er die Anforderungen für die Bewährung.“ Ein Bewährungsausschuss könne zudem Bedingungen für eine frühzeitige Haftentlassung auferlegen, etwa eine beschränkte Bewegungsfreiheit.
Pistorius’ Fall vom international gefeierten Athleten zum Todesschützen und die darauffolgende juristische Auseinandersetzung durch mehrere Instanzen hatte weltweit Aufsehen erregt. Der Sprinter hatte bei Paralympischen Spielen auf eigens angefertigten Karbonprothesen sechs Goldmedaillen gewonnen. In London startete er 2012 als erster beinamputierter Sportler bei den Olympischen Spielen. Der Mord an dem ebenfalls bekannten Model Steenkamp und der folgende Prozess geriet zum Medienspektakel.