Atomkraftwerk bei Cattenom, Frankreich
APA/AFP/Sebastien Berda
Debatte in der EU

Macron kündigt Bau neuer AKWs an

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken angekündigt. In einer TV-Ansprache begründete das Macron am Dienstagabend unter anderem mit dem Kampf gegen den Klimawandel und der Sorge um eine zuverlässige Energieversorgung. Frankreich machte sich schon in den vergangenen Wochen in der EU für Atomkraft stark und will, dass auch Brüssel sie als „grüne“ Energie anerkennt.

Derzeit sind dort 56 Reaktoren in Betrieb. Macron sagte in der TV-Ansprache: „Um Frankreichs Energieunabhängigkeit zu gewährleisten, die Stromversorgung unseres Landes zu sichern und unser Ziel der Kohlenstoffneutralität im Jahr 2050 zu erreichen, werden wir zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Errichtung von Kernreaktoren in unserem Land wieder aufnehmen.“

Bereits vor einigen Wochen hatte er die Absicht bekundet, bis 2030 kleinere Reaktoren schaffen zu wollen, die auch den Umgang mit nuklearem Müll erleichtern sollen. Zugleich solle aber auch die Entwicklung erneuerbarer Energien fortgesetzt werden. Frankreich gehört zu den Staaten, die seit Langem auf Atomenergie setzen und auch dabei bleiben wollen. Frankreich bezieht etwa 70 Prozent seines Stroms aus Atomkraftwerken.

Billigste Variante für CO2-Neutralität

Anders als Österreich und Deutschland setzt Frankreich auch nach der Katastrophe im japanischen Fukushima 2011 weiter auf Atomenergie. Zwar wurde das älteste AKW des Landes im elsässischen Fessenheim vergangenes Jahr abgeschaltet, und bis 2035 sollen weitere Reaktorblöcke vom Netz gehen. Aktuell liegt Frankreich aber hinter den USA immer noch auf Platz zwei der weltgrößten Produzenten von Atomstrom.

Nach einer Studie des Netzbetreibers RTE wäre ein CO2-neutraler Strombetrieb ohne neue AKWs bis 2050 nur mit enormen Anstrengungen möglich. Der Bau neuer Atomkraftwerke ist nach der Studie auch die billigste Lösung für Frankreich, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. „Neue Atomreaktoren zu bauen ist aus wirtschaftlicher Perspektive sinnvoll“, heißt es in der Ende Oktober veröffentlichten Studie.

Zuletzt große Probleme

Ausufernde Kosten und technische Probleme haben den Ausbau der Atomkraft durch den staatlichen Energiekonzern EDF zuletzt behindert. Für einen umstrittenen Atomreaktor in Flamanville am Ärmelkanal, dessen Bau bereits 2007 begann, wurde kürzlich die Betriebsgenehmigung erteilt. Die Inbetriebnahme war zuletzt auf Ende 2022 verschoben worden – auch, weil undichte Schweißnähte in der Stahlhülle entdeckten wurden. Die Kosten liegen statt ursprünglich veranschlagter 3,3 Milliarden nun wohl bei mehr als zwölf Milliarden Euro.

Werbung bei EU-Gipfel

Schon in den vergangenen Wochen hatte die französische Regierung die neuen Atomkraftpläne angedeutet – und in der EU dafür lobbyiert, Atomkraft als emissionsarme und deswegen „grüne“ Energie von der EU anerkennen zu lassen. Beim EU-Gipfel im Oktober warb Macron angesichts der hohen Energiepreise erneut für Atomkraft. „Wir hängen heute zu sehr vom Import bestimmter Energieträger ab, deren Preise von Schwankungen auf dem Markt bestimmt werden“, sagte er.

„Eine Diversifizierung der Ressourcen ist nötig, und Atomenergie muss auf jeden Fall Teil des Energiemix sein“, betonte der Präsident. Ohne Atomstrom, so argumentiert Frankreich, kann die EU nicht wie geplant bis 2050 klimaneutral werden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) galt bisher als größte Gegnerin der Atompläne: „Dass Frankreich anders auf die Kernenergie schaut als ich, ist ja keine Überraschung“, sagte sie beim Gipfel.

Mehrheit in EU für Atomstrom?

Auf dem Gipfel zeichnete sich laut Diplomaten aber erstmals eine deutliche Mehrheit für Macrons Vorstoß ab, was für ihn ein wichtiger Punktesieg vor Beginn des französischen EU-Ratsvorsitzes im Jänner und der Präsidentschaftswahl in Frankreich im April wäre. Die EU-Kommission könnte ihren Vorschlag für die Taxonomie bereits im November vorlegen.

Dabei handelt es sich um einen Rechtstext der EU-Kommission, den Investoren weltweit mit Spannung erwarten. Wenn die Brüsseler Behörde Atomenergie als „nachhaltig“ einstuft, kommt das einer Empfehlung an die Finanzmärkte gleich, in Atomanlagen zu investieren.

Warnung von NGOS und Grünen

Umweltorganisationen hatten die Kommission davor gewarnt, Atomkraft und Erdgas als umweltfreundliche Energien einzustufen. Ein solcher Schritt würde den Maßnahmen widersprechen, die gebraucht würden, um den Klimawandel auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte Sebastien Godinot vom WWF. Die Einbeziehung von Atomkraft und Erdgas in die EU-Taxonomie wäre „grob unverantwortlich“, sagte Greenpeace-Aktivistin Silvia Pastorelli.

Auch die Grünen im Europaparlament warnten die EU-Kommission bereits vor einer Einordnung der Atomkraft als „grüne“ Energie bei der künftigen Klimapolitik. „Das wäre der Super-GAU für Europas Energiewende“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Die Folgen wären auf dem Feld der Finanzen schnell spürbar: „Das Ergebnis wäre eine Entwertung aller neuen Finanzprodukte, die den Green Deal in Europa voranbringen sollten.“ Stattdessen werde dann mehr öffentliches und auch privates Geld in Richtung neuer Atomkraftwerke gelenkt.