Intensivmediziner in Schutzkleidung
APA/Helmut Fohringer
Vierte Welle

Experte fordert Lockdown, Politik dagegen

Der Infektiologe Richard Greil von der Universitätsklinik Salzburg warnt davor, dass die zuletzt verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der vierten CoV-Welle bei Weitem nicht ausreichen und zu langsam wirken werden, um eine Überforderung der Spitäler zu verhindern. Die Politik will dagegen von einem Lockdown nichts hören. Auch im besonders schwer betroffenen Oberösterreich sieht Landeshauptmann-Vize Christine Haberlander (ÖVP) „derzeit einen Lockdown nicht in Griffweite“.

Es sei klar, „dass uns die vierte Welle vor eine noch viel größere Herausforderung stellt als die dritte Welle“, sagte Greil Mittwochabend im ZIB2-Interview. Neben dem fehlenden Personal liege das vor allem an der „unglaublichen Anstiegsgeschwindigkeit“ der aktuellen Infektionswelle.

Nach dem Lockdown im Vorjahr sei der exponentielle Anstieg der Infektionen nach etwa zwei Wochen gebrochen worden. Jetzt sei man aber immer noch im exponentiellen Wachstum, und es würden erst jene Menschen, die vor sieben bis zehn Tagen erkrankten, in die Spitäler kommen. Selbst wenn man jetzt gravierende Maßnahmen – also einen Lockdown – verhänge, würde die Behandlung von Schwerstkranken mit Krebs- oder Traumaerkrankungen, die sich chirurgischen Operationen unterziehen müssen, und von geriatrischen Patienten reduziert werden müssen.

Infektiologe: Lockdown für alle

Derzeit werden mehr als 400 CoV-Patienten auf Intensivstationen behandelt. Laut dem Infektiologen Richard Greil vom Uniklinikum Salzburg ist die Lage prekär. Er sprach in der ZIB2 am Dienstag über die aktuelle Lage in den Krankenhäusern und über die zuletzt ergriffenen und mögliche weitere Maßnahmen.

Impfungen reichen nicht

Impfungen seien wichtig, zum Bremsen der aktuellen Situation würden sie aber viel zu langsam wirken, da es ja Wochen dauere, einen Impfschutz aufzubauen. Greil sprach sich daher erneut für eine drastische Kontaktreduktion, also einen harten Lockdown, aus. Dieser solle für alle – auch Geimpfte – gelten. Denn nur so könne er effektiv sein, da es gerade bei den Älteren und Vulnerablen, die zuerst geimpft wurden, mittlerweile zunehmend Impfdurchbrüche gebe.

Gartlehner: Wenn Lockdown, dann für alle

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner seinerseits kritisierte, es sei zu spät reagiert worden. Oberösterreich sei jedenfalls schon in einer Position, wo man aufpassen müsse. Einen Lockdown nur für Ungeimpfte kann sich der Epidemiologe nicht vorstellen. Wenn dann müsse er für alle gelten, so Gartlehner – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Haberlander: Lockdown nicht in Griffweite

In Oberösterreich sind laut „Standard“ in den Spitälern Gmunden, Vöcklabruck und Bad Ischl derzeit elf von 18 OP-Sälen gesperrt, weil das Personal zur Betreuung von Covid-19-Patienten benötigt wird.

3.424 Neuinfektionen von Dienstag auf Mittwoch meldete der Krisenstab für Oberösterreich – der höchste Wert in diesem Jahr. Erstmals seit Beginn der Pandemie hatte mit Oberösterreich am Dienstag ein Bundesland bei der 7-Tage-Inzidenz die 1.000er-Marke überschritten – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Die Gesundheitslandesrätin und Stellvertreterin von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), Haberlander, betonte aber im Ö1-Morgenjournal, dass sie keinen Lockdown erwarte. Dieser sei „derzeit nicht in Griffweite“, auch wenn sie sagte, sie habe in der Pandemie gelernt, nichts auszuschließen.

Schallenberg dementiert Lockdown-Gerüchte

Das Kanzleramt hatte am Dienstag Gerüchte über einen bevorstehenden österreichweiten Lockdown dementiert. Unter anderem via WhatsApp wurde – ohne die Nennung von Quellen – verbreitet, dass ab 17. November ein Lockdown mit geschlossenen Lokalen und nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gelten werde. Diese Behauptungen „sind falsch und entbehren jeder Grundlage“, so das Kanzleramt.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte etwa am Freitag gesagt, dass man keinen Lockdown für „Geschützte“, also gegen CoV Geimpfte, wolle. Der Stufenplan der Regierung sieht ab einer Intensivbettenbelegung von 600 Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte vor.

Haberlander sieht kein Versäumnis

Auf die wiederholte Frage, ob Oberösterreich und die dortige ÖVP-FPÖ-Regierungsallianz nicht viel zu lange gewartet hätten und man wegen des Landtagswahlkampfs auf die zahlreichen Impfgegner im Land zu sehr Rücksicht genommen habe, ging Haberlander nicht ein. Sie verwies lediglich darauf, dass die Lage im Sommer und Frühherbst „überraschend lange“ stabil gewesen sei.

Sie rief die Bevölkerung auf, sich impfen zu lassen. Das Angebot werde nun stark ausgeweitet. Dass man auch hier zu spät reagiert habe, sodass Impfwillige am Wochenende wegen fehlender Impfdosen abgewiesen werden mussten, wollte Haberlander nicht gelten lassen. Sie verwies darauf, dass es die Möglichkeit zur Impfung immerhin seit Monaten gibt.