Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer
APA/Franz Neumayr
Krisentreffen

OÖ und Salzburg gegen regionale Lockdowns

Der Coronavirus-Krisengipfel von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) mit den Landeshauptleuten von Oberösterreich und Salzburg am Mittwochnachmittag hat vorerst noch kein Ergebnis gebracht. Mückstein hat laut Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) regionale Lockdowns für Ungeimpfte in den beiden stark pandemiebetroffenen Ländern vorgeschlagen. Sowohl Haslauer als auch sein oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer (ÖVP) wollen das aber nicht.

Die Gespräche werden fortgesetzt, teilte das Ministerium danach mit. Es herrsche „Einigkeit, dass rasch, klar und entschlossen gehandelt werden muss“, heißt es in der schriftlichen Mitteilung aus Mücksteins Büro. Es sei „ein offenes Gespräch“ gewesen. Jetzt würden die Gespräche auf fachlicher Ebene und dann in einer weiteren Runde mit den Landeshauptleuten weitergeführt.

Am Donnerstag soll mit Experten diskutiert werden, ob ein Vorziehen der Stufe fünf – also ein Lockdown für Ungeimpfte – in den beiden Bundesländern sinnvoll ist. Am Freitag soll es das nächste Gespräch von Minister und Ländern geben.

Haslauer „etwas skeptisch“

Haslauer meinte bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen, dass er dem Vorschlag des Gesundheitsministers, einen Lockdown für Ungeimpfte zu verhängen, nicht nachkommen werde. Er sei da „etwas skeptisch“. Er verwies auf die seit Montag geltende 2-G-Regel, diese komme einem Lockdown für Ungeimpfte ohnehin schon nahe. Und ein Lockdown für Ungeimpfte sei „schwierig bis gar nicht zu kontrollieren“.

Analyse zu zu hohen CoV-Zahlen

Günther Mayr kommentiert die Reaktion der Politik auf Rekordzahl positiver CoV-Tests am Mittwoch, obwohl mehr als 60 Prozent der Österreicher inzwischen geimpft sind.

Stattdessen kündigte Haslauer an, die FFP2-Maskenpflicht „im Veranstaltungsbereich und an frequentierten Orten“ auszudehnen. Eine entsprechende Verordnung solle Beginn der nächsten Woche in Kraft treten, man wolle sich mit Oberösterreich koordinieren. Die Bereiche Bildung, Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie müssten unbedingt für Geimpfte offen bleiben.

Gegen „Einsperren“

Haslauer forderte eine sensible Vorgehensweise. „Wir müssen die Ansteckungen möglichst eindämmen, aber alles unterlassen, was die Impfwilligkeit in der Bevölkerung weiter reduziert. Bei einem Lockdown für alle werden die Leute sagen: Warum impfen, wenn ich eh nirgends teilnehmen kann.“ Man könne nicht nur rein virologische Wahrheiten umsetzen.

„Mir ist klar, dass es Virologen am liebsten wäre, jeden Österreicher in ein Zimmer zu sperren, weil er sich da nicht infizieren kann. Aber sie werden dann halt an Depression sterben oder verdursten.“ Der Salzburger Landeshauptmann hatte die Worte zwar als „Übertreibung“ eingeleitet, sorgte dafür aber in den sozialen Netzwerken dennoch für heftige Reaktionen.

Stelzer: „Haben viele Intensivbetten“

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer sieht einen regionalen Lockdown kritisch. In seinem Bundesland stelle sich die Frage, ob die Entwicklung auf den Intensivstationen tatsächlich ein Vorziehen der Stufe fünf notwendig mache. Man habe „Gott sei Dank viele Intensivbetten“, meinte der Landeshauptmann. Außerdem sei erst am Montag mit der 2-G-Regel eine „sehr scharfe Maßnahme in Kraft“ getreten.

„Wir brauchen einen Überblick, was sie bringen“, ob damit nicht die Situation in den Griff zu bekommen sei. Zuvor hatte man schon darauf Wert gelegt zu betonen, dass es sich um „einen Abstimmungstermin“ zwischen dem eigenen Bundesland, Salzburg und dem Gesundheitsminister handle.

Oberösterreich liegt die Inzidenz bei 1.137,8, in Salzburg bei 956,5. Allerdings gab und gibt es in Salzburg Probleme mit dem PCR-Test-Anbieter, daher dürfte es eine Verzerrung geben, die in den kommenden Tagen korrigiert werden sollte.

Schallenberg gegen generellen Lockdown

Einem generellen Lockdown – also auch für Geimpfte – hatte ÖVP-Bundeskanzler Alexander Schallenberg kurz vor Beginn des Gesprächs eine Absage erteilt: Einen Lockdown aus Solidarität mit den Ungeimpften soll es nicht geben, so Schallenberg in einer Stellungnahme. Dafür wolle er „auch weiterhin kämpfen“. Wenn die Entwicklung aber weitergehe, schloss er einen Lockdown für Ungeimpfte nicht aus. Diese dürften dann wie bereits in den vorhergehenden Lockdowns den Wohnbereich nur noch aus bestimmten Gründen verlassen.

„Wenn die Dynamik nicht abreißt, wird es laut Stufenplan schon sehr bald so weit sein“, so Schallenberg. Darüber hinaus wolle er über „weitere Maßnahmen“ wie die Frage der Impfpflicht in gewissen Berufsgruppen diskutieren. Zudem appellierte Schallenberg neuerlich, sich so rasch wie möglich impfen zu lassen.

Köstinger: In „Geiselhaft“ der „Impfverweigerer“

Aus der ÖVP-Ministerriege kam umgehend Unterstützung: Tourismusministerin Elisabeth Köstinger ließ wissen, dass „die Zeit der Solidarität mit jenen, die sich aus fadenscheinigen Gründen nicht impfen lassen wollen, abgelaufen“ sei. Es könne „nicht sein, dass mutwillige Impfverweigerer die Mehrheit der Bevölkerung in Geiselhaft nehmen“.

„Warum sollen Schülerinnen und Schüler solidarisch mit den Ungeimpften sein?“, fragte ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann – und verwies auf das systematische regelmäßige Testen in den Schulen und die hohe Impfquote der Lehrer. ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher betonte die „kollektive Verantwortung“ zur Impfung – und plädierte dafür, über die Ausweitung der Impfpflicht auf alle Bedienstete im Gesundheitswesen zu diskutieren. Bisher gilt sie für Neuanstellungen.

Bald systemkritische Auslastung der Intensivstationen?

Mit den rasant steigenden Infektionszahlen und der damit verbundenen Zunahme an Covid-19-Patientinnen und -Patienten in den heimischen Spitälern rückt das Erreichen der systemkritischen Auslastung im intensivmedizinischen Bereich (ICU) näher.

Davor warnt das Covid-19-Prognosekonsortium in seiner am Mittwoch erstellten Kapazitätsvorschau. „Die Überschreitung der 33-prozentigen Auslastungsgrenze ist am 24. November in allen Bundesländern möglich“, so die Experten.

Oberösterreich besonders betroffen

Die Wahrscheinlichkeit, dass die systemkritische Auslastung auf den Intensivstationen in Oberösterreich in zwei Wochen überschritten wird, liegt dem Prognosekonsortium zufolge bei 95 Prozent. In Niederösterreich liegt sie bei 84 Prozent, in Salzburg und Vorarlberg bei jeweils 65 Prozent.

Am geringsten ist die Wahrscheinlichkeit in Kärnten und Wien mit 35 bzw. 40 Prozent. Bezogen auf ganz Österreich beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kapazitätsgrenzen für intensivpflichtige Covid-19-Patientinnen und -Patienten nicht mehr reichen, 65 Prozent.

Paschinger (ORF) zu Lockdown-Wünschen

Julian Paschinger kommentiert die Diskussion über eventuell drohende Lockdowns der türkis-grünen Bundesregierung beziehungsweise der Landesregierungen.

Im schlimmsten Fall mehr als 900 Kranke

In einer Belagsprognose geht das Konsortium davon aus, dass in zwei Wochen im schlimmsten Fall mehr als 900 Covid-19-Kranke auf Intensivstationen liegen könnten. Der errechnete Mittelwert liegt bei 748 intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten. Die meisten – nämlich bis zu 200 – werden in Oberösterreich erwartet, die wenigsten im Burgenland.

Auf den Normalstationen werden zwischen 2.512 und 4.060 Covid-19-Kranke erwartet, der errechnete Mittelwert liegt bei 3.194. Zum Vergleich: Am Mittwoch wurden 413 schwere Fälle auf Intensivstationen behandelt, auf Normalstationen waren es 1.824. Schon jetzt gibt es laute Warnungen.

7-Tage-Inzidenz von bis zu 1.250 erwartet

Was die Fallzahlen betrifft, rechnet das Prognosekonsortium mit einem Inzidenzniveau „in bisher noch nicht beobachteten Größenordnungen“. Für Mittwoch kommender Woche wird für Österreich eine 7-Tage-Inzidenz zwischen 909 und 1.250 erwartet.

Durch die Decke dürften die Inzidenzen in Oberösterreich und Salzburg gehen, wo mit Werten über 1.500 gerechnet werden muss. Schlimmstenfalls könnte sogar an der 2.000er-Marke gekratzt werden. Am glimpflichsten – wenn auch auf einem sehr hohen Niveau – dürfte Wien davonkommen, wo am 17. November mit einer Inzidenz zwischen knapp 600 und rund 950 zu rechnen ist.

SPÖ sieht „katastrophales Management“

Kritik am „katastrophalen Coronavirus-Management der Regierung“ übte am Mittwoch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch: „Die SPÖ hat immer wieder an die Regierung appelliert, endlich für ein funktionierendes Corona-Management mit Klarheit, Voraussicht und Planbarkeit zu sorgen. Und wir haben wiederholt vor einem Verschlafen des Sommers und einer Wiederholung des Corona-Horrorjahrs 2020 gewarnt.“

Die Regierung habe aber „alle Warnungen in den Wind geschlagen und ihr fahrlässiges Management by Chaos einfach fortgesetzt“. Eine „besonders unrühmliche Rolle“ habe dabei Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gespielt, „der die Pandemie eiskalt zur Privatsache erklärt hat und der Bevölkerung mit seiner Aussage, dass die Pandemie bewältigt sei, trügerische Sicherheit vorgegaukelt hat“.

NEOS verlangt Mückstein-Rücktritt

NEOS warf Gesundheitsminister Mückstein Versagen vor, Vizeklubobmann Gerald Loacker verlangte in einer Pressekonferenz am Nachmittag seinen Rücktritt und stellte einen Misstrauensantrag in Aussicht. Generalsekretär Douglas Hoyos übte auch scharfe Kritik an der ÖVP-Regierungsriege in Oberösterreich. Die Geimpften dürften nun nicht die Dummen sein, und die Schulen müssten offen bleiben, forderte er.