Chats: Mitterlehner tritt Kurz-Entlastungsversuch entgegen

Der Vorgänger von Sebastian Kurz (ÖVP) an der Parteispitze, Reinhold Mitterlehner, hat sich zur Inseratenaffäre in der „Tiroler Tageszeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) zu Wort gemeldet. Er widerspricht dem jüngsten Entlastungsversuch von ÖVP-Klubvizeobmann August Wöginger für den mittlerweile als Bundeskanzler zurückgetretenen Kurz.

In einer Reaktion von heute empfahl Reinhold Lopatka, bis 2017 ÖVP-Klubobmann und Parteiobmann-Stellvertreter, nunmehr Abgeordneter, Mitterlehner, besser zu „schweigen, anstatt andere anzugreifen und so um Aufmerksamkeit zu heischen“.

Wenn Mitterlehner „von ‚unglaublichen Vorgängen‘“ spreche, dann könne er „eigentlich nur das ‚Im-Stich-Lassen‘ der damaligen Familienministerin Sophie Karmasin durch seine Person“ meinen, so Lopatka in einer Aussendung.

Mitterlehner will, wie er sagte, sich nicht von Kurz und dessen Anwälten „als Entlastungszeuge missbrauchen“ lassen. Er habe zu „all den unglaublichen Vorgängen nichts mehr sagen“ wollen. Aber „die untauglichen Entlastungsversuche kann ich nicht mehr schweigend hinnehmen“, so Mitterlehner laut Vorabmeldung.

Treffen in Chats

Das Fass zum Überlaufen gebracht hätten, so die Zeitung, die Aussagen von Anwalt Norbert Wess im „Kurier“ zur Verteidigung seiner Mandantin, der ebenfalls in der ÖVP-Affäre beschuldigten Ex-Familienministerin Sophie Karmasin. Dass Kurz mit der ehemaligen Ministerin ein Gespräch führen wollte, hätte ganz andere Gründe gehabt als einen möglichen Umfragedeal, so Wess zu den Nachrichten zwischen dem späteren ÖVP-Chef und Thomas Schmid.

Der „Kurier“-Artikel nannte folgenden Chatverlauf: Im März 2016 schrieb der spätere ÖBAG-Chef Schmid, zu dem Zeitpunkt Kabinettschef im Finanzministerium, an Kurz: „Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte.“ „Kann ich mit ihr reden“, antwortete Kurz.

Schmid darauf: „Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen (des damaligen Vizekanzlers und ÖVP-Chefs Reinhold, Anm.) Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Mitterlehners Vorgänger als ÖVP-Chef, Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt.“ Schmid weiter: „Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher.“ „Passt mache ich“, antwortete Kurz.

„Ging um Meinungsumfragen“

Mitterlehner habe sich auch über Wögingers Replik geärgert, so die „TT“. Dieser hatte beim Ministerrats-Doorstep gesagt, dass er Kurz „massiv“ entlastet sehe – weil nun klar sei, dass der Chat falsch interpretiert worden sei. In Wahrheit habe Kurz Karmasin treffen wollen, um den Rücktritt der Ministerin zu verhindern.

Dem tritt Mitterlehner vehement entgegen: Aus dem Chatverlauf gehe für ihn „klar hervor, dass es beim Treffen Kurz mit Karmasin um Meinungsumfragen ging und nicht um Rücktritt oder Neuwahlen. Weiters sei es absurd, dass sich Kurz um Neuwahlen sorgte, weil bereits eine Umfrage im Feld war, die belegen sollte, dass Kurz bei umgehenden Neuwahlen der mit Abstand bessere Kandidat wäre.“ Wögingers und Wess’ Interpretation stehe dem Chatverlauf, so Mitterlehner, „diametral entgegen“.

Ermittlungen laufen

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt unter anderen gegen Karmasin, Kurz und Wolfgang Fellner wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Der Vorwurf lautet, dass aus Mitteln des Finanzministeriums, also Steuergeld, manipulierte Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens in „Österreich“ bezahlt wurden, die ausschließlich im parteipolitischen Interesse von Kurz waren.