Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein
ORF
Lockdown für Ungeimpfte

In Salzburg und OÖ fix, Ausweitung unklar

In Salzburg und Oberösterreich wird es ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte geben. Das kündigte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) Freitagmittag an. Eine Ausweitung auf ganz Österreich würde am Sonntag mit den Landeshauptleuten besprochen, so der Gesundheitsminister, ohne auf Detailfragen einzugehen. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte kurz zuvor angekündigt, am Wochenende „grünes Licht“ für einen bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte geben zu wollen.

Die Verordnung für den partiellen Lockdown in Oberösterreich und Salzburg wird das Gesundheitsministerium erlassen. Die rechtlichen Grundlagen für die darüber hinausgehenden, von den Landeshauptleuten verkündeten Maßnahmen machen die beiden Länder selbst. In Oberösterreich werden bis 6. Dezember alle Veranstaltungen untersagt – mit Ausnahme der Veranstaltungen im „professionellen Kultur- und Sportbereich“. Die Nachtgastronomie wird geschlossen, Adventmärkte können stattfinden, allerdings mit Maskenpflicht und Konsumationsverbot – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Höchst zurückhaltend war Mückstein auch zur Frage, wie ein Lockdown lediglich für Ungeimpfte kontrolliert werden soll. Regeln würden auch ohne lückenlose Kontrolle gelten, meinte er und verwies auf 30er-Zonen vor Schulen. Die müssten auch nicht alle kontrolliert werden und seien trotzdem eine sinnvolle Regelung.

Statement von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gab am Freitag bekannt, dass die Einschränkungen in den am stärksten von Covid-19 betroffenen Bundesländern Oberösterreich und Salzburg bereits Anfang kommender Woche starten.

Am Sonntag werden die Landeshauptleute mit der Regierung in einer virtuellen Konferenz weiter beraten. Auch außerhalb von Salzburg und Oberösterreich sind laut Mückstein weitgehendere Maßnahmen notwendig. Die rechtlichen Grundlagen soll am Sonntag der Hauptausschuss festlegen.

Schallenberg will „bundeseinheitliche“ Lösung

Er wolle jedenfalls eine „bundeseinheitliche“ Lösung, sagte Schallenberg bei einer Pressekonferenz zur „Blackout“-Übung in Innsbruck. Einmal mehr erteilte der Kanzler einem generellen Lockdown – also auch für Geimpfte und Genesene – eine klare Absage: Es müssten nämlich diejenigen geschützt werden, die sich auch selbst gegen das Virus durch eine Impfung geschützt hätten. Eine „Solidarität“ mit den Ungeimpften im Sinne eines Gangs in den Lockdown für alle dürfe es nicht geben.

„Grünes Licht“ für Lockdown für Ungeimpfte

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat dem von ihm bereits am Donnerstag ventilierten Lockdown für Ungeimpfte einen konkreten Zeitplan verpasst. Man wolle am Sonntag „grünes Licht“ für einen solchen Lockdown geben, sagte Schallenberg.

Stichprobenartige Kontrollen, Appell an Vernunft

Wie bei den bisherigen Lockdowns würden die Ausgangsbeschränkungen bedeuten, dass man etwa außer für Einkäufe oder zum Füßevertreten das Haus nicht verlassen dürfe, so Schallenberg – aber dieses Mal gelte das eben nur für Ungeimpfte. Die Kontrolle soll stichprobenartig erfolgen, wobei er den Fokus nicht auf die Kontrolle legen wolle, sondern an die Menschen appelliere: „Es ist ernst, es geht um unsere Gesundheit, unser höchstes Gut, mit dem wir nicht leichtfertig umgehen sollten.“

Man müsse die Schrauben nochmals enger ziehen, so Schallenberg, es könne auch regional schärfere Maßnahmen geben. „Machen wir das gerne? Nein, wir wären gerne in einer anderen Situation“, so der Kanzler weiter. Er halte es für „bitter“, dass man in dieser Lockdown-Spirale stecke. Man komme hier nur mit einer Impfung heraus. Das gemeinsames Ziel müsse sein, das Gesundheitssystem zu entlasten.

Damit sind allerdings auch alle Salzburger Vorschläge vom Tisch, wie ein Lockdown für Ungeimpfte vermieden werden könne. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) kündigte an, die Verordnung mittragen zu wollen: „Man kann nicht von einem Landeshauptmann verlangen, dass er mit einem Federstrich einzelnen Leuten ihre Grund- und Freiheitsrechte entzieht“, sagte Haslauer. „Wenn der Bund die Regeln ändert, dann muss er das in einem demokratisch legitimierten Weg machen. Das muss ich dann akzeptieren – und das wird dann entsprechend umgesetzt“ – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Tirol, Steiermark und NÖ wollen bundeseinheitliche Regeln

Tirols Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) sagte, er sei als bekennender Föderalist schon immer dafür eingetreten, dass es bundeseinheitliche Regeln brauche. Das Virus kenne keine Grenzen, „wir haben alle dasselbe Problem“. Man müsse nun aber auch alles daransetzen, dass die Bevölkerung nicht weiter verunsichert werde.

Auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner sprach sich im Vorhinein für eine bundesweite Regelung aus: „Die noch zu geringe Impfquote führt zu Überlastungen in den Spitälern. Daher ist es vernünftig, bundeseinheitlich diesen Schritt zu setzen – und nicht über einen Lockdown für alle zu spekulieren“, so Mikl-Leitner. „Denn die mangelnde Impfbereitschaft einiger darf nicht zu Einschränkungen aller führen“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) will den angekündigten bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte mittragen: „Ich habe mich immer für bundeseinheitliche Maßnahmen ausgesprochen. Wir müssen an einem Strang ziehen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen“, sagte er am Freitagnachmittag gegenüber der APA. Niederösterreich befürwortet generell eine bundesweite Regelung. In Kärnten will man hingegen noch die Gespräche mit der Bundesregierung abwarten.

Doskozil gegen bundesweiten Ungeimpften-Lockdown

Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) bezweifelt den Sinn einer bundesweiten Regelung. Er sei „skeptisch, was die Sinnhaftigkeit und praktische Umsetzbarkeit betrifft“. Die Frage sei, wie ein derartiger „Lockdown für Ungeimpfte“ in der Praxis funktionieren solle und wie man ihn der Bevölkerung erklären könne – gerade im Burgenland, wo die Impfquote vergleichsweise hoch sei, betonte Doskozil am Freitag auf APA-Anfrage. Für ihn sei weiter das Impfen die vorrangige Maßnahme.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) mahnte die Bundesregierung nach verschiedenen Aussagen zur Coronavirus-Krise zu Besonnenheit, rhetorische Scharfmacherei sei hier nicht am Platz. Für die für Sonntag avisierte Videokonferenz der Landeshauptleute mit der Bundesregierung erwartet sich Kaiser ein klares Bekenntnis zu einer ziel- und lösungsorientierten Sprachregelung sowie gemeinsame, wohlüberlegte und für die Bevölkerung nachvollziehbar argumentierbare weitere Schritte, um die dramatisch steigenden Infektionszahlen und die Zahl der belegten Intensivbetten in den Griff zu bekommen – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Wien setzt auf 2-G Plus

„Die Dynamik des Infektionsgeschehens ist auch in Wien weiterhin hoch“, teilte am Abend schließlich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) mit. Um das Schutzniveau weiter zu erhöhen und so weiterhin sicher offen halten zu können, führt die Stadt Wien etwa für die Nachtgastromie und bei allen Zusammenkünften ab 25 Personen 2-G Plus (geimpft oder genesen und zusätzlich ein PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, Anm.) ein, wie Ludwig per Aussendung mitteilte – mehr dazu in wien.ORF.at.

Verfassungsrechtler skeptisch

Verfassungsrechtler sind unterdessen skeptisch, dass die Maßnahme nicht verfassungswidrig und gesetzwidrig sein wird. Denn angesichts vieler Infektionen auch von Geimpften könne längst nicht mehr von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen werden. Und solche faktischen Gegebenheiten haben auch rechtliche Auswirkungen, meinte etwa der Verfassungsrechtler und Gesundheitsrechtsexperte Karl Stöger gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal.

„Es geht darum: Darf ich Geimpfte und Ungeimpfte unterschiedlich behandeln? Und das darf ich, solange das medizinisch Sinn macht. Man hört immer mehr Mediziner, die sagen, es ist zu spät, um zwischen Geimpften und Ungeimpften zu differenzieren – man müsse Maßnahmen für alle ergreifen.“

Rechtliche Zweifel am Teil-Lockdown äußerte auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk – und zwar wegen der schweren Überwachbarkeit, wie er gegenüber dem „Standard“ sagte . Um Verhältnismäßigkeit zu garantieren, müsse sichergestellt werden, dass sich der Bewegungsspielraum von Menschen ohne Immunisierung tatsächlich auf Wohnung, Arbeitsplatz und Spazierengehen beschränke.

„Teufel sitzt im Detail“

Der Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer sieht in einer Verordnung für einen Lockdown für Ungeimpfte „vom Grundsätzlichen her kein Problem“. Seines Erachtens sei eine derartige Maßnahme faktenbasiert ausreichend belegt, und offenbar laut Auffassung der Mediziner auch geeignet, das Geschehen in den Griff zu bekommen, meinte er im Gespräch mit der APA.

Der sprichwörtliche „Teufel sitzt im Detail“: Ein Lockdown für Ungeimpfte sei kaum kontrollierbar. „Wie will man denn im öffentlichen Raum kontrollieren, ob wirklich alle Menschen, die sich dort aufhalten, auch geimpft sind“, fragt sich der Jurist. Daher bestehe die Gefahr, dass die Maßnahme „nicht effektiv und damit verfassungswidrig“ sei, da die Rechtfertigung, die Aussicht auf Erfolg, fehle. Er geht davon aus, dass es auch Klagen geben werde.

Ein von Virologen geforderter Lockdown für alle wäre für Mayer „ein gerader Weg“, der „relativ einfach zu kontrollieren“ wäre. Auch Geimpfte mit Beschränkungen zu belegen, könne „aus medizinischer Sicht“ begründet werden, da sie ebenfalls „infektiös sind, auch erkranken können und das Virus weitergeben können“, meinte der Verfassungsexperte. Ein Lockdown für alle wäre „das geeignetste und wohl auch zulässigste Mittel“.

Epidemiologe Gartlehner: „Kein Beispiel und keine Evidenz“

Welche Wirkung ein Lockdown für Ungeimpfte tatsächlich entfalten kann, ist für den Epidemiologen Gerald Gartlehner schwer abschätzbar, wie er im APA-Gespräch erklärte. Es gebe für eine solche Maßnahme kein Beispiel und keine Evidenz. Käme der Ungeimpften-Lockdown österreichweit, glaubt der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems, dass sich in Bundesländern wie dem Burgenland, der Steiermark oder Wien dadurch die Covid-19-Infektionslage stabilisieren kann. Eine Stabilisierung bringe aber Oberösterreich und Salzburg wenig, „weil das Gesundheitssystem das auf die Dauer nicht aushalten würde. Die müssen schauen, dass die Zahlen rasch und drastisch nach unten gehen“.

Gegenüber der erst kürzlich gesetzten 2-G-Regel käme durch den Lockdown für Ungeimpfte nicht sehr viel mehr an Einschränkung dazu. „Abgesehen davon ist mir schleierhaft, wie das Ganze kontrolliert wird“, so Gartlehner: „Der Zusatznutzen ist zu klein, dass Oberösterreich und Salzburg aus diesem Schlamassel herauskommen.“ Für die beiden Länder werde es nun „richtig schwer“.

Für den Rest Österreichs stellt sich die Frage, ob die Zahlen tatsächlich stabilisiert werden können, oder ob auch andere Bundesländer vielleicht nur zwei oder drei Wochen hinter der dramatischen Entwicklung zurückliegen und die gleichen Probleme auftauchen.