Kohlekraftwerk in China
AP/Sam Mcneil
Umwelt-NGOs empört

COP26 schwächt Entwurf ab

Bei der UNO-Klimakonferenz COP26 in Glasgow liegen am offiziell letzten Tag nun Verhandlungstexte mit abgeschwächten Formulierungen vor – etwa zur Abkehr von Kohle und anderen fossilen Energieträgern. Auch der Aufruf an die Staaten, ihre Klimaschutzziele öfter als bisher vorgesehen zu überprüfen, wurde eingeschränkt. Das ruft Umwelt-NGOs und -aktivisten auf den Plan.

In einer früheren Fassung der Abschlusserklärung war noch davon die Rede, dass alle Staaten den Ausstieg aus der Kohle und aus Subventionen für fossile Energieträger beschleunigen sollten. Die am Freitag vorgelegte Fassung wurde nun mit dem Zusatz „ohne CO2-Abscheidung“ abgeschwächt.

Kohlekraftwerke, die Technologie zum Abfangen von klimaschädlichem Kohlendioxid nutzen, sind damit nicht mehr vom Ausstieg betroffen. Kritiker dieser Technologie wenden ein, es sei unsicher, ob das Kohlendioxid über den angedachten Zeitraum von 10.000 Jahren eingeschlossen bleibt oder doch entweicht.

Aus nur für „ineffiziente“ Subventionen

Bei dem Appell an die Staaten, ihre Subventionen für alle fossilen Energieträger einzustellen, wurde nun eingeschränkt, dass damit nur „ineffiziente“ Subventionen gemeint sind. Damit fällt die Subvention etwa von Erdgasinfrastruktur für eine Übergangsphase beim Umstieg von der Kohle auf erneuerbare Energien nicht unter diesen Aufruf.

Damit stünde es quasi im Belieben der einzelnen Staaten, welche Subventionen gemeint sein sollen, kritisierte der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig. „Diese Subventionen müssen weg“, sagte der US-Klimabeauftragte John Kerry. Auch US-Präsident Joe Biden habe das zum Ziel. In den vergangenen fünf Jahren seien weltweit 2,5 Billionen Dollar solcher klimaschädlichen Subventionen geflossen, so Kerry. „Das ist die Definition des Irrsinns!“ Schnelles Handeln sei eine existenzielle Frage, sagte er. „Menschen sterben, schon heute.“

Eingeschränkte Überprüfung

Weiter enthalten in dem Entscheidungstext ist auch der Aufruf an die Staaten, ihre nationalen Klimaschutzziele (NDC) öfter als bisher im Pariser Abkommen vorgesehen zu überprüfen. Bereits bis kommendes Jahr sollen sie ihre NDCs auf den Prüfstand stellen – drei Jahre früher als geplant.

Dabei wurde in der überarbeiteten Textfassung allerdings eingefügt, dass jeweils „die besonderen nationalen Umstände“ zu berücksichtigen seien. Mit der häufigeren NDC-Überprüfung soll das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Reichweite gehalten werden. Derzeit steuert die Erde selbst bei Erfüllung aller nationaler Klimaschutzzusagen nach UNO-Angaben auf eine gefährliche Erwärmung um 2,7 Grad zu.

„In Schlüsselbereichen rückwärts“

Im Pariser Abkommen ist eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad vorgesehen. In der zur Verhandlung stehenden COP26-Rahmenentscheidung werden die 1,5 Grad als Zielmarke gestärkt mit der Anerkennung, „dass die Auswirkungen des Klimawandels viel geringer sein werden bei einem Temperaturanstieg um 1,5 Grad verglichen mit zwei Grad“, und dem Bekenntnis, die „Bemühungen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad fortzusetzen“.

Klimaaktivisten in Glasgow
Reuters/Dylan Martinez
Als Joe Biden und Boris Johnson maskierte Klimaaktivisten auf den Straßen Glasgows

Die Umweltschutzorganisation WWF sagte, der überarbeitete Entwurf bewege sich „in Schlüsselbereichen rückwärts“. Dass die Formulierungen zu fossiler Energie nicht entfallen seien, sei „ein wichtiges Signal“, die Einschränkungen müssten aber wieder gestrichen werden. Außerdem sei der Beschlusstext „nicht auf Linie mit den 1,5 Grad“.

Während COP26-Präsident Alok Sharma den „‚We can‘-Geist“ („Wir können“) für die Verhandlungen beschwor, zogen Hunderte Delegierte am Freitag protestierend durch das Tagungsgebäude, um „Klimagerechtigkeit“ zu fordern. Auch Klimaaktivisten wollten noch einmal Druck aufbauen: Auf den Straßen Glasgows kritisierten sie – teilweise als Boris Johnson und andere Politiker verkleidet – die Mächtigen als zündelnde Brandstifter.

„Gefährliche Luftnummer“

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser warnte, ohne Nachschärfungen bei den Punkten fossile Energien und robuste Regeln für Kohlenstoffmärkte werde Glasgow „eine gefährliche Luftnummer“. Die Schlupflöcher beim Thema Kohle und Subventionen müssten dringend geschlossen werden, sagte der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser: „Ansonsten wird Glasgow eine gefährliche Luftnummer.“

Doch gibt es aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsverbände auch kleine Lichtblicke. So blieb die Aufforderung an alle Länder erhalten, ihre Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt bis Ende 2022 nachzubessern. Weiterhin bleibt diese aber freiwillig, es gibt keine Verpflichtung. Auch sollen alljährlich die Minister zu dem Thema zusammenkommen. Kowalzig kommentierte: „Als echte Kehrtwende im Kampf gegen die Klimakrise lässt sich der jetzige Entwurf aber weiterhin nicht bezeichnen.“

Russland visiert Emissionszertifikate an

Russlands Delegation forderte indes Bewegung bei den Emissionszertifikaten. Hier geht es um den Artikel 6, den Teil des „Rulebooks“ zum Pariser Klimaschutzabkommen, den die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) für die EU auf der COP26 verhandelt und der die Regeln für die Regulierung der globalen Märkte für Emissionszertifikate festlegen soll. „Die aktuelle Version des Textes zu den Markt- und Nicht-Marktmechanismen von Artikel 6 erfordert eine zusätzliche Ausarbeitung“, sagte ein Vertreter der russischen Delegation auf dem Gipfel.

Besonders eine Lösung, mit der alte Kredite, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgelegt wurden, auf die neuen „Pariser Märkte“ übertragen und dort angerechnet werden können, soll im Interesse Russlands gewesen sein. Das widerspricht wiederum den Vorstellungen der EU und von Gewessler, die hier wissen ließ, dass bei Zertifikaten aus der „Kyoto-Periode“ eine „vollständige Überführung“ in die „Paris-Periode“ ausgeschlossen sei.

Schadenersatzzahlungen für arme Staaten

Erstmals wird in dem Entwurf zudem die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Klimaschäden und Verlusten einzurichten. Dabei geht es etwa um Zerstörungen und erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten und Wirbelstürmen, die infolge der Erderhitzung zunehmen. Bisher habe Schottland als einziges Land der Welt solche Schadenersatzzahlungen zugesagt, hatte zuvor die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon gesagt und zum Umdenken aufgefordert.

Die Staaten werden aufgefordert, in diese neue „Fazilität“ einzuzahlen. Es gibt aber keine Verpflichtung dazu, und auch konkrete Summen werden nicht genannt. Kowalzig kritisierte, dass der Topf nur technische Unterstützung nach Schadensereignissen bereitstellen, aber nicht den kompletten Schaden begleichen soll. „Das ist so, als wenn der Brandstifter dem Eigentümer des zerstörten Hauses sagt: Ich zahle aber nur den Architekten für den Neubau.“

Klimaaktivistin Vanessa Nakate  schottische Poliitikerin Nicola Sturgeon
Reuters/Yves Herman
Podiumsdiskussion der Klimaaktivistin Vanessa Nakate (Bildmitte) und der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon

Die reichen Länder werden im neuen Entwurf weiter aufgefordert, die Finanzhilfen für ärmere Länder für die Anpassung an Klimaänderungen, etwa Dürren, in den ärmeren Ländern zu verdoppeln. Neu hinzu kamen nun das Enddatum 2025 und der Maßstab, nämlich das aktuelle Niveau. Da das nun bis 2025 gefordert werde, sei dieser Appell „nicht mehr leere Hülle“, so Kowalzig. Derzeit fließen dafür weltweit etwa 20 Milliarden Dollar, diese müssten also bis in vier Jahren auf 40 Milliarden aufgestockt werden.

„Kompromiss, der Hoffnung macht“

Bei Klimaschützern und Experten herrschte also nicht Unzufriedenheit auf ganzer Linie. „Insgesamt ist das ein Kompromiss, der Hoffnung macht“, sagte Yamide Dagnet vom World Ressources Institute. Vor dem Endspurt hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres die rund 200 Staaten nochmals ermahnt, in den Verhandlungen mehr Ehrgeiz und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Zudem müssten alle Länder „radikal“ ihren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase drosseln.

Am Ende des Mammutreffens mit rund 40.000 Delegierten – planmäßig für Freitagabend angesetzt – müssen die Vertreter der rund 200 Staaten den endgültigen Text der Erklärung einstimmig beschließen. Österreich ist in der Schlussphase durch Gewessler vertreten. Alle Konferenzen der vergangenen Jahre sind stets um mindestens einen Tag verlängert worden.

COP27 in Ägypten

Die nächste Weltklimakonferenz (COP27) soll 2022 in Ägypten stattfinden. Das teilte das Umweltministerium des nordafrikanischen Landes am Donnerstagabend mit. Zum Tagungsort wurde der Küstenort Scharm al-Scheich bestimmt. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte im September sein Interesse an einer Ausrichtung der COP27 im Namen des afrikanischen Kontinents bekundet. Für das Jahr 2023 wurden die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber auserkoren.

Bei der Klimakonferenz in Ägypten müsse die Staatengemeinschaft sagen können: Es sei geschafft, auf den Pfad hin zu 1,5 Grad zu kommen, sagte der Leiter der EU-Delegation, Frans Timmermans. „Die Klimakrise ist hier.“ Millionen Menschen litten schon jetzt darunter. Bei dem 2015 in Paris beschlossenen Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, gehe es darum zu verhindern, dass der Planet „unbewohnbar“ werde „für unsere Kinder und Enkelkinder“.

Er selbst sei im Jahr 2050 wohl schon tot. Aber sein Enkel solle ein friedliches Leben in Wohlstand leben können, sagte Timmermans. „Das hier ist persönlich, es geht nicht um Politik“, sagte er. Und er lebe noch nicht einmal auf Barbados oder den Marshall-Inseln. Dort sei es noch viel persönlicher, „weil man mit den Füßen im Wasser steht“.