Das Bundeskanzleramt in Wien.
ORF.at/Roland Winkler
CoV-Maßnahmen

Krisensitzung über weitere Vorgangsweise

Die Regierung wird am Sonntagvormittag mit den Landeshauptleuten über die weitere CoV-Vorgangsweise beraten. Bei der Krisensitzung geht es wohl um die im Raum stehende bundesweite Ausweitung der bereits für Salzburg und Oberösterreich beschlossenen Maßnahmen – Stichwort Lockdown für Ungeimpfte.

Die Regierung wird unter anderen durch Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) vertreten sein. Die Landeshauptleute sind per Videokonferenz dabei. Mückstein fixierte bereits Freitagmittag mit den Landeshauptmännern von Oberösterreich, Thomas Stelzer, und Salzburg, Wilfried Haslauer (beide ÖVP), die Ausgangsbeschränkungen für jene, die weder geimpft noch genesen sind.

Nach anfänglichem Zögern hatte Stelzer am Donnerstag eingelenkt und sich für einen regionalen Lockdown ausgesprochen, Salzburg dagegen wollte es weiterhin bei gelinderen Maßnahmen belassen. Mückstein konnte dann in einer Pressekonferenz nach dem Gipfel am Freitag verkünden, dass der Lockdown für Ungeimpfte ab Montag doch in beiden Bundesländern umgesetzt wird.

Lockdown für Ungeimpfte ab Montag

In Oberösterreich und Salzburg wird bereits ab kommendem Montag ein Lockdown für jene Menschen gelten, die nicht gegen eine Infektion geschützt sind. Noch am Wochenende aber soll entschieden werden, ob diese Maßnahme auf ganz Österreich ausgedehnt wird.

Noch offene Fragen

Ein Lockdown für Ungeimpfte ist die höchste Eskalationsstufe im Stufenplan der Bundesregierung. Sie sah ursprünglich vor, dass bei einer Intensivstationsauslastung von über 600 Betten „Ausgangsbeschränkungen“ für Ungeimpfte kommen. Damit soll für all jene, die weder eine Impfung noch einen aufrechten Genesungsstatus vorweisen können, das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs nur noch in Ausnahmefällen gestattet sein. Erlaubt ist etwa noch die Grundversorgung (wie Einkäufe) oder der Weg zur Arbeit. Das Szenario wird nun wohl vorgezogen. Am Freitag lagen 436 CoV-Patienten auf Intensivstationen.

Wie genau der Lockdown für Ungeimpfte ausgestaltet sein wird und wie das kontrolliert werden soll, ist noch nicht bekannt. Die Kontrollen sollen „stichprobenartig“ vorgenommen werden, meinte Schallenberg. Die Wohnung verlassen könne man dann, wenn man der Arbeit nachgehen, notwendige Besorgungen machen müsse und sich „die Füße vertreten“ wolle. Engmaschige Kontrollen könne es aber nicht geben, erklärte der Bundeskanzler: „Wir leben ja nicht in einem Polizeistaat und können und wollen nicht an jeder Straßenecke kontrollieren.“

„An einem Strang ziehen“

Vonseiten der meisten Bundesländer wird der bundesweite Vorstoß in Richtung eines Lockdowns für Ungeimpfte unterstützt. „Ich habe mich immer für bundeseinheitliche Maßnahmen ausgesprochen. Wir müssen an einem Strang ziehen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen“, sagte dazu etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Auch Salzburgs Landeshauptmann Haslauer akzeptierte die Ankündigung. Er hatte die neben Oberösterreich nun auch in Salzburg bereits für Montag anstehende Maßnahme am Mittwoch noch strikt abgelehnt.

Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer hatte seine Position schon am Donnerstag revidiert und einen Lockdown für Ungeimpfte angekündigt. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach sich am Freitag ganz allgemein für eine österreichweite Regelung aus: „Die noch zu geringe Impfquote führt zu Überlastungen in den Spitälern. Daher ist es vernünftig, bundeseinheitlich diesen Schritt zu setzen – und nicht über einen Lockdown für alle zu spekulieren. Denn die mangelnde Impfbereitschaft einiger darf nicht zu Einschränkungen aller führen.“

„Es muss klar sein, was gemeint ist“

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) unterstützte die Ankündigung im ORF am Freitagabend grundsätzlich. „Es muss nur klar sein, was gemeint ist unter einem Lockdown für Ungeimpfte“, forderte der Bürgermeister die Klärung noch offener Fragen. Es brauche eine klare Linie, die von allen getragen werde.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) zeigte sich dagegen „skeptisch“, was die Sinnhaftigkeit und praktische Umsetzbarkeit betrifft. Die Frage sei, wie ein derartiger Lockdown für Ungeimpfte in der Praxis funktionieren solle und wie man ihn der Bevölkerung erklären könne – gerade im Burgenland, wo die Impfquote vergleichsweise hoch sei, sagte Doskozil am Freitag.

Für ihn sei weiter das Impfen die vorrangige Maßnahme. Deshalb werde es im Burgenland ab kommendem Mittwoch sechs Impfzentren, die an fünf Tagen pro Woche ohne Anmeldung impfen, geben. Die Bundesregierung solle sich eher an diesem Modell orientieren, dann lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die vierte Welle durchbrechen, so der Landeshauptmann.

Lockdown: Schwierige Umsetzung

Der Lockdown für Ungeimpfte wirft viele Fragen auf – vor allem verfassungsrechtlicher Natur. Schließlich ist eine Verordnung nur so viel wert, wie sie auch eingehalten und durchgesetzt wird. Was also sagen Verfassungsexperten dazu? Die ZIB hat einen um seine Einschätzung gebeten.

„Es braucht noch einmal eine Diskussion“

In Kärnten will man in der Diskussion um einen möglichen Lockdown für Ungeimpfte die Sitzung am Sonntag abwarten. Aktuelle Bestrebungen, zuvor selbst über einen Lockdown zu entscheiden, gebe es bis dahin nicht, hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ): „Es braucht aber ganz klar noch einmal eine Diskussion, wie man der steigenden Zahlen der Neuinfektionen und der Intensivpatienten Herr werden kann.“

Experten für faktenbasierte Kommunikation

Die heimische Wissenschaftselite meldete sich am Freitag indes mit dem Ruf nach einer konsequenten, faktenbasierten, ehrlichen und transparenten Kommunikation zu Wort. „Wir wollen möglichst viel von unserem alten Leben zurück“, heißt es in dem in sozialen Netzwerken geteilten „Unabhängigen Statement der Wissenschaft“.

Notwendig dafür sei eine gemeinsame Kraftanstrengung – mit Blick auf die „gegenwärtig sehr schwierige Lange“, aber auch sehr kurzfristig wirkende Maßnahmen, wie „konsequente FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen, deutliche Kontaktreduzierung, 2-G plus bei Veranstaltungen und regelmäßiges Testen als Routine“. Mittel- und langfristig sei dann ein möglichst hoher Anteil an Menschen mit maximalem Impfschutz das „oberste Ziel“.

Reaktion auf Haslauer-Sager

Das „unabhängige Statement der Wissenschaft“ gilt auch als Reaktion auf abschätzige Bemerkungen des Salzburger Landeshauptmanns Haslauer. Er hatte am Mittwoch gemeint, „dass es Virologen am liebsten wäre, jeden Österreicher in ein Zimmer zu sperren“. Wissenschaftler und Ärzte kritisierten ihn daraufhin scharf und warfen ihm vor, von politischem Versagen abzulenken und ‚Fake News‘ zu verbreiten – mehr dazu in Haslauer erntet Welle der Kritik.

Im Expertenpapier heißt es in Richtung Politik: „Die Kommunikation in der Öffentlichkeit muss konsequent, faktenbasiert, ehrlich und transparent sein. Das Ziel der Pandemiekontrolle im Wohle und im Interesse der gesamten Gesellschaft muss vor (politischen) Partikularinteressen stehen.“