ÖVP-Klubobmann Sebastian Kurz
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Gutachten

ÖVP-Entlastungsversuche für Kurz

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war nach seinem Rückzug im Oktober von der Bildfläche verschwunden. In den vergangenen Tagen mehrten sich die Anzeichen für das Bestreben nach einem Comeback. Die Maschinerie für Strategien zu seiner Entlastung läuft jedenfalls auf Hochtouren – weiterhin auch mit Attacken gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Kurz trat im Oktober als Kanzler zurück. Seine parlamentarische Immunität soll kommende Woche im Nationalrat aufgehoben werden. Kurz mischt aber dennoch mit. Es gibt regelmäßige Termine, die „fraktionelle Vorbesprechung“ des ÖVP-Teils der Regierung mit Kurz, berichtete etwa der „Standard“. Dem Bericht zufolge ist in den kommenden Monaten eine Tour durch Österreich mit Kurz geplant.

Kurz soll derzeit in regem Austausch mit den ÖVP-Landesorganisationen stehen. Am Donnerstag habe er sich etwa dem Landesparteivorstand in der Steiermark gestellt, berichtete das Ö1-Mittagsjournal. Dabei habe er Zuversicht ausgestrahlt, ein Comeback als Kanzler feiern zu können.

In Tirol sei es zu keinem Termin gekommen, mit den Vorarlberger Funktionärinnen und Funktionären habe er sich virtuell ausgetauscht. „Dabei soll sich der Ex-Kanzler immer wieder entschuldigt haben. Es ist also mehr eine Entschuldigungs- als eine Comeback-Tour, wie anfangs getrommelt wurde und mehr virtuell als real“, so Ö1.

17-seitiges Gutachten soll Kurz entlasten

Nicht vom Tisch sind aber die Ermittlungen der WKStA. Die WKStA geht dem Verdacht nach, dass der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, bei den Meinungsforscherinnen Sophie Karmasin und Sabine Beinschab mutmaßlich manipulierte Umfragen in Auftrag gab, die dann in „Österreich“-Medien erschienen sein sollen – bezahlt vom Finanzministerium (BMF) mittels „Scheinrechnungen“. Als Profiteur und Drahtzieher hinter dem System vermuten die Ermittler Kurz, dessen Übernahme der ÖVP und in weiterer Folge auch des Kanzleramts damit unterstützt werden sollten.

Ein 17-seitiges Rechtsgutachten des Wiener Strafrechtsprofessors Peter Lewisch ist nun einer der Versuche, Kurz zu entlasten. In Auftrag gegeben wurde es von ÖVP-Anwalt Werner Suppan, es sollte am Sonntag veröffentlicht werden. Der „Standard“ berichtete vorab darüber. Lewisch schreibt demnach darin, dass sich der von der WKStA behauptete konkrete Tatverdacht gegen Kurz „in keiner Weise nachvollziehen“ lasse. Er wirft den Ermittlern „freihändige Spekulationen und Mutmaßung“ vor. Zudem schrieb er von einer „unerträglichen Sachverhaltsverdrehung“. In seinem Fazit sieht er „keine konkrete Verdachtslage“ gegen Kurz.

ÖVP versucht Kurz-Reinwaschung

Der Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler war für die ÖVP ein schwerer Schlag. Jetzt versucht die Partei, Kurz von den Vorwürfen der Bestechung und Untreue reinzuwaschen. Bei einem Wiener Strafrechtsprofessor wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der sieht die Vorwürfe gegen Kurz freilich völlig unbegründet und überzogen.

„Storytelling“ der Ermittler

Lewisch betont in seinem Gutachten, dass zwar die „Bezahlung von BMF-externen Aufträgen aus Ministeriumsmitteln“ strafrechtlich als Untreue gewertet werden könne. Das müssten die Ermittlungen zeigen. Konkrete Belege für eine Involvierung des ÖVP-Chefs sieht er allerdings nicht. Lewisch wirft den Ermittlern „Storytelling“ sowie „Spekulationen und Mutmaßung“ vor: „Die Anordnung der WKStA vermag kein einziges Beweisergebnis zu benennen, das die Person des Sebastian Kurz auch nur irgendwie in substantiierter Weise in Verbindung mit möglichen Inkorrektheiten bei der Finanzierung und Abrechnung von Leistungen im Schoße des BMF bringt.“

Weitere Vorwürfe der Ermittler hält Lewisch überhaupt für rechtlich unzulässig – so etwa den Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Inseratenschaltungen. Der ÖVP-Gutachter meint nämlich, dass „ÖVP-freundliche Berichterstattung“ von Zeitungen, die sich dafür großzügige Inseratenaufträge erwarten, nicht als „Korruptionsvorteil“ im Sinne der Bestechung gelten könne.

Sonst müsse das ja auch für einen Theaterdirektor gelten, der in Erwartung von Subventionen politisch gefällige Stücke auswähle, meint Lewisch: „In Wahrheit handelt es sich um sozial adäquate Verhaltensweisen, die außerhalb der Korruptionstatbestände liegen.“

Gespräch mit Karmasin im Fokus

Gänzlich anders als die Ermittler sieht Lewisch auch das Gespräch zwischen Kurz und Karmasin in ihrer gemeinsamen Zeit als Minister im Jahr 2016. Die Staatsanwaltschaft wertet es als Beleg für die direkte Involvierung des Altkanzlers in die Affäre.

Sebastian Kurz und Sophie Karmasin
APA/Erwin Scheriau
Ein Chat-Verlauf zwischen Kurz und Karmasin wurde laut ÖVP falsch interpretiert

Lewisch meint – entsprechend der Verteidigungslinie der ÖVP –, dass es dabei aber auch einfach nur um ein kalmierendes Gespräch unter Ministerkollegen gegangen sein könnte. Denn Karmasin sei zu dieser Zeit in einem Konflikt mit dem damaligen ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner gestanden, und es sei „unbegreiflich“, warum die WKStA das bei der Beweisaufnahme nicht berücksichtigt habe.

Universität Wien geht auf Distanz

Lewisch ist Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien und Rechtsanwalt. In letzterer Funktion arbeitet er als Senior Counsel für die Kanzlei Cerha Hempel. Deren Partnerin Edith Hlawati leitet mittlerweile die Staatsholding ÖBAG – als Nachfolgerin von Thomas Schmid, der wegen seiner Chataffäre, die auch die Ermittlungen gegen Kurz auslöste, gehen musste.

In einer via Twitter veröffentlichten Stellungnahme hieß es am Samstag vonseiten der Universität Wien, dass es sich „um ein persönliches Gutachten, nicht um eines der Institution“ handelt.

Diskussion über Karmasin-Kurz-Gespräch

Das Kurz-Karmasin-Gespräch hatte schon vergangene Woche für parteiinterne Diskussionen gesorgt. Karmasins Anwalt hatte via „Kurier“ mitgeteilt, dass die Chats falsch interpretiert worden seien. Kurz habe sich mit Karmasin treffen wollen, um ihren Rücktritt als Ministerin zu verhindern. Parteikollegen wie ÖVP-Vizeklubobmann August Wöginger sahen Kurz dadurch entlastet. Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach hingegen von „untauglichen Entlastungsversuchen“. Diese Interpretation stehe dem Chatverlauf „diametral entgegen“. Aus dem Chat gehe nämlich „klar hervor, dass es beim Treffen Kurz mit Karmasin um Meinungsumfragen ging und nicht um Rücktritt oder Neuwahlen“.

Dabei geht es um folgenden Chat-Verlauf: Im März 2016 schrieb Schmid an Kurz, „Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht, ob ich überreden konnte“. „Kann ich mit ihr reden“, antwortete Kurz. Schmid meinte daraufhin: „Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner (damaliger Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, Anm.), weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Mitterlehners Vorgänger als ÖVP-Chef Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt.“ Und weiter schrieb Schmid: „Wenn du ihr sagst, dass jetzt die Welt nicht untergeht. Und das Mitterlehner eben ein Arsch war usw. Hilft das sicher.“ „Passt mache ich“, antwortete Kurz. Die WKStA ermittelt, es gilt für alle die Unschuldsvermutung.