COP26 in Glasgow
Reuters/Yves Herman
Kohleausstieg nur einleiten

COP26 endet mit „historischem“ Kompromiss

Eigentlich hätte die UNO-Klimakonferenz COP26 in Glasgow schon Freitagabend zu Ende gehen sollen. Erst mehr als 24 Stunden später wurde die Abschlusserklärung von 200 Staaten gebilligt. Damit wird die Welt erstmals dazu aufgefordert, den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten. Gegen den Kohleausstieg gesträubt hatten sich vor allem Länder wie China, Nigeria, Südafrika und Indien. Für UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ist die Gefahr einer Klimakrise nicht gebannt.

Gefordert wird mit der Erklärung auch, „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Kohle-Formulierung wurde allerdings in letzter Minute auf Druck von Indien abgeschwächt. Statt eines ganzheitlichen Kohleausstiegs wurde die Formulierung geändert, den Ausstieg schrittweise einleiten. EU-Kommissar Frans Timmermans äußerte seine große Enttäuschung darüber, würdigte die Forderung zum Kohleausstieg aber dennoch als „historisch“.

Konferenzleiter Alok Sharma zeigte am Ende Verständnis für die Enttäuschung vieler Delegierter und der Mehrheit der NGOs. Der von ihm angekündigte „Moment der Wahrheit“ manifestierte sich im kleinsten gemeinsamen Nenner. Mit dem aktuellen Entwurf wird der Pariser Klimavertrag aber zumindest ein abgeschlossenes Regelwerk erhalten. Mehrere Staaten hatten sich kurz vor der Schlussabstimmung über die Verwässerung in letzter Minute beschwert. Sharma bat mit Tränen in den Augen um Verzeihung, „für die Art, wie das gelaufen ist“.

COP26-Präsident Alok Sharma
Reuters/Yves Herman
COP26-Präsident Sharma zeigte Verständnis für die Enttäuschung vieler Delegierter

„Klimakatastrophe steht weiter vor der Tür“

Kritik kam nicht nur von Umweltschutzorganisationen, sondern auch von UNO-Generalsekretär Guterres. Für ihn steht die „Klimakatastrophe weiter vor der Tür“. Die in Glasgow erzielten Fortschritte seien „nicht genug“ und „voller Widersprüche“. Es sei Zeit, in den Notfallmodus zu gehen, twitterte er. Die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, erklärte mit Blick auf die aus ihrer Sicht zu geringen Anstrengungen gegen den Klimawandel: „Für die Malediven wird es zu spät sein.“

Neben der Vereinbarung über die Einleitung des Kohleausstiegs verpflichteten sich die Länder gemeinsam dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bisher unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen. Das bleibt aber freiwillig, es gibt keine Pflicht.

Eingereichte Pläne reichen nicht aus

Die bisher bei der UNO eingereichten Pläne reichen bei Weitem nicht aus, das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. In der Erklärung wird festgehalten, dass dafür der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss. Viele Wissenschaftler haben erklärt, dass ein Überschreiten dieser Grenze zu einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels und katastrophalen Wetterextremen führen wird.

UN-Generalsekretärin Antonio Guterres
Reuters/Yves Herman
Für UNO-Generalsekretär Guterres sind die Ergebnisse „nicht genug“

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisierte die „zahnlosen“ Beschlüsse und befürchtet, dass es mit den bisherigen Plänen einen Anstieg der Treibhausgasemissionen bis 2030 geben werde statt der geforderten Senkung um 45 Prozent. Entsprechend könne auch das 1,5-Grad-Ziel nicht eingehalten werden.

Mehr Finanzhilfen für arme Staaten

Heftig debattiert worden war auch über Unterstützung für arme Staaten. Diesen wurden nun mehr Finanzhilfen zugesagt, damit sie sich an die häufig fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt mit häufigeren und längeren Dürren und Hitzewellen konfrontiert oder kämpfen mit heftigeren Stürmen und Überschwemmungen. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden – von aktuell etwa 20 auf rund 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Mrd. Euro.)

Großbritannien forderte auch, dass ein UNO-Ausschuss im kommenden Jahr über Fortschritte bei der Bereitstellung der jährlichen 100 Milliarden Dollar pro Jahr berichten soll, die reiche Nationen bis 2020 versprochen hatten, aber nicht lieferten. Voraussichtlich wird die Zusage erst 2023 eingelöst.

Zudem liegen die 100 Milliarden Dollar pro Jahr nach UNO-Angaben weit unter dem tatsächlichen Bedarf der ärmeren Länder. Laut einem noch unveröffentlichten Bericht des Weltklimarats (IPCC), der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, sind Billionen von Dollar notwendig, um die durch Klimaschäden gefährdeten Staaten zu unterstützen. Dem Text zufolge ist davon auszugehen, dass die Kosten linear mit dem Temperaturanstieg steigen werden.

„Industrieländer übernehmen keine Verantwortung“

Die ärmeren Staaten hatten sich vor allem dafür eingesetzt, dass ein Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten eingerichtet wird. Gemeint sind etwa Zerstörungen und erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Wie hoch diese Summen sein sollen, blieb aber offen. Es soll nur „technische Unterstützung“ nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.

EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, COP26-Präsident Alok Sharma und der chinesische Klimagesandte Xie Zhenhua
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Auch außerhalb des Plenums wurde debattiert – hier zu sehen sind Timmermans (Mitte) und der chinesische Chefverhandler Xie Zhenhua (li.)

NGOs sehen auch bei diesen Fragen wenig Fortschritte. Oxfam stellte in einer Aussendung fest, dass die kleinen Schritte, welche die COP26 nach vorne gemacht habe, uns nicht zu der Illusion verleiten dürfen, mit einem echten Erfolg nach Hause zu fahren. „Es ist schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden“, lautete das Resümee von Oxfam. Auch Care-Experte Sven Harmeling meinte: „Die Industrieländer übernehmen immer noch keine Verantwortung für angerichtete Klimaschäden.“

„Nicht das Ergebnis, für das die EU gekämpft hat“

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich nach der Konferenz überzeugt, dass der Druck auf die wenigen Staaten, die den Klimaschutz blockieren, weiter steigen werde. Für ein Scheitern wie zuletzt bei der COP25 in Madrid „haben wir keine Zeit mehr.“ Sie hob die Verankerung des 1,5-Grad-Ziels als „starkes Ergebnis“ hervor:

„Wir haben einen Prozess in diesem Text verankert, mit dem wir uns schon kommendes Jahr für eine Nachbesserung der Klimaziele bis 2030 auseinandersetzen müssen.“ Gewessler hält aber auch in Anspielung an den abgeschwächten Kohleausstieg fest: „Am Ende ist das nicht das Ergebnis, für das die EU gekämpft hat.“ Es sei aber die Basis, mit der nun weitergearbeitet werde.

„Fauler Kompromiss“

Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das Ergebnis neben einiger schwacher Lichtblicke nicht mehr als ein „fauler Kompromiss“: „Mit dem globalen Emissionshandel wurde für die Staaten eine Hintertür geöffnet, um sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen und sich aus der Verantwortung zu stehlen.“ Echter Klimaschutz werde dadurch verwässert. Auch Gewessler, die für die EU die Verhandlungen in dieser Sache geführt habe, habe ihr Versprechen, Schlupflöcher im Handelssystem zu schließen, nicht halten können.

Kritisch sieht Global 2000 hier auch die Rolle der EU: „Die Einrichtung von Kohlenstoffmärkten öffnet der Aufweichung der Klimapläne Tür und Tor.“ Die EU habe einem faulen Kompromiss zugestimmt, statt eine wichtige rote Linie zu ziehen, so Klimasprecher Johannes Wahlmüller.

„Blah, blah, blah“

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg brachte ihre Enttäuschung in einem kurzen Twitter-Statement Samstagabend zum Ausdruck: „Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah, blah, blah. Aber die echte Arbeit geht außerhalb der Hallen weiter. Wir werden niemals aufgeben, niemals.“

Vom „ambitionslosen Ergebnis“ enttäuscht reagierte auch der WWF Österreich. Damit bleibe die Welt meilenweit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt: „Wieder einmal ist es den Bremsern und Blockierern gelungen, wichtige Fortschritte zu verhindern und die Gipfelbeschlüsse an entscheidenden Punkten zu verwässern.“

Von der Leyen: „Noch harte Arbeit vor uns“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Beschlüsse von Glasgow hielten die Pariser Klimaziele am Leben. „Das macht uns zuversichtlich, dass wir der Menschheit einen sicheren und gedeihlichen Platz auf diesem Planeten bieten können.“ Die Verhandler in Glasgow hätten wichtige Fortschritte gemacht, erklärte die Kommissionschefin weiter. „Aber wir haben noch harte Arbeit vor uns.“