Bundeskanzler Alexander Schallenberg
APA/Georg Hochmuth
Weitere Maßnahmen im Gespräch

Schallenberg gegen Nachtgastro-Schließung

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) lehnt nächtliche Ausgangssperren für alle ab. Man werde die Entwicklung mit dem aktuellen Ungeimpften-Lockdown laufend beobachten und schließe „Nachschärfungen“ nicht aus, so der Kanzler im Ö1-Morgenjournal. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte angesichts der sich zuspitzenden CoV-Lage im ZIB2-Interview am Sonntag ein weiteres Maßnahmenpaket angekündigt, in dem unter anderem eine Schließung der Nachtgastronomie thematisiert wird.

Schallenberg bestätigte das vom Gesundheitsministerium vorgelegte Paket – er lasse aber dahingestellt, „wie weit die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen geht“ und ob sie wirklich dazu beitragen könnten, die von Expertinnen und Experten vorgeschlagene 30-prozentige Kontaktreduktion zu erzielen. Der seit Montag gültige Lockdown für Ungeimpfte sei ein „dramatischer Schritt“, der dazu beitragen könne, diese Kontaktreduktion zu erreichen. Vom geimpften Teil der Bevölkerung, „der alles richtig gemacht hat“, jetzt zu verlangen, er solle sich solidarisch zeigen, das sehe er nicht.

Man werde die Situation beobachten und habe eine Reihe von anderen Stellschrauben, so Schallenberg: „Das reicht von FFP2-Masken (über) Homeoffice (bis zu) Veranstaltungen mit 2-G Plus. Aber ganz offen, dass wir nochmals an die Nachtgastro gehen, das sehe ich derzeit nicht.“ Vielmehr hätten die bereits seit voriger Woche geltenden Einschränkungen für Ungeimpfte wie 3-G am Arbeitsplatz und 2-G in vielen anderen Bereichen schon eine Vervielfachung der Impfungen gebracht.

Mückstein: Weitere Kontaktreduktion erforderlich

Wie Gesundheitsminister Mückstein am Sonntag in der ZIB2 gesagt hatte, gebe es eine klare Empfehlung von Expertinnen und Experten, wonach weitere Maßnahmen notwendig seien, und diese seien mit der Regierung und den Ländern bereits besprochen worden. Eine Entscheidung könnte Mückstein zufolge bereits am Mittwoch fallen. „Wir sitzen alle im gleichen Boot“, sagte der Minister. Wenn ein allgemeiner Lockdown verhindert werden solle, sei eine Verringerung der Kontakte unter den Menschen zwingend erforderlich.

Mückstein zu neuen CoV-Maßnahmen

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zu den verschärften Maßnahmen im Kampf gegen CoV.

Nächtliche Ausgangsbeschränkungen würden ab 22.00 Uhr gelten und auch eine erneute Schließung der Nachtgastronomie bedeuten. Als weitere zur Debatte stehende Maßnahmen nannte Mückstein eine Verschärfung der FFP2-Masken-Pflicht in Innenräumen, eine Ausweitung der PCR-Tests und Einschränkungen bei Veranstaltungen. Zunächst stünden aber noch die Auswirkungen der am Sonntag fixierten Maßnahmen unter Beobachtung.

Einmal mehr verteidigte Mückstein den seit Mitternacht geltenden Lockdown für Ungeimpfte mit der „dramatischen Situation auf den Intensivstationen“. Die Frage, warum die Regierung der vierten Infektionswelle nicht schon früher mit strengeren Maßnahmen gegengesteuert hat, ließ der Minister unbeantwortet und verwies auf die seit letztem Montag geltende 2-G-Regel und die zuletzt gestiegene Impfbereitschaft der Bevölkerung.

„Erwarte mir eine Entscheidung am Mittwoch“

Am Mittwoch will Mückstein – zehn Tage nach ihrem Inkrafttreten – Bilanz über die 2-G-Regel ziehen und mit den Ländern über weitere Maßnahmen verhandeln. Dabei möchte er das am Freitag von Expertinnen und Experten vorgelegte Maßnahmenpaket vorschlagen. „Hier erwarte ich mir eine Entscheidung am Mittwoch“, so Mückstein, dem zufolge noch abzuwarten bleibt, ob es dafür eine Mehrheit gibt. Die ÖVP hatte Einschränkungen für Geimpfte zuletzt vehement abgelehnt.

„Die Corona-Situation in Österreich ist ernst“, hatte Schallenberg nach der Unterredung mit den Ländern an die Bevölkerung appelliert, die Maßnahmen einzuhalten und vor allem sich impfen zu lassen. Mit dem Lockdown für Ungeimpfte beschleunige man nun den bereits entwickelten Stufenplan der Regierung. „Wir setzen diesen Schritt nicht leichten Herzens, aber leider ist er notwendig“, so Schallenberg, der Österreich eine „beschämend niedrige Impfquote“ attestierte.

Hauptausschuss fixiert Lockdown für Ungeimpfte

Ab Montag gilt in Österreich ein Lockdown für Ungeimpfte. Die von der Regierung Sonntagmittag angekündigte Verschärfung der Coronavirus-Maßnahmen wurde am Sonntagabend im Hauptausschuss des Nationalrates mit den Stimmen von ÖVP und Grünen abgesegnet. Das teilte die Parlamentskorrespondenz am Abend via Twitter mit.

Kontrollen durch „engmaschiges Netz“

Nach der Einigung zwischen Bund und Ländern stimmte am Abend auch der Hauptausschuss des Parlaments dem Lockdown zu. Die neuen Restriktionen sollen zunächst für zehn Tage und für Menschen ab zwölf Jahren gelten, die weder über einen Impfnachweis noch über den Nachweis einer in den vergangenen 180 Tagen überstandenen Coronavirus-Infektion verfügen. Die Betroffenen dürfen ihre Wohnung nur noch für Lebensmitteleinkäufe, Arbeit und Ausbildung, Arztbesuche sowie zur körperlichen Erholung verlassen.

Bereits zuvor waren Ungeimpfte von Besuchen der Gastronomie, von Sportanlagen und Friseurbesuchen ausgeschlossen worden. Neu ist nun, dass sie beim Einkaufen auf die Versorgung mit dem Grundbedarf des täglichen Lebens beschränkt werden. Kontrolliert werden soll der Lockdown durch ein „engmaschiges Netz“, wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ankündigte.

„Geimpft, genesen oder gestorben“

Der Lockdown für Ungeimpfte sei „ein Experiment. Wir wissen nicht, wie es ausgeht“, sagte am Sonntagabend in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ die Virologin Dorothee von Laer. Die an der MedUni Innsbruck tätige Expertin sieht zwar die Möglichkeit, dass er wirkt. „Aber groß rumexperimentieren können wir eigentlich nicht mehr“, gab sie zu bedenken. Auch sie forderte angesichts der hohen Infektionszahlen alle Menschen auf, sich impfen zu lassen: „Es wird 3-G geben in sechs Monaten – dann ist man entweder geimpft, genesen oder gestorben.“

Von Lockdown bis Impfpflicht: wie die vierte Welle brechen?

Die Rekordzahlen bei den Coronavirus-Neuinfektionen zwingen die Politik zum Handeln. In Österreich gilt seit Montag ein Lockdown für Ungeimpfte. „Im Zentrum“ diskutierten Pamela Rendi-Wagner (Bundesparteivorsitzende und Klubobfrau, SPÖ), Maria Rauch-Kallat (ehemalige Gesundheitsminsiterin, ÖVP), Hellmut Samonigg (Rektor der Med-Uni Graz), Dorothee von Laer (Virologin der MedUni Innsbruck), Peter Klimek (Komplexitätsforscher).

Der Rektor der Med-Uni Graz, Hellmut Samonigg, plädierte für 1.000 Euro Bonus für alle, die sich vollständig gegen das Coronavirus impfen lassen. Sollte das nicht wirken, wäre er für eine zeitlich befristete Impfpflicht, um eine fünfte und sechste Infektionswelle zu verhindern: Schließlich habe man mit der Impfpflicht auch die Pocken besiegt. Geht es nach dem Komplexitätsforscher Peter Klimek von der MedUni Wien, brauche es jetzt "konsequente Maßnahmen zur Kontaktreduktion und eine klare, langfristige Strategie“.

Laut der ehemaligen Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) kann ein Kraftakt der Vernunft aller Menschen, die in Österreich leben oder das Land besuchen, diese vierte Welle brechen. Scharfe Kritik an der Regierung kam von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie fordert weitere Maßnahmen wie FFP2-Masken-Pflicht in Innenräumen und Verschärfungen in der Nachtgastronomie bis hin zu deren Sperre in Hochrisikogebieten. Wenn die Regierung so weitermache, werde sie um „Voll- oder Komplettlockdowns“ nicht herumkommen.